Festival Cannes 2019

Ein Höhepunkt des Filmjahres: „A Hidden Life“

19.05.2019
von  Gunther Baumann, Peter Beddies
Gefeiert in Cannes: Valerie Pachner und August Diehl („A Hidden Life“) © Katharina Sartena
Das Festival Cannes hat seinen ersten ganz großen Höhepunkt. Terrence Malick brachte mit „A Hidden Life“ einen der wohl besten Filme des Jahres 2019 heraus. Das Drama rankt sich um die wahre Geschichte des österreichischen Nazi-Gegners Franz Jägerstätter. Und US-Filmemacher Malick, der sonst mit Stars wie Brad Pitt oder Jessica Chastain  arbeitet, holte für sein neues Werk ein deutsch-österreichisches Ensemble um August Diehl und Valerie Pachner vor die Kamera. Die beiden – großartigen – Darsteller waren auch die einzigen Mitglieder des Ensembles, die den Film bei der Premiere repräsentierten. Denn der menschenscheue Terrence Malick (75)  ließ sich, wie von ihm gewohnt, nicht blicken.
Valerie Pachner und August Diehl als Franziska und Franz Jägerstätter © Iris Productions

A Hidden Life

Genre: Drama
Regie: Terrence Malick (USA)
Stars: August Diehl, Valerie Pachner, Tobias Moretti, Karl Markovics, Johannes Krisch, Franz Rogowski, Michael Nykvist, Bruno Ganz
Cannes-Premiere: Im Wettbewerb um die Goldene Palme

US-Regielegende Terrence Malick hat mit „A Hidden Life“ ein Meisterwerk geschaffen. Er erzählt die Geschichte des oberösterreichischen Bauern Franz Jägerstätter, der 1943 von den Nazis hingerichtet wurde, weil er den Wehrdienst mit der Waffe verweigerte.
„A Hidden Life“ beginnt mit Dokumentaraufnahmen vom Aufstieg der Hitler-Diktatur. Dann ein Schnitt nach St. Radegund, Oberösterreich. Dort begegnet der Bauer Franz Jägerstätter (August Diehl) seiner Franziska (Valerie Pachner). Eine Liebe, wie vom Himmel gemacht. Doch bald werden die beiden den Himmel anrufen müssen. Der tiefgläubige Franz will nicht für die Nazis in den Krieg ziehen. Die machen ihm den Prozess. Das Urteil: Todesstrafe wegen Wehrkraftzersetzung.
Terrence Malick bringt diese wahre Geschichte, die in Österreich erstmals 1971 von Axel Corti verfilmt wurde, auf seine ganz typische Weise auf die Leinwand: Als Mischung aus Kino-Essay und Spielfilm der besonderen Art.
 Das essayistische Moment entsteht großteils durch Bilder. Malick hat St. Radegund vom Flachland ins Hochgebirge verlegt, und diese künstlerische Freiheit gewährt man ihm gern. Denn so kann Kameramann Jörg Widmer grandiose Panoramen einfangen, voller felsgezackter Gipfel und Schluchten. Aber die Kamera bleibt auch nah am Boden. Man schwelgt in der üppigen Schönheit von Wiesen und Feldern. Überall sind Tiere unterwegs. Und auch die Bauern sind unentwegt in der Botanik zugange. Der Film suggeriert: Wären Menschen und Natur so eng miteinander verbunden, wie es ihrem Wesen entspricht, dann könnte es dem Planeten und seinen Bewohnern besser gehen.
Der Spielfilm der besonderen Art wird in der Erzählweise Malicks deutlich. Der Regisseur arbeitet nur sparsam mit Dialogen. Oft hört man die Darsteller (gedreht wurde großteils auf Englisch) aus dem Off.
August Diehl und Valerie Pachner müssen als Franz und Franziska also stark auf ihre Mimik setzen – und das machen sie sensationell. Schon der erste Blick, wenn sie einander erstmals begegnen, lässt Steine schmelzen. Später changieren sie in allen Variationen von Freude und Seligkeit, von Mut und Entschlossenheit, von Angst und Verzweiflung. Der Berliner Diehl und die Welserin Pachner gehören hierzulande ja längst zu den Spitzenkräften ihres Fachs. Es wäre kein Wunder, würde ihnen „A Hidden Life“ den Weg zu einer internationalen Karriere öffnen.
 Auch rund um die beiden Hauptdarsteller wird hervorragend gespielt. Wehmütig stimmt die Wiederbegegnung mit den beiden mittlerweile verstorbenen Granden Michael Nykvist und Bruno Ganz, auch wenn sie hier düstere Figuren verkörpern: Nykvist einen Bischof, der Franz Jägerstätter den Eintritt in die Wehrmacht empfiehlt, und Ganz den Nazi-Richter, der später das Todesurteil verkündet.
 
Der Nazi-Gegner und sein Richter: August Diehl und Bruno Granz © Iris Productions

Zwei Topstars aus Österreich haben wichtige Episodenrollen. Karl Markovics porträtiert mit ländlich-polterndem und gefährlichem Charme den Dorfbürgermeister, der mit der Diktatur sympathisiert. Moretti spielt einen Priester, der vergeblich alles daran setzt, Franz Jägerstätter und seiner Frau zu helfen.
Sie alle stellen sich in den Dienst der Sache von Terrence Malick und seiner Geschichte eines unbeugsamen Helden im Widerstand gegen die Nazis. Eines Mannes, der sich lieber umbringen lässt, als dazu gezwungen zu werden, auf andere Menschen zu schießen. Man schaut diesem zutiefst humanistischen Filmkunstwerk gebannt drei Stunden lang (die im Fluge vergehen) zu. Und man verlässt das Kino anschließend so tief bewegt wie nur selten bei einem Film.   bau
Kinostart: Herbst 2019
Publikums-Chancen: Im Arthaus-Bereich sehr hoch
Gesamteindruck: Ganz großes Kino – ein grandioses Drama über die Liebe, die Natur und den Widerstand gegen die Düsternis der Diktatur