Berlinale 2015

Österreich und Gott und Gold

10.02.2015
von  Gunther Baumann
„Superwelt“-Premiere: Karl Markovics mit Hauptdarstellerin Ulrike Beimpold und dem Ensemble © Coldrey / Epofilm
Berlinale 2015: Riesiger Applaus für einen Film aus Österreich – und für einen Film über Österreich. Regisseur Karl Markovics schickt Ulrike Beimpold in  „Superwelt“ auf einen spirituellen Trip dorthin, wo Gott wohnt. Oscar-Preisträgerin Helen Mirren spielt in „Woman in Gold“ die Exil-Wienerin Maria Altmann, die 2006  in einem Fall siegte,  der weltweit Schlagzeilen machte. Sie erhielt ein von den Nazis geraubtes Klimt-Meisterwerk zurück: Das „Bildnis Adele Bloch-Bauer I“, die Frau in Gold. 


„Superwelt“

Genre: Drama. Regie: Karl Markovics. Star-Faktor: Passabel (Ulrike Beimpold, Rainer Wöss, Sybille Kos). Berlinale-Premiere: In der Sektion Forum.
Kompliment, Karl Markovics: Dem Wiener Schauspiel-Star gelingt auch in seinem zweiten Antreten als Autor und Regisseur (nach „Atmen“) ein mitreißender und sehr persönlicher Film, der thematisch die gewohnten Pfade verlässt. In „Superwelt“ geht es um nichts Geringeres als um die Begegnung einer Frau mit Gott.
Gott als Filmfigur? „Superwelt“ ist zunächst einmal ein sehr mutiges Projekt. Bei so einem Stoff  ist es ein schmaler Grat vom Drama zum Erbauungs-Traktat oder zum Kitsch. Doch Karl Markovics gerät nie auch nur in die Nähe dieser Gefahrenzonen.
Die Erleuchtung widerfährt bei ihm einer einfachen, realistischen Frau vom Lande, die mit Religion im Grunde nichts am Hut hat. Wenn diese Gabi Kovanda auf der Leinwand ihre ersten Begegnungen mit dem höheren Wesen hat, erzeugt das auf der Leinwand die Atmosphäre eines sanften Gruselfilms. Man bekommt Gott im Film nie zu sehen. Aber man spürt das, was Gabi für Gott hält (und das hat nichts mit religiösen Lehren zu tun).  

Großartiges Spiel: Ulrike Beimpold in „Superwelt“ © Thim Film Domenigg

Ulrike Beimpold, deren Karriere schon als Teenager am Wiener Burgtheater begann, spielt diese Gabi Kovanda. Eine Supermarkt-Kassierin, die sich in der Ereignislosigkeit ihrer Existenz eingerichtet hat. Es gibt den Job, es gibt ein bisschen Hobby im Fitness-Studio, und es gibt die Familie. Die ist vom Miteinander längst in den Nebeneinander-Modus mutiert. Gabi und ihr Mann (Rainer Wöss) nehmen einander kaum wahr. Zu sagen haben sie sich nichts mehr.
Die Szenen aus dieser verstummten heilen Spießerwelt haben etwas von einem realen Horrorfilm. Dann folgt das surreale Element, Gabis Aufeinandertreffen mit Gott. Im Kino bemerkt man das zunächst am veränderten Gesichtsausdruck der Frau, an einem neugierigen und zutiefst verwunderten Blick. Später gibt es kleine Ereignisse, die Gabi als Gottesbotschaft deutet, und es verändert sich ihr Verhalten.
Wir werden nun den Teufel tun, hier zu verraten, was in „Superwelt“ alles abgeht. Nur so viel: Karl Markovics gelingt es als Autor wie als Regisseur, dem schwierigen Thema eine schmuckvolle, in sich logische Fassung zu geben. Und Ulrike Beimpold trägt mit wuchtigem, furiosem  Spiel dazu bei, dass einem ihre Gabi Kovanda so richtig ans Herz wächst. Eine großartige Leistung.
Fazit: Überzeugte Atheisten werden mit einem Film wie „Superwelt“ möglicherweise wenig anfangen können. Doch wer Neugier und einen Hauch spirituelle Offenheit mitbringt, auf den wartet ein Kino-Erlebnis der besonderen Art.  Ab 20. März in Österreichs Kinos.
Kino-Chancen: Hoch. Gesamteindruck: Karl Markovics bestätigt seinen Status als eigenwilliger, treffsicherer Filmemacher.
 


