Zurich Film Festival 2018

Filmkunst, Stars und Wettbewerbe

09.10.2018
von  Gunther Baumann
Noble Kulisse: Eröffnung und Schlussgala des Zurich Film Festival finden im Zürcher Opernhaus statt © ZFF
Elf Tage. 162 Filme. 104.000 Besucher. Das ist die Bilanz des 14. Zurich Film Festivals (ZFF), das am 7. Oktober endete. Mit diesen Kennzahlen agiert das Schweizer Festival auf einer ähnlichen Ebene wie die Viennale in Österreich, allerdings gibt es einige wesentliche Unterschiede. Erstens zeigt man in Zürich neben den Höhepunkten des Arthaus-Repertoires auch etliche anspruchsvolle Filme aus der kommerziellen Produktion. Zweitens legt man viel Wert auf große Namen. In diesem Jahr kamen, um nur einige zu nennen, Viggo Mortensen und Wim Wenders, Judy Dench und Johnny Depp. Und drittens gibt es Wettbewerbe, wobei diesmal auch die Wiener Regisseurin Katharina Mückstein (für „L’Animale“) ausgezeichnet wurde. FilmClicks war erstmals beim ZFF dabei.
Der Start. Der erste Applaus gehörte einem Film, der demnächst ganz oben im Oscar-Rennen mitspielen könnte. Das 14. Zurich Film Festival wurde mit „Green Book“ eröffnet, einer Tragikomödie, die im September den höchsten Preis des Festivals Toronto gewann – den People’s Choice Award. Mahershala Ali und Viggo Mortensen spielen in dieser wahren Geschichte den feinsinnigen dunkelhäutigen Pianisten Don Shirley und dessen polternden Chauffeur Tony Lip, die anfangs der 1960er Jahre durch die damals offen rassistischen Südstaaten der USA touren.

Eröffnungs-Gäste in Zürich: Regisseur Peter Farrelly und Viggo Mortensen © ZFF

Viggo Mortensen flanierte gemeinsam mit „Green Book“-Regisseur Peter Farrelly („Verrückt nach Mary“) über den Teppich der Ehrengäste, der in Zürich nicht rot, sondern grün gefärbt ist. Die beiden waren die ersten einer ganzen Reihe von Stars, die beim Festival am Zürichsee vorbeischauten.
 
Die Stars. Zur Kategorie der Kino-Legenden zählen Schauspieler Donald Sutherland, Regisseur Wim Wenders und die englische Grande Dame Judi Dench, die Ehrungen für  ihr Gesamtwerk entgegennahmen. Judi Dench hatte aber auch einen brandneuen Film im Gepäck. In Trevor Nunns Thriller „Red Joan“ spielt sie eine scheinbar harmlose britische Rentnerin, die als langjährige Elite-Spionin für die Sowjetunion enttarnt wird. „Red Joan“ kommt 2019 ins Kino.
 
Oscar-Nominee John C. Reilly, der das Publikum in Venedig als Westernheld in „The Sisters Brothers“ begeistert hatte (Silberner Löwe für Regisseur Jacques Audiard), kam nach Zürich, um die wilde Western-Geschichte der Gebrüder Sisters auch in der Schweiz vorzustellen. Michael Bully Herbig ging als Regisseur des DDR-Flucht-Thrillers „Ballon“ (derzeit im Kino) über den grünen Teppich; seine Landsleute Sönke Wortmann, Iris Berben und Christoph Maria Herbst kamen zur Weltpremiere der Komödie „Der Vorname“ (Kinostart: 18. Oktober).   

Der Megastar unter den Stars von Zürich: Johnny Depp © ZFF

Den größten Rummel gab es aber, wenig überraschend, um den Auftritt von Johnny Depp. Der Hollywood-Megastar, in jüngster Zeit mit seinen Filmen und Taten ein wenig ins Abseits geraten, präsentierte sein neues Kinodrama „Richard Says Goodbye“. Darin spielt er einen College-Professor, der mit der Diagnose konfrontiert wird, unheilbar erkrankt zu sein – und der daraufhin seine Art, zu leben, komplett über den Haufen wirft.
 
Die Wettbewerbe. Wäre es nach dem Publikum gegangen, hätten die meisten dieser Stars und ihre Filme nicht nur Applaus, sondern auch eine Auszeichnung des Festivals verdient. Doch da haben Nadja Schildknecht und Karl Spoerri, die Direktoren des ZFF, einen Riegel vorgeschoben. Arrivierte Filmkünstler sind in Zürich zwar gern gesehen, um bei Galapremieren ihre neuen Werke vorzustellen. Die drei Wettbewerbe sind aber aufstrebenden Regisseuren vorbehalten, die ihren ersten, zweiten oder dritten Film zum Festival bringen. Als Preise für die Gewinner gibt’s jeweils eine Statue, das Goldene Auge, und dazu einen Betrag von 20.000 bis 25.000 Franken (17.500 bis 21.900 Euro).
 
