Viennale 2016

Das Programm: 14 Kinotage voller Höhepunkte und Entdeckungen

13.10.2016
von  Gunther Baumann
Das Herz der Viennale: Volles Haus im Foyer des Wiener Gartenbau-Kinos © Viennale / Tuma
200 Filme in 14 Tagen: Die 54. Viennale, die vom 20. Oktober bis zum 2. November stattfindet, bietet ein Klasse-Programm mit herausragenden Werken des internationalen Filmjahres und berühmten Klassikern. FilmClicks präsentiert die Höhepunkte des Wiener Filmfestivals, beginnend mit dem Eröffnungsfilm „Manchester By The Sea“.


Eröffnung.
Zum Start der Viennale 2016 gibt’s einen Geheimtipp aus den USA, den in Europa noch kaum jemand gesehen hat. Das Familiendrama „Manchester By The Sea“ von Kenneth Lonergan (der Regisseur reist als Ehrengast nach Wien) handelt von einem Mann (Casey Affleck), der nach dem Tod seines Bruders die Obhut über dessen 16-jährigen Sohn übernehmen muss. Durch die neue Konstellation kommen Familiengeheimnisse ans Tageslicht, die lange unter den Teppich gekehrt wurden.  „Manchester by the Sea“ (regulärer Kinostart im Januar 2017) gilt als potenzieller Oscar-Favorit. Die New York Times nannte Regisseur Lonergan den „möglicherweise besten Filmemacher, von dem die Leute noch nie gehört haben.“ 
 
Der Abschlussfilm: „La La Land“ mit Ryan Gosling und Emma Stone © Viennale

Finale.
Der Eröffnungsfilm des Festivals Venedig sorgt für den Schlussakkord der Viennale: „La La Land“ von Damien Chazelle. Auch dieser Film ist ein potenzieller Oscar-Favorit: Eine ungewöhnliche Mischung aus Jazz-Musical, Künstlerdrama und Romanze. Ryan Gosling als ambitionierter Jazz-Pianist und Emma Stone (beste Darstellerin in Venedig) als junge Schauspielerin, spielen zwei Künstler, die sich ineinander verlieben, stets aber auch ihre berufliche Laufbahn im Blick haben. „La La Land“ ist ein hinreißender Film über die Möglichkeit und die Unmöglichkeit der Liebe. Die Musik- und Tanzszenen  sind eine Hommage auf das Kino der 1950er Jahre in einem ansonsten sehr modernen Film.

Klasse-Thriller: Isabelle Huppert in „Elle“ von Paul Verhoeven © Viennale

Hauptprogramm.  Die Spielfilme und Dokumentationen im Hauptprogramm bieten wie immer eine feine Auswahl aus Festival-Höhepunkten und Neuentdeckungen.  Einige besonders interessante Spielfilme: Das Science-Fiction-Drama „Arrival“  (Regie: Denis Villeneuve; mit Amy Adams und Jeremy Renner); das Frauenstück  „Certain Women“ (Regie: Kelly Reichardt; mit Kristen Stewart und Laura Dern);  das Amoklauf-Drama „Dark Night“ (Regie: Tim Sutton); der rasante Thriller „Elle“ (Regie: Paul Verhoeven; mit Isabelle Huppert); der Cannes-Gold-Gewinner „I, Daniel Blake“ (Regie: Ken Loach); das iranische Drama „The Salesman“ (Regie: Aghar Farhadi) oder die Busfahrer-Elegie „Paterson“ von Jim Jarmusch (mit Adam Driver). Ein besonderer Liebling der FilmClicks-Redaktion ist „Miles Ahead“, die furiose Biografie über den Jazz-Giganten Miles Davis. Don Cheadle spielt den Trompeter und fungiert zugleich als Autor und Regisseur.

