Eva Spreitzhofer über ihre Covid-19-Erkrankung, die Corona-Krise und ihren Film „Womit haben wir das verdient?“


„In einer Pandemie muss man Kompromisse machen“

20.05.2020
Interview:  Gunther Baumann

Nach Covid-19-Erkrankung wieder gesund: Autorin / Regisseurin Eva Spreitzhofer © Brunner

Die Wienerin Eva Spreitzhofer zählt zu jenen FilmkünstlerInnen, die von der Corona-Krise gleich doppelt betroffen sind. Die Autorin und Regisseurin der Multi-Kulti-Komödie „Womit haben wir das verdient?“ leidet wie alle in der Branche unter dem Stillstand aller Filmproduktionen. Darüber hinaus erlebte sie aber auch persönlich, wie sich die Covid-19-Erkrankung anfühlt: Bei einer Besprechung hat sie sich im März mit dem Virus infiziert. Im FilmClicks-Interview erzählt Eva Spreitzhofer über den Verlauf der Krankheit. Sie erklärt, wie sie die Wiedereröffnung der Kinos im Juli beurteilt und wie sie über den Neustart von Filmproduktionen denkt. Darüber hinaus geht’s um „Womit haben wir das verdient?“: Die Komödie feiert jetzt am 5. Juni ihre TV-Premiere im ORF. Dass der Film schon im Kino zum Publikums-Hit wurde, hat Folgen: Spreitzhofer arbeitet am Drehbuch für eine Fortsetzung – in der auch das Corona-Thema vorkommen könnte.  


Ein Kino-Hit, der am 5. Juni ORF-Premiere hat: „Womit haben wir das verdient?“ © Filmladen

FilmClicks: Frau Spreitzhofer, Sie erklärten vor einigen Wochen, dass Sie sich mit dem Covid-19-Virus infiziert haben. Wie haben Sie die Krankheit erlebt?

Eva Spreitzhofer: Zu Beginn der Pandemie zählte ich zu jenen, die die Aufregung um das Virus total übertrieben fanden. Noch am 4. März, meinem Geburtstag, plante ich, bald eine zweiwöchige Reise nach Triest anzutreten. Da fragte mich meine Tochter ganz entgeistert, ob ich gar nicht mitbekäme, was in Italien gerade passiert. Am 11. März habe ich mich dann offenbar angesteckt, bei einer Besprechung mit einem Drehbuchautor, der gerade aus Ischgl kam, aber noch nicht wusste, dass Ischgl offenbar ein Hotspot der Pandemie war. Ich kam dem Mann nicht sonderlich nahe – wir standen gemeinsam beim Kaffeeautomaten. Doch fünf Tage später, am 16. März, habe ich mich erstmals irgendwie schlecht gefühlt, aber ich hätte nie gedacht, dass dies Anzeichen von Covid waren. Zumal ich kein Fieber hatte. 
 
Wie wurde dann die Diagnose gestellt?
Weitere fünf Tage später habe ich von einer Sekunde auf die andere nichts mehr gerochen und geschmeckt. Das war ein Riesenschreck und ich hatte zunächst die Angst, es könnte ein Schlaganfall sein. Doch beim Googeln las ich, dass dies Covid-Symptome seien, die erst vor kurzem entdeckt wurden. Also rief ich bei der Covid-Hotline 1450 an und man sagte mir, dass ich sofort einen Test bekommen würde. Ich hatte auch Atemnot, dazu wahnsinnige Kopfschmerzen. Das Schlimme war, dass ich ganz allein zuhause war und nicht zum Arzt gehen konnte, was man normalerweise tun würde, wenn man sich krank fühlt. Doch die Hotline ist gut organisiert; eine Ärztin rief mich an und ging mit mir meine Hausapotheke durch. Und meine Apothekerin hat mir etwas vor die Tür gelegt. Das Beunruhigende war das Alleinsein, verbunden mit dem Wissen, dass es keine Medikamente gegen das Virus gibt. Wenn die Atemnot zu schlimm geworden wäre, hätte ich die Rettung anrufen können. Auf der App, die man während der „häuslichen Absonderung“ bekommt, gibt es einen Direkt-Button dorthin.
 