Bester Spielfilm im Wettbewerb: „Girl“ von Lukas Dhont (Belgien) © ZFF

Alle drei Siegerschecks werden dieses Jahr in Europa eingelöst. Den Internationalen Spielfilm-Wettbewerb (25.000 Franken) gewann der 27.jährige Belgier Lukas Dhont. Sein Gender-Drama „Girl“ erzählt von einem jungen Mädchen namens Lara, das alles daransetzt, um Ballerina zu werden. Doch Lara wurde im Körper eines Jungen geboren.
 
Beim Internationalen Dokumentarfilm-Wettbewerb, ebenfalls mit 25.000 Franken dotiert, ging der Sieg an die Dänen Janus Metz und Sine Plambech. Ihr Film „Heartbound“ begleitet Thailänderinnen, die von einem Leben (und einer Partnerschaft) in Europa träumen.
 
Der ungewöhnlichste Wettbewerb des Zürcher Festivals trägt schließlich den Titel „Fokus: Schweiz, Deutschland, Österreich“. Aus allen drei Ländern waren jeweils vier Filme am Start. Darunter die deutsche Mauerfall-Tragikomödie „Adam und Evelyn“ von Andreas Goldstein, das Schweizer Thriller-Drama „Der Läufer“ von Hannes Baumgartner oder das historische Migrations-Drama „Angelo“ des Wieners Markus Schleinzer, das zuvor in Toronto Weltpremiere hatte. Die anderen Beiträge aus Österreich: Eva Spreitzhofers bei der Premiere umjubelte Multi-Kulti-Komödie „Womit haben wir das verdient?“, die Eletroschrott-Doku „Welcome To Sodom“ von Florian Weigensamer und Christian Kröner sowie das Coming-Of-Age Drama „L’Animale“ von Katharina Mückstein, das international schon bei der Berlinale im Februar zu sehen gewesen war.

Die Wienerin Katharina Mückstein gewann für „L'Animale“ ein Goldenes Auge © ZFF

Die Juroren zeigten sich jedenfalls beeindruckt von „L’Animale“. Das mit 20.000 Franken dotierte Goldene Auge ging an die Autorin/Regisseurin Katharina Mückstein, die in ihrer Vorstadt-Geschichte die aufrührerische Mati (Sophie Stockinger) begleitet, die lieber mit einer Jungs-Clique unterwegs ist als weiblichen Rollenklischees zu folgen.
 
Fazit. Beim Publikum kam die Mischung aus Filmkunst und gehobenem Unterhaltungskino prächtig an – davon zeugt die Besucherentwicklung. Hatte das Zurich Film Festival im Jahr 2017 noch 98.300 Zuschauer in die Kinos gelockt, so wurde diesmal mit  104.000 Besuchern erstmals die Hunderttausender-Marke durchbrochen.
 
Auf der einen Seite große Publikumsfilme wie „A Star Is Born“, „Aufbruch zum Mond“ oder „The Old Man & The Gun“ (der Film, mit dem Robert Redford Abschied vom Schauspieler-Beruf nimmt). Auf der anderen Seite mutiges Arthaus-Kino und dazu ein Wettbewerbs-Programm, das den Focus auf die Förderung junger Talente setzt: Mit diesem Konzept hat sich das Zurich Film Festival eine sehr markante eigene Position im europäischen Festival-Kalender geschaffen.
 
Als Festivalzentrum des ZFF dient ein großes Zelt © ZFF

Zurich Film Festival: Die Preisträger
Goldenes Auge für den besten Spielfilm: Lukas Dhont (Belgien) mit „Girl“
Goldenes Auge für den besten Dokumentarfilm: Janus Metz und Sine Plambech (Dänemark) mit „Heartbound“
Goldenes Auge im Wettbewerb Fokus: Schweiz, Deutschland, Österreich: Katharina Mückstein (Österreich) mit „L’Animale“
Schweizer Förderpreis für den besten Schweizer Film: Daniel Zimmermann (Schweiz) für „Walden“
Kritikerpreis für den besten Erstlings-Spielfilm: Gustav Möller (Dänemark) für „The Guilty“
Publikumspreis: Ismet Sijarina (Kosovo) für „Cold November“