Oliver Masucci über die Verfilmung von „Er ist wieder da“


„Hitler will ich nicht treffen”

07.10.2015
Interview:  Peter Beddies

„Er ist wieder da“: Adolf Hitler (Oliver Masucci) erwacht in der Gegenwart © Constantin

Adolf Hitler im Kino - das gab es schon Dutzende Male. Jetzt leistet Oliver Masucci in der Diktatoren-Rolle sensationell gute Arbeit. Er spielt jenen Herrn Hitler, der in der Verfilmung von „Er ist wieder da“ im Berlin von heute auftaucht. Der gebürtige Stuttgarter Masucci ist seit Jahren ein Star des Wiener Burgtheaters. Im Film kennt man ihn weniger. Und genau darauf kam es der Produktion an. Denn in einem tollen Kniff gab Regisseur David Wnendt der Story von „Er ist wieder da“ einen neuen Dreh. Adolf Hitler reist im Film durch Deutschland und spricht in dokumentarischen Passagen mit den Menschen. Ein Schauspieler-Gesicht, das allen vertraut ist, hätte da die Irritation, Hitler zu begegnen, zerstört. FilmClicks traf den Wahlwiener Masucci bei der Weltpremiere des Films in Berlin. 


FilmClicks: Viele Fans von „Er ist wieder da“ rechneten damit, dass Christoph Maria Herbst, der Sprecher der Hörbuch-Version, Hitler spielen würde. Aber die Produktion suchte nach einem Schauspieler, den wenige kennen.
Oliver Masucci: Sie meinen, ich als unbekannter Schauspieler (lacht)? Das hört man nicht so gern. Fürs breite Publikum habe ich ein paar Filme gedreht. Aber nicht so viele, dass ich ständig präsent gewesen wäre. Im Theater bin ich sehr bekannt. Weniger im Mainstream-Bereich. Aber genau das haben wir ja gebraucht, um mit den Menschen auf der Straße reden zu können. Christoph Maria Herbst hätten die Menschen vielleicht erkannt und ihn dann als Stromberg angesprochen. Tobias Moretti wäre auch zu bekannt gewesen. Aber bei mir konnte man keine Person zuordnen und so hatten die Menschen eher das Gefühl, wirklich Adolf Hitler gegenüber zu stehen. Niemand wusste, wer hinter diesem Hitler steckt. Und das war genau das, was wir wollten.
 
Viele Schauspieler, die Adolf Hitler gespielt haben, erklärten hinterher, wie schwer es war, aus der Rolle herauszukommen. Wie schwer war es denn, in die Rolle hineinzukommen?
Na ja, ich habe die Gabe, dass ich Stimmen schnell nachmachen kann. Das hat es mir erleichtert. Dann habe ich mich für drei Wochen in einem Hotel in Berlin einquartiert und habe jeden Tag Nazifilme geschaut. Und dann war es hilfreich, dass es einige wenige Audiodateien gibt, die einen etwas anderen Hitler zeigen, einen leiseren Hitler. Den wollte ich eher spielen als diesen Brüllaugust, den jeder von uns zu kennen scheint.
 
Und das Loslassen?
Hat schon eine ganze Weile gedauert. Sie dürfen nicht vergessen, dass wir neun Monate gedreht haben. Da habe ich jeden Tag diesen Typen gespielt und auch noch einen USB-Stick mit seiner Stimme permanent dabei. Immerzu wieder reingehört, dass auch alles stimmte mit der Aussprache. Ihn danach wieder loszuwerden, das hat schon seine Zeit gebraucht.
 
Sie waren als Adolf Hitler in Deutschland unterwegs. Und es hat den Anschein, als würden besonders die Menschen im Osten des Landes auf diesen Verführer reagieren. Stimmt das?
Nein, ich habe das im Osten nicht anders erlebt als im Westen. Ich kann nicht sagen, dass der Osten der rechtslastigste Teil Deutschlands ist. Vielleicht ist es der Teil des Landes, in dem man es am leichtesten sagt. Wenn ich mich mit 40 Neonazis irgendwo im Brandenburgischen über Stunden beim Bier unterhalte, dann bekommt man genau das zu hören, was man erwartet. Aber ich finde es viel erschreckender, wenn man auf Sylt Menschen sagen hört, dass man wieder Arbeitslager braucht. Oder dass das Land zu weich ist und dass wieder mehr Härte vonnöten wäre. Es ist doch krass, dass jemand so etwas sagt.