Mittlerweile haben Sie die Krankheit hinter sich, ohne dass Sie ins Krankenhaus hätten gehen müssen. Fühlen Sie sich vollständig geheilt?
Bis heute rieche ich kaum etwas. Das ist ein neurologisches Problem. Dass die Krankheit auch bei leichteren und mittelschweren Verläufen verschiedene Organe angreift, ist schon beängstigend. Die Genesung verläuft in Wellen, mal ist es besser, mal wieder schlechter, und bei jenen, die es stärker erwischt hat, kann die Reha Wochen dauern. Wenn jetzt in der Gesellschaft und auch in der Filmbranche der sehr verständliche Wunsch wächst, wieder alles aufzumachen, dann finde ich, wir müssen sehr verantwortungsbewusst sein. Wenn man sich in dieser Situation nicht anstecken will, kann man nicht zu allem Nein sagen. Man kann nicht sagen, man will keine Maske tragen oder man will keine App, weil die ein Datenschutzproblem aufwirft. Wenn man in einer Pandemie ist, muss man Kompromisse machen. Auch wenn wir das nicht gewöhnt sind.
 
Wechseln wir zum Thema Film: Überlegen Sie als Autorin und Regisseurin, Ihre Covid-19-Erkrankung einmal in einem Film zu thematisieren?
Es kann jedenfalls nichts Tagesaktuelles sein, weil wir heute ja überhaupt nicht wissen, wie sich die Pandemie weiterentwickeln wird. Aber es gibt ein paar Dinge rund um das Virus, die mich als mögliches Filmthema beschäftigen. Da geht’s mir aber nicht um meine eigene Geschichte, das wäre viel zu unspektakulär. Doch ich finde die Sache mit den Verschwörungstheorien sehr spannend: Die Tatsache, dass so viele Leute so schnell auf lauter Blödsinn hineinkippen.
 
Fortsetzung folgt: Caroline Peters (l.), Eva Spreitzhofer am Set von „Womit haben wir das verdient?“ © Produktion

Gibt es schon ein konkretes Projekt von Ihnen, in dem Corona vorkommen könnte?
Momentan arbeite ich an einer Fortsetzung meiner Komödie „Womit haben wir das verdient?“ und ich habe beschlossen, jetzt beim Schreiben so zu tun, als würde es die Pandemie nicht geben. Aber wer weiß? Vielleicht findet die Tochter unserer Film-Familie auf einmal Xavier Naidoo gut, der glaubt, die Menschen werden gerade in Höhlen versteckt. (lacht) Meine Ideen zu Corona im Film gehen jedenfalls in die komödiantische Richtung. Bei allem Ernst der Lage: Es passiert so viel, das einfach grotesk ist – zum Beispiel der Auftritt von Bundeskanzler Sebastian Kurz im Kleinen Walsertal.
 
Österreichs Bundesregierung hat jetzt angekündigt, dass am 1. Juli die Kinos wiedereröffnet werden sollen. Freuen Sie sich darauf oder sehen Sie das mit gemischten Gefühlen?
Ich finde das natürlich ganz super. Aber wie gesagt: Ich zähle zu jenen, die betonen, dass wir nicht so tun sollten, als gäbe es schon einen Impfstoff. Vor ein paar Tagen las ich die Einschätzung des Virologen Christian Drosten, der auf die Gastronomie bezogen meinte, im Moment sei es viel besser, alles ins Freie und auf die Gehsteige zu verlagern, doch die Innenräume noch geschlossen zu lassen. Was das Kino betrifft, wäre es fein, wenn im Sommer viel in den Outdoor-Kinos gespielt wird. Innen muss man halt aufpassen, dass es genug Abstand zwischen den Zuschauern gibt und dass gut gelüftet wird. So viele Leute wie möglich sollten die Stopp-Corona-App herunterladen, damit sie informiert werden können, falls sie in der Nähe von jemandem waren, der oder die infiziert wurde.
 
