Robert Lopez , Kristen Anderson-Lopez


Sie schnappten U2 den Oscar weg

03.03.2014
Interview:  Anna Wollner

Robert Lopez und Kristen Anderson-Lopez gewannen mit „Let It Go“ den Oscar für den besten Film-Song © Disney/Talisman Bro

Die Rock-Megastars Bono und U2 gingen mit dem Song „Ordinary Love“ (aus dem Kinodrama „Mandela“) als klare Favoriten ins Oscar-Rennen. Doch die Juroren hatte andere Vorstellungen:  Sie holten das New Yorker Komponisten-Ehepaar Robert Lopez und Kristen Anderson-Lopez ins Rampenlicht. Ihre Hymne „Let It Go“ aus dem Animations-Hit „Die Eiskönigin“ wurde - in einer der wenigen Überraschungen der Oscar-Nacht - zum Film-Song des Jahres gewählt. FilmClicks traf die beiden in New York zum Interview: Stilecht und ganz dem Genre verschrieben, hatten die beiden einen Flügel im Hotelzimmer stehen, und sie haben immer wieder in die Tasten gehauen und musikalische Beispiele gegeben. Ein gesungenes Interview also. Schade, dass Sie es nur lesen können.


FilmClicks: Wie schreibt man einen perfekten Song für einen Disney-Film?
Kristen Anderson-Lopez: Das allererste ist das Eintauchen in die Geschichte. Wir müssen zunächst die Charaktere kennenlernen, rausfinden wer sie sind, wo sie herkommen und was sie wollen. Wir müssen den richtigen Zugang finden. Wenn eine Figur zum Beispiel in einem bestimmten emotionalen Zustand ist und lossingt, wir diesen Zustand aber nicht nachvollziehen können, dann wird das wohl erstmal nichts mit dem Lied. Der Entwurf wird mit ziemlicher Sicherheit auf dem Müll landen.
 
Was machen Sie, um genau das zu verhindern?
Robert Lopez: Jede Geschichte, jeder Song ist anders und muss neu aufgebaut werden. Wenn man eine ganz normale Geschichte ohne Lieder schreibt, lässt sich der emotionalen Zustand einer Figur über die Dialoge erzählen. Mit einem Lied allerdings gibt es Wiederholungen, man hat am Anfang eine Hook, einen Refrain und zwischendrin die Strophen. Das hat eine ganz andere Emotionalität. Da kann man nicht mogeln, da muss man genau wissen, was die Figur an diesem Punkt will. Wo sie herkommt, wo sie hin will. Das zwingt uns und die Drehbuchautoren, zusammenzuarbeiten.
 
Welches Lied hatten Sie für „Die Eiskönigin“ denn zuerst fertig?
Robert: Das war „Let it Go“, das Lied der Eiskönigin Elsa. Wir haben hier nicht nur lange nach dem richtigen Text, sondern auch nach dem richtigen Sound gesucht.
Kristen: Dass „Let it Go“ zuerst fertig war, ist kein Zufall. Elsa ist eine fesselnde Figur, sie kennenzulernen war relativ einfach. Der Moment, in dem sie aus dem eigenen Königreich flieht und alleine auf diesem Berg steht, ist überwältigend. Wie aus einem Disney-Film. (lacht)
 
Inwiefern?
Robert: Elsa steht da oben, blickt hinab auf die Eislandschaft und lässt ihre Kräfte spielen. Es war, als würden wir genau in ihre Seele blicken. Wie fühlt es sich an, verbannt zu sein, wenn alles, was man bisher liebte, nicht mehr da ist.   Aber gleichzeitig kann sie zum ersten Mal im Leben ganz sie selbst sein.
Kristen: Als wir das erkannten, hat sich das Lied fast von selbst geschrieben. Gerade ich konnte mich in dieser Position sehr gut wiederfinden. Als weibliche Künstlerin in einer männerdominierten Welt muss man als Frau manchmal einfach loslassen. Dass man nicht nur Musikerin ist, sondern auch als Mutter und Ehefrau Verantwortung trägt. Vergiss einfach einmal in deinem Leben, nett zu sein.
 
