Steven Spielberg

„Ich lade den Zuschauern meine Dämonen auf“

22.11.2015
Steven Spielberg kam zur Europapremiere von „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ nach Berlin © 2015 20th CenturyFox
Steven Spielberg führte Regie. Tom Hanks spielt die Hauptrolle. Ethan & Joel Coen schrieben das Drehbuch: Viel mehr Hollywood-Prominenz auf einmal ist kaum denkbar als beim neuen Spielberg-Film „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ (Kinostart: 27. 11.). Der Spionage-Thriller, der eine wahre Geschichte aus der Zeit des Kalten Kriegs erzählt, wurde über weite Strecken am Original-Schauplatz Berlin gedreht. Da lag es nahe, auch die Europa-Premiere in Berlin zu feiern. Steven Spielberg, 69, nutzte ein Pressegespräch, um ausführlich über seine Filme  und seine Themen zu berichten – und über seine Ängste. FilmClicks-Redakteurin Anna Wollner war dabei. 
Steven Spielberg über…
 
…das Filmemachen als persönliche Angst-Therapie:
Ich glaube nicht, dass Film mir heute mehr oder weniger bedeutet als 1971, als ich (meinen ersten Spielfilm) „Duell“ drehte. Natürlich habe ich mich seitdem weiterentwickelt. Aber Film war für mich schon immer die beste Möglichkeit, mich von meinen eigenen Dämonen zu befreien. Und Ihnen als Zuschauer meine Dämonen aufzuladen. Wenn ich also Angst einflößende Filme drehe, dann deshalb, weil ich selbst vor etwas Angst habe. Ich mache einen Film daraus und andere Leute haben auf einmal Angst. Wenigstens muss ich mich dann nicht mehr um meine kümmern. Weiter im Text (lacht).
 
Tom Hanks und Steven Spielberg am Set von „Bridge of Spies“ © 2015 20th Century Fox

…die größte Herausforderung beim Projekt „Bridge of Spies – Der Unterhändler“:
Die größte Herausforderung war die Besetzung des Films. Ich musste für jede noch so kleine Rolle den perfekten Schauspieler finden. Die Drehbuchautoren Ethan und Joel Coen sowie Matt Charman schufen so viele tiefgründige Figuren, dass selbst Darsteller, die nur zwei Dialogsätze haben, eine unglaublich große Verantwortung tragen. Wir haben einen Ensemble-Cast. Wer wird sollte den Unterhändler James Donovan spielen? Meine erste Wahl war Tom Hanks. Wer sollte den sowjetischen Spion Rudolf Abel spielen? Mark Rylance (ein großer Theater-Star, Anm). Ich hatte gerade Shakespeares „Was ihr wollt“ mit Rylance  am Broadway gesehen und wollte nicht weitersuchen. Ich wollte Mark. Ich hatte echt Glück, denn ich habe alle meine ersten Wahlen bekommen.
 
…die unterschiedlichen Genres seiner Filme:
Meine Fantasy-Filme überschatten vielleicht meine ernsten Filme oder die historischen Dramen. Ich habe in den 1980er und 1990er Jahren einfach zu viel Fantasy gemacht. Viele Leute denken jetzt, dass ein Film wie „Bridge of Spies“ für mich ein Aufbruch sei. Aber wenn man ihn mit „Lincoln“, „Amistad“, „Der Soldat James Ryan“ oder „Schindlers Liste“ vergleicht, sieht man, dass ich schon oft Storys erzählte, die mir aus historischer Sicht etwas bedeutet haben. Ich bin ein Geschichts-Liebhaber. Das Gute am Erfolg in der Filmindustrie ist, das sie dich irgendwann einfach machen lassen. Und ich erzähle gerne Geschichten, für die sich die Leute unter anderen Umständen vielleicht gar nicht interessiert hätten.  Ich habe in den letzten zwanzig Jahren eine Menge Risiko auf mich genommen, um genau solche Geschichten auf die Leinwand zu bringen. Ein paar Projekte haben sich gelohnt, andere nicht. Aber ich werde weiter solche Filme machen, denn das zieht mich an.
 
…seine Wandelbarkeit:
Ich mache ganz unterschiedliche Filme über unterschiedliche Themen. Ich bewundere William Wyler, der Filme gemacht hat von „Mrs. Miniver“ über „Ben Hur“ bis hin zu „Die besten Jahre unseres Lebens“ und dem Musical „Funny Girl“. Noel Coward gab David Lean mal den Tipp: „Never pop out of the same hole twice“ -  hüpfe nie zwei Mal aus dem gleichen Loch. Diese Regel habe ich öfter gebrochen. Mit „Jurassic Park“ oder mit „Indiana Jones“, zum Beispiel. Ja, ab und zu hüpfe ich zweimal aus dem gleichen Loch. Aber der Rest meiner Filme ist anders – darauf bin ich stolz.
 
…seine Zukunftspläne:
Es gibt noch so viel zu tun. Wenn ich jetzt zurückblicken würde, wäre ich ein unerträglicher Egomane. Ich muss einfach weiter nach vorne schauen und Geschichten erkunden. Es ist schwer, gute und erzählenswerte Geschichten zu finden. Ich bin also immer auf der Suche und höre zu.  Zuhören ist das Wichtigste. Ich gucke normalerweise nicht zurück auf meine Filme.  Immer, wenn ich das tat, wurde ich enttäuscht - und wollte zurück in den Schneideraum. Aber es war 20 Jahre zu spät und ich konnte eh nichts mehr ändern. Ich tendiere daher dazu, mich auf die Gegenwart zu konzentrieren.
 
…die aktuelle Situation in Europa:
Die Welt wäre ein besserer Ort, wenn wir auf die Krisen mit mehr Empathie reagieren würden. Seid aufmerksam, habt Mitgefühl und folgt eurem Herzen.