Doku-Highlight: „Weiner“ mit dem gescheiterten Politiker Anthony Weiner © Viennale

Bei den Dokumentationen ist zum Beispiel „American Anarchist“ zu sehen; Charlie Siskels Spurensuche nach William Powell, der vor 45 Jahren die Bombenbau-Anleitung „The Anarchist Cookbook“ schrieb. „Austerlitz“ von Sergej Loznitsa beobachtet das Verhalten von Touristen, die ehemalige Nazi-Konzentrationslager besuchen. „De Palma“ ist ein Porträt des großen Thriller-Regisseurs Brian DePalma (Regie: Noah Baumbach), „Weiner“ widmet sich dem US-Politiker Anthony Weiner, der als eines der größten Talente der Demokratischen Partei galt, seine Karriere jedoch durch seinen Exhibitionismus zerstörte (Regie: Josh Kriegman). Zwei interessante Dokus befassen sich mit Musik.  In „Gimme Danger“ von Jim Jarmusch um Iggy Pop, in „I Called Him Morgan“ von Kasper Colin um den legendären Jazztrompeter Lee Morgan, der 1972 von seiner eifersüchtigen Ehefrau erschossen wurde.      

Science Fiction aus Österreich: „Stille Reserven“ von Valentin Hitz © Viennale

Österreich.  Filme aus Österreich sind bei der Viennale gut vertreten. Im Spielfilm-Bereich gibt’s unter anderem „Kater“, das schwule Beziehungsdrama von Händl Klaus (mit Philipp Hochmair und Thomas Stipsits),  das Road Movie „Mister Universo“ von Tizza Covi und Rainer Frimmel und den Science-Fiction-Film „Stille Reserven“ von Valentin Hitz, der beim Festival Zürich einen Preis gewann. Ein Gag ist die Wiederbegegnung mit Niki Lists Kult-Komödie „Müllers Büro“ aus dem Jahr 1986. Wichtige Dokumentationen: „Sühnhaus“ von Maya McKechneay (Thema: Die Geschichte des Grundstücks, das 1881 durch den Wiener Ringtheaterbrand makabren Ruhm erhielt), „Auf Ediths Spuren“ von Peter Stefan Jungk (ein Porträt der Fotografin und KGB-Agentin Edith Tudor-Hart) und „Homo Sapiens“ von Nikolaus Geyrhalter (ein stilles Essay über Orte, die vom Menschen aufgegeben wurden.
 
Stars. Die berühmteste Viennale-Besucherin dieses Jahres ist keine Filmemacherin. Rockstar Patti Smith gibt am 1. November ein Konzert mit Lesung im Gartenbau-Kino und zeigt vom 21. Oktober bis 10. November  eigene Fotografien im Metro Kinokulturhaus. Aus der Filmszene kommen etliche renommierte Regisseure nach Wien. Kenneth Lonergan, der den Eröffnungsfilm „Manchester By The Sea“ inszenierte, führt diese Liste an. Auch Abel Ferrara und John Carpenter, Terence Davies und Julien Temple, Olivier Assayas und Jean-Luc Dardenne haben sich angesagt.

Große Werkschau: Christopher Walken wird mit einem Tribute geehrt © Viennale

Tributes. Drei Tributes sind großen Filmkünstlern aus unterschiedlichen Genres gewidmet. Kenneth Lonergan, der in Wien anwesende Regisseur des Eröffnungsfilms „Manchester By The Sea“, wird mit einer Filmreihe unter dem Titel „You Can Count On Him“ geehrt. Der Schauspieler Christopher Walken,  Zentralfigur des Tributes „Dancer In The Dark“, kommt zum Leidwesen der Veranstalter nicht zur Viennale – Walken gilt als notorisch reisescheu. Dafür laufen gleich zehn seiner Filme beim Festival: Von Michael Ciminos „The Deer Hunter“ bis zu Steven Spielbergs „Catch Me If You Can“. Das dritte Viennale-Tribute schließlich, „Time And Tide“, ist eine Hommage an den US-Experimentalfilmer Peter Hutton, der im Juni verstarb.
 
