Zu Besuch am Set von „Paddington“

Ein Bär, der gerne U-Bahn fährt

01.12.2014
von  Anna Wollner
Unterwegs in London mit der U-Bahn: Paddington, der Bär. Mit Hund. © Studiocanal
Die Briten haben mal wieder ein Nationalheiligtum der Jugendliteratur verfilmt. Diesmal ist es „Paddington“, der Bär mit dem blauen Mantel und dem roten Schlapphut, der bei einer Familie in London aufgenommen wird und in den berühmten Kinderbüchern von Michael Bond ein Abenteuer nach dem anderen erlebt. Der Film mit Nicole Kidman, Sally Hawkins und Hugh Bonneville, der am 4. Dezember im Kino startet, wurde in London gedreht. FilmClicks-Redakteurin Anna Wollner war am Set dabei.

 

 

 

 

 

 

 

Der Bär und seine Hüterin: Paddington mit Sally Hawkins © Studiocanal

London.
Ein sonniger Morgen in London, Ende November 2013. Im Nobelviertel Primrose Hill wacht gerade die gehobene Gesellschaft der Stadt auf. In einer kleinen Straße, dem Chalcot Crescent,herrscht schon geschäftiges Treiben. Es ist eine kleine, U-förmige Straße mit den typischen Londoner Reihenhäusern. Der Fernsehkoch Jamie Oliver wohnt hier, Jude Law um die Ecke. Im Film „Paddington“ soll hier auch Familie Brown leben, eben jene Londoner Familie, die dem am Bahnhof Paddington gestrandeten Bären Unterschlupf gewehrt.

Sally Hawkins und „Downton Abbey“-Star Hugh Bonneville steigen aus einem grauen Kombi und verschwinden in einem der Häuser. Eingemummelt in dicke Wintermäntel. Denn trotz strahlend blauem Himmel ist es kalt. Und frieren werden die beiden Schauspieler heute noch genug. Um sie herum trifft die Crew die letzten Vorbereitungen für den Drehstart. Letzte Anweisungen von Regisseur Paul King für die Position der Kamera, die letzten Lichtaufbauten versperren die halbe Straße. Es ist der 38. Drehtag – von insgesamt 50. Vor ein paar Tagen hatte Nicole Kidman, die im Film den weiblichen Bösewicht Millicent spielt, ihren letzten Arbeitstag.

Auf der Dispo, dem Ablaufplan, stehen für heute sechs Szenen. In der ersten verlässt das Ehepaar Brown (Hawkins und Bonneville) zusammen mit ihren Kindern und dem Bären Paddington das Haus. Dabei stehen sie unter strenger Beobachtung des Nachbarn. Regisseur King ruft Action, die Tür des grünen Hauses geht auf, Bonneville, Hawkins und die Kinder kommen auf die Straße. Nur Paddington fehlt.

Aus gutem Grund, wie Produzent David Heyman leise erklärt: „Paddington ist noch nicht fertig. Wir animieren ihn ja. In den Büchern ist er sehr liebevoll gezeichnet, ein wenig kindlich-naiv. Wir wollen ihn aber in die reale Welt holen. Er soll kein Spielzeug oder Teddybär sein. Vielmehr ein richtiger Bär.“

Ohne Bär am Set: Hugh Bonneville (Mr. Brown, li.) mit Regisseur Paul King © Studiocanal

Genau deswegen spielen die Schauspieler erst einmal ins Leere. Sie müssen sich vorstellen, dass neben ihnen ein kleiner Bär steht. Weil die Spezialisten der aufwendigen Computeranimation aber Anhaltspunkte brauchen, wird jede Szene mehrmals gedreht. Mal gibt es für Paddington einen Stand-In, eine professionellen Clown, der die Bewegungen des Bären imitiert. Mal ist zumindest Paddingtons Kopf im Bild, eine aufwendige Bärenkopfprothese aus Echthaar und mit rotem Schlapphut.

Dann wird nach jeder Szene an Paddingtons Standpositionen noch eine silberne Kugel ins Bild gehalten. „Das ist die Referenz fürs Licht“, erklärt Heymann. „Die Informationen geben wir in den Computer, die Daten sind unerlässlich für die Arbeit an der Animation. Heute tun wir also nur so, als würde Paddington da gerade stehen“. Mit Special-Effects kennt sich Heyman aus. Er hat alle acht Harry Potter-Filme produziert und zusammen mit Alfonso Cuaron das Weltraum-Drama „Gravity“ ins Kino gebracht.

Bonneville und Hawkins stehen derweil etwas verloren auf der Straße und reiben sich die kalten Finger. Noch dürfen sie nicht reingehen und müssen weiter so tun, als würden sie sich mit einem Bären unterhalten.
 
„Es gehen einem natürlich ganz unterschiedliche Sachen durch den Kopf, wenn man da so steht und ins Leere spielt“ sagt Bonneville später bei einem wärmenden Tee. Er lacht. Er gebe sich gar nicht erst die Mühe, die Technik auch verstehen zu wollen. Seine Filmnachbarin Julie Walters, bekannt als Mrs. Weasley aus den „Potter-„Filmen, schiebt nach: „Der Bär ist besser als mancher Schauspieler, mit dem ich schon zusammengearbeitet habe. In ,Harry Potter‘ habe ich ständig mit Dingen vor der Kamera gestanden, die gar nicht existiert haben. Ich bin daran mittlerweile gewöhnt."

Die Schauspieler haben gar keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, wie komisch es für Außenstehende doch aussehen mag. Sie wollen es auch nicht. Als das Angebot für die Rollen kam, haben sie alle sofort zugesagt. „Jeder Engländer ist doch mit Paddington groß geworden. Die Geschichten sind richtig in unsere DNA geschrieben“ sagt Bonneville. „Ich habe die Bücher als Kind regelrecht verschlungen. Das Drehbuch hat den Ton von Paddington perfekt getroffen.“ Dabei erzähle „Paddington“ aber auch eine zeitgenössische Geschichte, nämlich die eines Flüchtlings.
 
Produzent Heyman: „Als ich meiner Mutter erzählte, dass ich ,Paddington‘ verfilmen will, hat sie meinen alten Bären aus dem Keller geholt. Er war ein wenig staubig, aber in gutem Zustand. Ich habe ihn damals geliebt. Vielleicht kommt daher meine Faszination für Außenseitergeschichten. Erst „Harry Potter“, dann die Astronautin Ryan in „Gravity“, und jetzt eben Paddington.“

Heyman unterbricht sich selbst, wirft einen Blick zum Set und wird kurz panisch. „Warum drehen die gerade nicht? Ich bin der Produzent, das ist mein Geld, das die hier verbrennen. Worauf warten wir?“. Er meint es im Scherz und lacht. Bisher sei alles sehr gut gelaufen. Nach dem Ende der Dreharbeiten bleibt seinem Team noch ein Jahr für die Postproduktion und die aufwendige Animation. Kinostart für den berühmten Bären aus London ist November 2014. Und dann ist er auch endlich zwischen den Schauspielern sichtbar.