Drehreportage: So entstand „Tarzan“ in München

Tarzan springt von Kiste zu Kiste

19.02.2014
von  Anna Wollner
„Tarzan“: Ein Dschungel-Idyll mit Gorilla, Tarzan und Jane im fertigen Film © Constantin
„Tarzan“. Der König des Dschungels ist zurück auf der Kinoleinwand. Das Besondere am neuen Film: „Tarzan“ entstand im Motion-Capture-Verfahren. Dabei werden erst die Bewegungen von Schauspielern mit der Kamera aufgenommen - später entstehen daraus am Computer animierte Charaktere. FilmClicks war im Studio in München dabei.

„Tarzan“: Hier geht's zum Trailer und zur Kritik!
Von Dschungel keine Spur: Tarzan und Jane im Bavaria-Studio in München © Constantin

Bavaria-Studio.
„Uuuuuuaaaaaaaahhhhh“ – ein markerschütternder Schrei geht durch die 3.000 Quadratmeter große Halle 12 des Münchner Bavaria-Produktionsgeländes. Tarzan schwingt sich von Liane zu Liane durch ein grünes Pflanzendickicht. So sieht es zumindest auf der Leinwand in „Tarzan“ aus, einer Produktion der Constantin Film.
 
Aber in der riesigen Halle? Vom Dschungel keine Spur. Denn sie ist fast leer. In der Mitte liegt ein blauer Fußboden aus, der an Bodenturnmatten aus dem Sportunterricht erinnert. Ein paar mickrige Zimmerpflanzen stehen herum; dazu schwarze Kisten, provisorisch zusammengeschusterte Klettergerüste mit roten Seilen, Springböcke und Turnkästen. Ein halbes Dutzend bunte Wassernudeln, an Stativen befestigt, hängt kreuz und quer. Eingerahmt ist dieses grotesk wirkende Stillleben von einem schwarzen Stahlgerüst kurz unter der Hallendecke. Zahlreiche Kameras sind daran befestigt.
 
Action! Ein Mann in einem grauen, schlafanzugähnlichen Ganzkörperanzug mit aufgeklebten Gebilden, die an Tischtennisbälle erinnern, springt von Kiste zu Kiste und turnt akrobatisch durch die Szenerie. „Tarzan“-Regisseur Reinhard Klooss erklärt: „Wir sehen hier lediglich die Abstraktion eines Dschungel-Parcours“. Übersetzt aus dem Filmdeutsch heißt das, dass im fertig animierten Film die Seile zu Lianen werden, die Wassernudeln zu Ästen und die Kisten zu Bäumen oder Felsen. Und Tarzan trägt keinen grauen Overall, sondern lediglich einen Lendenschurz.
 
Der neue „Tarzan“ ist kein Real-Spielfilm, sondern ein animierter Motion-Capture-Film. „Wir haben uns für eine fotorealistische 3D-Kulissenwelt entschieden“, sagt Klooss. Tarzan sei kein reiner Cartoon, sondern vor allem Abenteuer und pure Emotion. Mit dem Motion-Capture-Verfahren hätten er und sein Team eine möglichst realistische Bewegungsvielfalt.
 
Das Verfahren ist aufwendig: Ein Motion-Capture-Film wird gleich zweimal gedreht. Einmal mit den realen Akteuren.  Dann folgt, mit dem zugrundeliegenden Rohmaterial, eine animierte Version - die finale Kinofassung.
 
Kellan Lutz, eingefleischten „Twilight“-Fans als Robert Pattinsons Bruder Emmett Cullen bekannt, spielt den Tarzan. Die blonde Spencer Locke („Resident Evil“) ist als Jane dabei. Die Schauspieler werden auf der Spielfläche von fast 60 Kameras im 360 Grad-Modus-erfasst. Die Aufnahmen wandern in den  Computer, der sie in Bewegungsmuster umrechnet. Genau das brauchen dann 150 Spezialisten für ihre anspruchsvolle Arbeit: die Animation.
 
 
Urwaldhüpfen in der Halle: Einer springt (rechts oben), einer sichert das Seil © Constantin

Auch wenn der 23-jährige Kellan Lutz für Tarzan „nur“ seinen Körper hergibt (am Gesicht erkennt man ihn im fertigen Film nicht), genießt er die Dreharbeiten. „Für uns Schauspieler ist Motion Capture ein Traum“, sagt er am Rande der blauen Matten. „Wir sitzen nicht stundenlang in der Maske, haben keine Kostümwechsel und müssen in den Pausen nicht darauf achten, uns nicht zu bekleckern.“ Ein weiterer Vorteil, schwärmt Lutz, sei der Verzicht auf langwierige Umbauarbeiten zwischen den Szenen. „Jeder Tag fühlt sich an wie ein eigener Actionfilm, weil alles so schnell geht“, sagt er und schwingt sich dabei schon zur nächsten Wassernudel.
 
Am Rande des blauen Parcours sind auf schwarzen Stellwänden Storyboard-Zeichnungen einzelner Szenen gepinnt. „Wir haben den Film im Vorfeld auf Basis des Drehbuchs in viertausend Zeichnungen aufgelöst und stellen die, weil wir unter großem Zeitdruck stehen, am Motion Capture Set nach“, erklärt Klooss. Schon bei den Bildern fallen die optischen Überhöhungen des Films auf. Bäume sind 100 statt zehn Meter hoch, Wasserfälle 1.000 Meter tief.
 
Die Affen-Darsteller erkennt man an den mit Stöcken verlängerten Unterarmen © Constantin

Lebendig sind auch die Bewegungen der Affen. Der Choreograph und Affenexperte Peter Elliot hat mit seinem Team die Bewegungen und Verhaltensweisen von Berggorillas analysiert. Menschen mit ähnlichen Overalls wie wie jenem von Kellan Lutz tollen über den blauen Boden. An den Unterarmen haben sie Holzstöcke, mit denen sie sich schnell und unvermittelt  vom Boden abdrücken. Selbst auf dem Gesäß ist ein Hockerähnliches Holzbein befestigt – für den authentischen Affensitz. Das Affengebrüll wurde einstudiert und schallt immer wieder wie ein ewiges Echo durch Halle 12.
 
Wirkt es bei den Dreharbeiten fast noch ein bisschen lächerlich, wie Kellan Lutz in seinem hautengen Ganzkörperanzug von Seil zu Seil hangelt und dabei die Wassernudeln aus seinem Gesicht wischt, sehen die fertigen Bilder des Films in ihrem Realismus beeindruckend aus. Tarzan scheint durch den grünen Dschungel zu fliegen - von Ast zu Ast und von Liane zu Liane. Frei beweglich mit spektakulären Kamerafahrten. Da wäre sie dann wieder: die Magie des Films. Dank Motion Capture zum Leben erwacht.