Special Programs. Fünf Sonderreihen leuchten sehr unterschiedliche Randbereiche des Filmschaffens aus. Unter dem Titel „Das rebellische Bild“ sind Wochenschauen aus dem revolutionären Kuba der Jahre 1960 bis 1970 zu sehen. „Robert Land“ zeigt Werke des geheimnisvollen Filmkünstlers gleichen Namens, der 1887 in Mähren zur Welt kam  und der vornehmlich in Deutschland arbeitete, bis er 1940 in Paris spurlos verschwand. „Das Kino gehört uns“ ist eine Verneigung vor dem heuer verstorbenen französischen Meisterregisseur Jacques Rivette, „Kinkdom Come“ zieht den Hut vor einer der größten Rockbands aller Zeiten, The Kinks (Gitarrist Dave Davies hat sein Kommen angesagt). Und „Analog Pleasure – Part 1“ zeigt ausgesuchte Filme in einem Format, in dem sie heutzutage kaum noch zu sehen sind. Nämlich als Film, auf Celluloid, und nicht als digitale Kopie.     
 
Retrospektive. Die alljährliche Retrospektive,  das gemeinsame Programm der Viennale mit dem Österreichischen Filmmuseum, trägt dieses Jahr den Titel „Ein zweites Leben - Thema und Variation im Film“. Was sich dahinter verbirgt? Filmthemen, die in späteren Filmen wiederholt oder variiert werden – zum Beispiel als Remake oder als Sequel.
 
MehrWert-Filmnacht. Der Viennale-Hauptsponsor Erste Bank lädt die Festival-Besucher in der Nacht der Umstellung von der Sommer- auf die Winterzeit zur MehrWert-Filmnacht ein. Im Gartenbau-Kino beginnt am 29. Oktober um 23 Uhr die Vorstellung der Musik-Doku „Daft Punk Unchained“ von Hervé Martin-Delpierre – ein Portrait des französischen Pop-Duos Daft Punk. Gratistickets gibt’s an den Viennale-Vorverkaufskassen.
 
Schauplätze, Tickets, Infos. Die Viennale bespielt wie immer die Wiener Innenstadt. Wichtigster Schauplatz ist das Gartenbau-Kino mit 750 Plätzen. Dazu kommen das Urania-Kino, das  Stadtkino im Künstlerhaus und das Metro-Kino mit seiner Zweit-Spielstätte, dem Eric-Pleskow-Saal, im neuen Kinokulturhaus. Als quasi assoziiertes Kino wird auch das Filmmuseum in der Albertina genutzt, wo die Viennale-Retrospektive „Ein zweites Leben“ gezeigt wird.
Für Diskussionen, Präsentationen und die allabendlichen Partys hat vom 20. Oktober bis 2. November das Viennale Festivalzentrum (Wien 1., Dominikanerbastei 11) geöffnet. Der Eintritt zu allen Veranstaltungen und Konzerten ist frei.
Der Ticketverkauf beginnt am 15. Oktober um 10 Uhr. Einzelkarten kosten 9,50 Euro. Bei Abnahme von mindestens zehn Karten zahlt man 9 Euro pro Ticket, ab 20 Karten sind es dann 8,30 Euro.
Karten im Vorverkauf gibt es im Metro Kinokulturhaus (15. 10. – 2. 11.), im Viennale-Kiosk am Schottentor (15. – 22. 10.) und im Gartenbau-Kino (15. – 19. 10.). Natürlich sind die Kassen aller Festival-Kinos bei allen Vorstellungen geöffnet.
Darüber hinaus kann man Tickets auch telefonisch über die Freeline 0800 664 016 des Viennale-Sponsors A1 bestellen (Bezahlung mit Kreditkarte). Schließlich gibt es noch die Möglichkeit, Tickets via www.viennale.at online zu erwerben.
 
Alle detaillierten Programm- und Termin-Informationen: www.viennale.at




Interview
„Die Viennale hat international ein starkes Standing“
Viennale-Chef Hans Hurch leitet das Wiener Filmfest 2016 zum zwanzigsten Mal. Im großen FilmClicks-Interview spricht er über das Programm und die Stars der Viennale sowie über die finanzielle Lage des Festivals. Mehr...