Sie sind verheiratet, haben zwei Kinder, arbeiten und leben zusammen. Wie sieht da Ihr Arbeitsalltag aus?
Kristen: In unserem Büro steht in der Mitte des Tisches eine Familienpackung Kopfschmerztabletten. Es gab durchaus Zeiten, da ging der erste Griff morgens zu den Tabletten. Wir wussten, oft, dass es schmerzvolle Tage werden würden. Komponieren ist wie jede andere Arbeit sehr hart. Es gab Probleme, da hatten wir keinen blassen Schimmer, wie wir sie am besten lösen könnten.
Robert: Dazusitzen und darauf zu warten, dass einen die Muse küsst, ist nicht gerade erfolgversprechend. Jeder Tag, jede geschriebene Textzeile oder Note ist harte Arbeit. Oft ist es auch reine Verhandlungssache. Wir reden dann so lange, bis wir uns einig sind. Auch in der Musik geht es oft darum, Kompromisse zu finden. Das kann mitunter sehr unromantisch sein.
Wann wissen Sie, ob ein Song fertig ist?
Robert: Unsere ersten Entwürfe sind immer noch sehr stark veränderbar, es sind ja nur musikalische Skizzen. Unsere Stimmen und das Klavier. Wir schicken Disney eigentlich nur Rohmaterial, denn dann kommt ja noch die Arbeit mit den Schauspielern.
 
Die Lieder werden individuell auf die Schauspieler angepasst?
Kristen: Unbedingt. Das ist ein großer Vorteil bei der Animation. Im Theater oder beim Musical reden wir mit den Schauspielern über unsere Vorstellungen von den Liedern. Aber hier konnten wir sogar richtig Regie führen beim Einsingen.
Robert: Für mich war das nichts. Ich musste immer in einen anderen Raum gehen und habe die anderen machen lassen. Aber Kristen konnte richtig all ihre Regie-Ambitionen ausleben und mit den Schauspielern die Songs erarbeiten. Erst dann kam die finale Orchestrierung dazu.
 
Wie schwer ist es, durch Lieder Humor zu transportieren?
Kristen: Das ist eine Frage des Timings. Man kann mit der Stimme arbeiten. Künstlich in die Länge gezogene Wörter und Sätze finden am Ende nicht zu einer Pointe. Aber mit einem schwungvollen Tempo kann der gleiche Satz eine ganz andere Wirkung haben.
Robert: Man kann auch tricksen und den Hörer ein wenig hinters Licht führen. Indem man einfach einen Song nimmt, den eh schon jeder im Ohr hat und ihn leicht verändert. Bei „Summer“, dem Song des Schneemanns Olaf, beziehen wir uns auf Bing Crosbys „Winter Wonderland“. Wir verändern eine kleine Sache im Text, singen über einen Schneemann, der Sehnsucht nach Wärme hat.
Kristen: Aber die Melodie klingt wie „Jingle Bells“.
Robert: Es ist eine Gratwanderung. Bei lustigen Liedern darf die Musik nie im Vordergrund stehen. Das Hauptaugenmerk muss auf dem Text liegen. Das Publikum darf einem Lied nie hinterherhinken, es braucht Zeit, um Lachen zu können, ohne den Anschluss zu verlieren.
 
Was macht mehr Spaß – einen Song mit Humor oder einen Song für den Bösewicht zu schreiben?
Robert: Das hängt ganz davon ab. Zumal sich mit den Liedern auch die Einstellungen zu den Charakteren verändern. Elsa zum Beispiel war am Anfang viel böser. Es war eine ganz klassische Geschichte: Elsa gegen ihre Schwester Anna. Als wir „Let it Go“ fertig geschrieben haben, hat das ganze Team Elsa auf einmal mit anderen Augen gesehen. Ganz langsam wurde sie so zu einer zweiten Heldin. Das war eigentlich nie unsere Absicht.
Kristen: Das war wie im echten Leben. Die Bösen entpuppen sich am Ende nie als die, die man für Böse hält. Seien wir mal ehrlich, wer ist noch nie mit einem Schurken ausgegangen? Ich bin das.
Robert: Du bist mit einem verheiratet.



Kritik
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