Filmfest Venedig 2019

Ein starkes Finale mit Mick Jagger

09.09.2019
von  Peter Beddies
Mick Jagger in Venedig: In „The Burnt Orange Heresy“ spielt er einen steinreichen Kunstsammler © Filmfest Venedig
Nach der Preisverleihung ist vor dem Abschlussfilm: Die Besucher der Löwen-Gala von Venedig wurden am 7. September nicht nur mit den Dankesreden der Gewinner, sondern anschließend auch mit einem packenden Kunst-Krimi verwöhnt. „The Burnt Orange Heresy“ bietet die schöne Elizabeth Debicki und den Ober-Rolling-Stone Mick Jagger auf, der den Film für seinen letzten Auftritt als Schauspieler ausgesucht hat.
Claes Bang und Elizabeth Debicki in „The Burnt Orange Heresy“ © Filmfest Venedig

The Burnt Orange Heresy

 
Genre: Thriller
Regie: Guiseppe Capotondi (Italien)
Stars: Claes Bang, Elizabeth Debicki, Mick Jagger, Donald Sutherland
Venedig- Premiere: Abschlussfilm der 76. Filmfestspiele 2019 (außer Konkurrenz)
 
James Figueras (Claes Bang), die Hauptfigur von „The Burnt Orange Heresy“, ist eine schillernde Gestalt am europäischen Kunstmarkt. Er gilt als Experte, wird gern gebucht, wenn es um die Echtheit von Bildern geht. Aber der Mann hat auch ein Problem. Er ist ständig pleite.
Deshalb trifft es sich gut, dass der schwerreiche Cassidy (Mick Jagger) bei ihm anklopft. Figueras soll im Auftrag des Milliardärs Kontakt mit einem legendären Maler, dem seit 50 Jahren verschollenen Jerome Debney (Donald Sutherland), aufnehmen und Cassidy eines seiner sagenumwobenen – weil extrem seltenen – Bilder besorgen.
Der Kunstexperte nimmt seine wunderschöne Geliebte Berenice Hollis (Elizabeth Debicki) mit auf den Trip und steckt schon kurz darauf in einem feinen und bösartigen Kunstwelt-Chaos: Wem kann man trauen? Worum geht es überhaupt? Und nicht zu vergessen: Wer sagt die Wahrheit?
Das Filmfestival von Venedig, das 2019 einmal mehr einen starken Jahrgang hatte, bot mit dieser zauberhaften kleinen Filmperle den perfekten Abschluss. „The Burnt Orange Heresy“ schließt den Bogen zum Eröffnungsfilm „The Truth“ von Kore Eda Hirokazu. Hier wie dort geht es um die Frage, was denn die Wahrheit überhaupt ist und wem sie nützt.
Bei Kore Eda wird viel diskutiert und auf intellektueller Ebene reflektiert. Bei „The Burnt Orange Heresy“ – der Titel bezieht sich auf ein Gemälde, das im Laufe des Films eine große Rolle spielen soll – steht eine sehr schön verzwickte Geschichte im Mittelpunkt.
Erdacht hat sie vor vielen Jahren der Schriftsteller Charles Willeford. Aber der italienische Regisseur Guiseppe Capotondi hat sie kräftig überarbeitet und in die Jetzt-Zeit geholt. Lässt sie nicht mehr in den USA, sondern am Comer See spielen. Übrigens in einem Haus, das genau neben dem von George Clooney liegt.
Der Film hat einen sehr angenehmen Ton, der Erinnerungen an den Stil von Patricia Highsmith wachruft. Mit anderen Worten: Hier steht glänzende Unterhaltung an erster Stelle. Aber darunter liegen mehrere Ebenen. Zum Beispiel die der Schuld. Menschen tun in diesem Film schlimme Dinge und kommen am Ende natürlich nicht ungestraft davon. Obwohl…das muss jeder Kinogänger selbst für sich entscheiden.
Ganz entscheidend zum Genuss des exzellent fotografierten Films trägt die erlesene Mannschaft bei. Der Däne Claes Bang, der demnächst bei den Netflix-Kunden als neuer Dracula in aller Munde sein wird, macht seine Sache als glänzend aussehender und zu Beginn sehr sympathischer Schuft ausgezeichnet. Elisabeth Debicki bekommt Kameraeinstellungen geschenkt, die sie wie Grace Kelly aussehen lassen. Donald Sutherland bereitet es offenbar viel Spaß, in seinen wenigen Szenen den lebensweisen und doch verzweifelten Maler zu geben.
Und Mick Jagger? Regisseur Guiseppe Capotondi meinte im Interview mit FilmClicks: „Mick hat lange nach einem Film gesucht, mit dem er sich von der Leinwand verabschieden kann.“ Die Wahl ist auf „The Burnt Orange Heresy“ gefallen und damit hat sich der legendäre Rocksänger aber sowas von richtig entschieden. Denn er passt hervorragend in diese faustische Geschichte um einen Pakt, der nicht gut gehen kann.
Natürlich erwartet man jede Sekunde, dass Jagger den Sänger in sich entdeckt, in den Schritt greift und beginnt, „Sympathy For The Devil“ zu singen. Aber das hat eher mit der Erwartungshaltung der Zuschauer denn mit seiner Rolle zu tun. Jagger integriert sich und fällt bei diesem exzellenten Ensemble nicht ab. Das ist eine große Leistung!
 
Kinostart: Noch kein Termin 
Publikums-Chancen: Sehr gut
Gesamteindruck: Hinreißende Diebes- und Liebesgeschichte, bei der man schön miträtseln darf, wer hier gut ist und wer böse




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