Monika Willi über die Fertigstellung von Glawoggers „Untitled“


„Es war mir wichtig, dass das Publikum um den tragischen Ausgang dieser Reise weiß“

03.04.2017
Interview:  Matthias Greuling

Monika Willi: Regie-Debüt durch die Vollendung von Michael Glawoggers „Untitled“ © Katharina Sartena

Die Schnittmeisterin Monika Willi, die durch ihre Arbeiten für Michael Haneke, Barbara Albert, Michael Glawogger und zuletzt auch für Josef Hader („Wilde Maus“) höchstes Ansehen genießt, wurde bei „Untitled“ nolens volens zur Regisseurin. Michael Glawogger hatte ihr während der viereinhalb Monate seiner Weltreise für das Projekt immer wieder Bildmaterial geschickt, das nach dem tragischen Malaria-Tod des Filmemachers im April 2014 auf seine Verwendung wartete. Monika Willi hat aus Glawoggers Bildern und Texten sowie aus der Musik von Wolfgang Mitterer nun den Film „Untitled“ gemacht. 


FilmClicks: Monika Willi, war von Beginn an klar, dass Sie Michael Glawoggers Film „Untitled“ schneiden würden?
Monika Willi: Ja. Wir kannten einander seit 1998, haben immer wieder zusammengearbeitet. Zunächst war sein Tod ein großer Schock für mich und für alle, er brachte eine große Stille mit sich. Aber langsam befasste ich mich wieder mit dem Material, das ich ja schon kannte, denn ich begann schon während der Dreharbeiten mit dem Schnitt. Schließlich habe ich mich dafür entschieden, den Film zu schneiden, und das war auch der Wunsch der Produktionsfirma.
 
Der Film wirkt sehr organisch, kompakt, aus einem Guss und reif. Es entstehen auch keine Leerstellen. Gab es von der Seite Glawoggers bereits Direktiven, wie die Montage aussehen sollte?
Nein, nicht wirklich, es war nur klar, dass die Reise an sich kein Thema sein sollte, auch nicht die Chronologie, und dass der Film inhaltlich getrieben sein sollte. Ich habe Glawogger einmal gefragt, ob wir im Verlauf des Films möglicherweise wieder an besuchte Orte zurückkommen sollten, da meinte er, maximal einmal, denn er war kein besonders großer Fan davon. Ich habe nun im Film drei Orte, an die ich zurückkehre, weil mir das dramaturgisch richtig erschien.
 
„Untitled“: Ein packendes Filmessay über die Menschen und das Reisen © Filmladen

Es ist Ihnen jedenfalls ein echter Glawogger-Film gelungen.
Danke. Es war mir wichtig, dass der Zuschauer von Beginn an um den tragischen Ausgang dieser Reise weiß. Und dass es hier keinen Plot zu erwarten gibt, keine Dramatik im Sinne eines Films, sondern dass man es so betrachtet, dass alles, was hier gemacht wurde, komplett im Nachhinein entstanden ist. Nach dem Schnitt war es für die Produktion klar, „Untitled“ als einen Film von Michael Glawogger und Monika Willi zu benennen, auch in dieser Reihenfolge. Das passiert aus Schutz für Michaels Filmografie, denn den Film hätte man auch komplett in den Sand setzen können, und dann wäre es gut, wenn klargestellt ist, dass es nicht Michaels Schuld war.
 
Wie viel können Sie als Editorin tatsächlich einem Film hinzugeben? Das ist ja gerade im Fall von „Untitled“ eine spannende Frage.
Es kommt darauf an. Zum einen wird im Schneideraum der Film gestaltet. Bei den meisten fiktionalen Filmen gibt es im Schneideraum alle Möglichkeiten, weil der Regisseur alle möglichen Perspektiven gedreht hat. Jemand wie Michael Haneke tut das nicht, denn er hat nur genau das gedreht, was er sich vorstellt. Nicht mehr und nicht weniger. Dann gibt es viele Filme, die ihre dramaturgische Arbeit in den Schneideraum verlegen. Beim Dokumentarfilm ist es sowieso der Fall, dass der Schnitt sehr viel mit der dramaturgischen Arbeit zu tun hat.
 
Ist Filmschnitt also eine intuitive Arbeit?
Ich bespreche nicht lange, was ich vorhabe, auch nicht mit mir selbst, sondern ich beginne einfach mit der Umsetzung. Insofern ist das intuitiv. Es gibt solche und solche Editoren, genau wie bei Autoren: Manche Schriftsteller entwerfen ihre Romane sehr genau, andere sagen, ihre Figuren hätten sie durch den Schreibprozess geführt und gliedern gar nicht. Es gibt Kollegen, die das Schneiden mit dem Schreiben vergleichen, aber ich weiß zumindest nach „Untitled“, dass das nicht ganz richtig ist. Denn wir sitzen nicht vor einem weißen Blatt Papier, wenn wir die Arbeit beginnen, sondern wir bekommen schon ganze Sätze und halbe Kapitel vorgelegt.
 
Gerade stellen Sie den neuen Film von Michael Haneke, „Happy End“, fertig, dessen Premiere für Cannes erwartet wird. Was ist das für ein Gefühl, so einen Informationsvorsprung zu haben?
Der Schneideraum ist ein sehr schutzbedürftiger Ort und er braucht auch dieses Vertrauen. Es ist der Ort, wo die Regie kommt, auch mit allem Schmerz über das Nicht-Geglückte. Das muss man alles zulassen und darf kein Held sein. Oft sind die, die nach außen sehr stark wirken, ganz schwach, wenn sie damit konfrontiert werden, was Sache ist. Insofern ist es Teil des Berufs, damit sehr, sehr sorgsam umzugehen.
 
Sprechen wir noch über die „Frauenquote“ beim Film. Was denken Sie darüber?
Bei allem Verständnis dafür, dass man pauschal sagt, bei künstlerischer Arbeit kann es keine Quote geben: Die Quote ist ermutigend. Ich habe sehr viel darüber nachgedacht, wie man Kinder und diesen Beruf miteinander vereinbaren kann, und es geht, wenn man den nötigen Rückhalt beim Partner und bei den Regisseuren hat, mit denen man arbeitet. Auch, dass ich den Schritt getan habe, im konkreten Fall „Untitled“ zu schneiden, ist aus so einem Prozess entstanden. Denn zunächst muss man es sich auch gestatten, das überhaupt in Betracht zu ziehen. Der Druck ist: Ist ein Engagement trotz Mutterschaft erlaubt oder nicht? Die Quote zielt genau darauf hin, dass man es sich eben erlaubt, zu arbeiten. Sie schafft ein Bewusstsein auch bei jenen, die bisher nicht den Mut hatten, zu sagen: Ich habe hier einen Platz und möchte ihn ausfüllen.



Kritik
Untitled
„Untitled“ ist eine aufregende Film-Reise mit tragischem Hintergrund: Regisseur Michael Glawogger verstarb während des Drehs in Afrika. Seine Cutterin Monika Willi hat aus dem nachgelassenen Bildmaterial nun eine faszinierende Collage montiert. Mehr...