Momentan sind ja nicht nur die Kinos dunkel – auch die Filmproduktion steht still. Was muss geschehen, damit wieder gedreht werden kann?
Das Allerwichtigste ist, dass der Staat Ausfallhaftungen für Filmproduktionen übernimmt, weil keine Versicherung das Risiko deckt, dass ein Dreh aus Pandemiegründen unterbrochen werden muss. Das ist keine Kultur-Agenda – das fällt in die Zuständigkeit des Finanzministers und der ganzen Regierung. Wir brauchen das Verständnis der Politik dafür, dass es nicht an der Produktionsfirma hängenbleiben kann, wenn ein Dreh wegen einer Infektion zwei Wochen lang steht. In Deutschland hat sich die ARD beispielsweise bereiterklärt, 50 Prozent der Mehrkosten wegen Corona zu tragen. ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz sagte jetzt, der ORF habe nur noch bis zum Ende dieses Jahres Programm. Da wär’s gut, wenn der ORF auch finanziell etwas zur Unterstützung beitragen würde.
 
Doch wie kann man das Infektionsrisiko auf einem Filmset minimieren, wo viele Leute auf engem Raum zusammenarbeiten?
Da gibt es ein von den Produzenten konzipiertes Zonenmodell. In der Zone Eins würden, soviel ich weiß, zum Beispiel Regie, Kamera und SchauspielerInnen agieren. Die werden getestet und bleiben dann unter sich. Das Team der Zone Zwei wird von der Zone Eins räumlich getrennt und kommt nicht mit den Leuten dort in Kontakt. So zu drehen, wird natürlich länger dauern und es wird aufwendiger sein. Das muss auch jemand bezahlen. Aber es ist auf jeden Fall machbar.
 
Nur Kampf- oder Kuss- und Sexszenen wird es wohl so bald nicht mehr geben – wegen der nötigen räumlichen Distanz.
Ich seh‘ da kein Problem. Wenn die Leute vor dem Dreh getestet werden und während der Arbeit in Quarantäne leben, dann können sie miteinander machen, was sie wollen. Man kann ja auch mit seinem Partner Sex haben – das ist im normalen Leben, wenn beide nicht getestet sind, sogar gefährlicher als am Filmset (lacht).
 
Wechseln wir noch einmal das Thema: Mit Ihrer Multi-Kulti-Komödie „Womit haben wir das verdient?“, in der die 16-jährige Tochter einer Wiener Feministin plötzlich zum Islam übertritt und ein Kopftuch trägt, drehten Sie 2018 einen der erfolgreichsten österreichischen Filme des Jahres. Am 5. Juni hat der Film jetzt im ORF Premiere…
Darauf freue ich mich schon sehr. Der Film passt jetzt gut in eine Zeit, in der die Kinos noch zu sind und wo sich viele Leute darauf freuen, etwas Lustiges und Gescheites zu sehen. Und es gibt wegen Corona und der Maskenpflicht einen Nebenaspekt, der mich gerade sehr erheitert: Viele Menschen, die es total ok finden, wenn Frauen Nikabs tragen, finden es heute plötzlich unzumutbar, wenn sie im Supermarkt eine halbe Stunde lang eine Maske anlegen sollen. Jetzt erleben alle, wie eingeschränkt man sich dabei fühlt. „Womit haben wir das verdient?“ ist eine Komödie, die das Glück hatte, nicht nur beim Publikum, sondern auch auf Festivals sehr erfolgreich zu sein. Von Santa Barbara in Kalifornien bis nach Kiew gab es überall die gleichen Reaktionen: Erst haben die Leute total gelacht – und dann haben wir viel diskutiert. Und alle meinten, es ist so großartig, dass man über dieses Thema endlich einmal lachen kann.

Derzeit arbeitet Eva Spreitzhofer am Drehbuch für ihren neuen Film © Produktion

Sie sprachen von einer Fortsetzung. Wann soll „Womit haben wir das verdient? 2“ denn ins Kino kommen?
Ich muss erst einmal das Drehbuch fertigschreiben. Wenn alles gut geht,  könnte es im Herbst 2021 so weit sein. Der Cast rund um Caroline Peters wird wieder dabeisein – es war eine großartige Zeit, mit diesem Ensemble zu drehen. Und es gibt Kollegen wie Peter Simonischek und Birgit Minichmayr, die gesagt haben, sie würden gern bei der Fortsetzung mitmachen. Die versuche ich natürlich einzubauen, weil ich sie wahnsinnig schätze. Es würde mir gut gefallen, wenn sie Teil unserer Film-Familie werden.