„Es ist krass, was manche Leute sagen“: Oliver Masucci als Hitler auf Tour © Constantin

An Stammtischen wird bestimmt häufiger so gesprochen.
Richtig, nach zehn Bier unter Kollegen. Wenn man politisiert und die Welt neu erfinden möchte. Das kennt man. Aber diese Leute im Film, die sagen es in vollem Bewusstsein, dass eine Kamera sie dabei aufnimmt. Und dass Adolf Hitler daneben steht. Da sieht man dann, dass eine bürgerliche Mitte nach rechts wandert in unserer Zeit. Und da kann man sich fragen, warum das so ist. Das ist überall so und das geht auch durch alle Gesellschaftsschichten.
 
Was die Menschen vor der Kamera in „Er ist wieder da“ sagen, das ist schon erschreckend. Wie war es, als die Kameras aus waren?
Noch viel schlimmer. Da äußern sich dann - jenseits dieses Films - Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, die in gut dotierten Stellen unterwegs sind, mit genau den Thesen, die man im Film hört. Selbst in Künstlerkreisen hört man dieser Tage, dass Demokratie nichts und Diktatur besser sei. Dass man das aber nicht laut sagen dürfe. Diese Meinung gibt es schon überall.
 
Wie wäre es gewesen, wenn Sie auch in Wien gedreht hätten? Hätten Sie ähnliche Antworten bekommen?
Ganz sicher. Also vor Wien würde mir grauen. Ich meine, der Strache kandidiert da jetzt, um Bürgermeister zu werden. Mit dem Spruch „Sicherheit für alle statt offene Grenzen für Kriminelle“. Was ja der Ansage entspricht, dass alle, die da kommen, kriminell sind. Das ist schon krass. In Wien ist es so, die schimpfen ja immer so auf ihre Radfahrer. Das ist die aggressivste Stadt, was das Autofahren angeht, die ich kenne. Ich könnte mir vorstellen, wenn man bekannt geben würde, dass ab morgen straffrei alle Radfahrer umgefahren werden dürften, dann würden die alle umfahren.
 
Erschreckend, oder?
Ja, das ist erschreckend. Ich hatte mir ja schon länger mal überlegt, mit einer Helmkamera Fahrrad zu fahren und all die Beleidigungen aufzunehmen, die einem die Autofahrer jeden Tag so an den Kopf werfen. Du wirst in Wien beschimpft, nur weil Du Fahrradfahrer bist.
 
Auf der anderen Seite sind Sie in Wien in einem der europäischen Kulturtempel schlechthin tätig – am Burgtheater.
Ja, dort ist es sehr schön. Und die Stadt ist sehr museal (lacht). Nein, die Stadt ist schon sehr lebenswert. Das sieht auch sehr schön aus. Und zudem ist es ein großartiges Theater, das da steht. Und die Leute gehen gern dorthin.

Beim Dreh gab's auch heikle Momente: Masucci/Hitler vor der NPD-Zentrale © Constantin

Hatten Sie bei Ihrer Deutschlandreise als Adolf Hitler jemals Angst?
Am meisten Angst hatte ich auf der Fanmeile zur Fussball-WM 2014 in Berlin. Persönlich versuche ich schon, mich vor solchen Menschenansammlungen zu drücken. Und nun in der Hitler-Figur in diese Menschenmassen zu gehen, davor hatte ich Angst. Auch nicht angstbefreit war ich vor einer NPD-Demo. Da wollte ich mit Hitlers Erben reden, was die in den letzten 70 Jahren so getan haben. Warum die nur 0,7 Prozent der Wähler in Deutschland erreichen. Aber die Polizei hat mich nicht gelassen. Wenigstens durfte ich vom Balkon winken. Vor allem aber hatte ich schauspielerisch Angst, dass es Momente geben könnte, in denen mir nichts mehr einfällt. Denn die meisten Begegnungen waren spontan. Und da wäre es nicht gut gewesen, wenn plötzlich ein stummer Hitler dagestanden hätte.

Was würden Sie mit Hitler besprechen, wenn Sie ihn treffen könnten? Sie haben mit ihm als Charakter viel Zeit verbracht.
Ich habe keinen Bock, den zu treffen. Ganz ehrlich. Und ich weiß nicht, was ich tun würde. Genau so wenig, wie ich sagen kann, was ich getan hätte, wenn ich damals gelebt hätte.



Kritik
Er ist wieder da
„Er ist wieder da“:  Die Verfilmung der Bestseller-Satire über die Wiederkehr von Adolf Hitler ins heutige Berlin ist eine Komödie, bei der einem immer wieder das Lachen im Hals steckenbleibt. Weil man merkt, dass die Gedanken des Diktators auch heute bei vielen Bürgern Widerhall finden.  Mehr...