„Woman in Gold“
Genre: Doku-Drama. Regie: Simon Curtis (Großbritannien).  Star-Faktor: Hoch (Helen Mirren, Ryan Reynolds, Daniel Brühl, Katie Holmes). Berlinale-Premiere: Berlinale Special Gala außer Konkurrenz.
„Woman in Gold“ ist der erste Film seit Jahren, der einen Fall aus Österreich mit den Mitteln des großen Hollywood-Kinos auf die Leinwand bringt. US-Filmmogul Harvey Weinstein zog im Hintergrund die Fäden. Oscar-Preisträgerin Helen Mirren („Die Queen“) spielt die von den Nazis ins Exil gezwungene Wienerin Maria Altmann, die 2006 den spektakulärsten Fall von Kunst-Restitution gewann.

Gewonnen! Ryan Reynolds, Helen Mirren und Daniel Brühl in „Woman in Gold“ © Berlinale

Mit Hilfe des Anwalts Randol Schoenberg (Ryan Reynolds), einem Enkel des Wiener Komponisten Arnold Schönberg, kämpfte sie - gegen den heftigen Widerstand der Republik Österreich - um die Rückgabe eines weltberühmten Erbstücks: Es ging um das Porträt ihrer Tante Adele Bloch-Bauer, das 1907 von Gustav Klimt gemalt worden war.
Als die Nazis an die Macht kamen, gelang es Maria Altmann 1938, zu fliehen. Andere Familienmitglieder schafften es nicht mehr, sich den Häschern der Hitler-Diktatur zu entziehen. Das „Adele“-Porträt wurde (gemeinsam mit vier anderen Klimt-Gemälden der Bloch-Bauers) von den Nazis einkassiert Später hing es jahrzehntelang im Wiener Belvedere.
„Woman in Gold“ ist ein spannungsgeladenes Doku-Drama, das die 100 Jahre von der Entstehung des Bilds (Moritz Bleibtreu hat einen Kurzauftritt als vollbärtiger Gustav Klimt) bis zur Rückgabe an Maria Altmann umfasst.
Der Film, für den ausgiebig in Wien gedreht wurde,  fesselt in vielerlei Hinsicht: Als Zeitgemälde, das Wien in seinen glanzvollsten und seinen furchtbarsten Ausprägungen zeigt. Als Justiz-Thriller, der seine Protagonisten auf dem steinigen Weg zur Gerechtigkeit begleitet. Und als Kino-Erlebnis, prall gefüllt mit feinster Schauspielkunst.
Helen Mirren ist einfach göttlich als resolute und launische alte Dame Maria Altmann, die aus der neuen Heimat Los Angeles nie wieder nach Wien zurückkehren will und die doch in ihrem Englisch einen unverkennbaren Wiener Zungenschlag hat. Ryan Reynolds  porträtiert den Komponisten-Enkel Randol Schoenberg als engagierten Juristen,  der seine Karriere aufs Spiel setzt, um den Restitutions-Fall durchzukämpfen.  Daniel Brühl setzt mit stiller Unnachgiebigkeit dem mittlerweile verstorbenen „profil“-Journalisten Hubertus Czernin ein Denkmal, dessen Beiträge sehr wichtig waren, um die Stimmung in Österreich zu drehen.
Auch das mehr als unwillig agierende offizielle Österreich – von Ministerin Elisabeth Gehrer bis zum Kultur-Sektionschef Rudolf  Wran -  kommt mit Klarnamen in der Geschichte vor.
Unterm Strich ergibt das ein glorioses Kino-Drama über Kunst und Diktatur, über Recht und staatliche Willkür. „Woman in Gold“ ist eine gelungene Hollywood-Produktion, die jedes Publikum zu fesseln vermag. Für Österreicher besitzt der Film (er hat noch keinen Start-Termin) natürlich noch zusätzliche Reize – und er lädt ein zur Reflexion über das eigene Land.
Kino-Chancen: Hoch. Gesamteindruck: Spannendes und sehr realistisches Drama über den wichtigsten Raubkunst-Fall,  der in den letzten Jahren in Österreich verhandelt wurde.




Interview
„Frau trifft Gott, Frau verliert Gott, Frau findet Gott wieder“
„Frau trifft Gott, Frau verliert Gott, Frau findet Gott wieder“: So lapidar beschreibt Karl Markovics den Plot von „Superwelt“, seinem zweiten Film als Regisseur, den er im Osten Österreichs drehte. Im FilmClicks-Interview verrät er auch ein Geheimnis über sein einstiges Wirken als Ministrant. Mehr...