Filmfest Venedig

Christoph Waltz als Glatzkopf und die Gefahren der virtuellen Welt

02.09.2013
von  Gunther Baumann
Schöne neue Welt: Christoph Waltz (li.) unterzieht sich in "The Zero Theorem" einer Untersuchung © Filmfest Venedig
Der Abend stand ganz im Zeichen von Christoph Waltz – allerdings nur  auf der Leinwand. Der Wiener sowie seine Co-Stars Matt Damon und Tilda Swinton fehlten, als am 2. September „The Zero Theorem“ in Venedig Premiere hatte. Der neue Film von Terry Gilliam ist ein surrealer knallbunter Farbtupfer im Wettbewerb um den Goldenen Löwen. Monty-Python-Mitbegründer Gilliam lässt sich in einer wilden, oft pessimistischen, aber auch humorvollen Kino-Collage darüber aus, welche Folgen die allgegenwärtige Vernetzung im virtuellen Raum auf die Menschen hat.
Schwarzer Loch. Im ersten Bild des Films sieht man Christoph Waltz – kahlköpfig und unbekleidet – wie er auf einen Computer-Bildschirm starrt. Dort scheint ein schwarzes Loch eine Galaxie zu verschlingen. Im letzten Bild sieht man Waltz – erneut kahlköpfig und unbekleidet – wie er auf einer tropischen Insel mit der Abendsonne Ball spielt. Dazwischen liegen 90 Minuten voller surrealer, apokalyptischer und auch sinnlicher Szenen: Waltz, der Oscar-Gewinner aus Wien, steht im Zentrum von Terry Gillams neuem Kino-Kunstwerk „The Zero Theorem“.
 
Waltz spielt einen  Computer-Spezialisten namens Qohen Leth, den von seinem Brötchengeber, dem allgegenwärtigen ManCom-Konzern (Werbeslogan: „Alles ist unter Kontrolle“) einen Spezialauftrag bekommt. Er soll das sogenannte Zero Theorem auf seine Richtigkeit überprüfen: Eine Art Welt-Formel, aus der sich ableiten lässt, ob das Leben einen  Sinn hat – oder auch nicht.
 
Der scheue, ängstliche Qohen ist ein typisches Produkt des Internet-Zeitalters. Er verkriecht sich in seinem Haus, einer ausrangierten Kirche, vor Begegnungen mit realen Menschen und knüpft seine Kontakte, wenn überhaupt, virtuell. Als er auf einer Party eine entzückende Frau namens Bainsley (Mélanie Thierry) kennenlernt, setzt er all seine Energie ein, um aus der Begegnung nur ja keine Beziehung werden zu lassen. Er trifft die Schöne dann allerdings bald auf einer Sex-Seite im Internet wieder, wo sie sehr wohl sein Interesse weckt…
 
Christoph Waltz spielt bei Terry Gilliam nicht nur ohne Haare, sondern auch ohne die Aura gefährlicher Aggression, die für viele seiner Rollen so typisch ist. Er legt den Computerfreak Qohen als schwer verhaltensgestörten Nerd an, der sich nur an seinem Rechner im verriegelten Eigenheim wohlfühlt. Der Film eilt einem vielfältig interpretierbaren Finale mit Zerstörung und Happy End entgegen, zu dem Regisseur Terry Gilliam keinen Kommentar abgeben mag: „Ich will, dass die Zuschauer über die Story diskutieren, wenn sie aus dem Kino hinausgehen.“
 
Gilliam ließ beim Pressegespräch in Venedig aber keinen Zweifel daran, dass ihm die Vervirtualisierung der Gesellschaft unheimlich ist. „Einerseits bekommen wir direkten Zugang zum Wissen der Welt. Andererseits spielt sich immer mehr Kommunikation am Computer ab, wo viele Zeitgenossen obendrein Pseudonyme verwenden. Auf mich wirkt das wie ein Damoklesschwert, mit einer guten und einer schlechten Seite. Diese neue Welt ist aufregend und gefährlich zugleich.“