Dani Levy über seinen Film „Die Känguru-Chroniken“


Subkultur-Superhit mit Kult-Potenzial

05.03.2020
Interview:  Gunther Baumann

Regisseur Dani Levy © Luna Film

Die Bücher sind längst Kult. Die Verfilmung könnte diesen Status bald auch erreichen: Dani Levy hat „Die Känguru-Chroniken“ (Kinostart: 5. März) inszeniert. Der Kabarettist und Poetry Slammer Marc-Uwe Kling schuf mit seinen Geschichten über einen verhuschten Berliner Autor, der mit einem sprechenden Känguru die Wohnung teilt, einen Subkultur-Superhit, der mittlerweile  Bestseller-Dimensionen hat. Regisseur Dani Levy („Alles auf Zucker!“) erzählt im FilmClicks-Interview, was ihn daran gereizt hat, die chaotisch-anarchistisch-spaßigen Figuren auf die Leinwand zu bringen: „Dies ist eine politische Buddy-Komödie. Ein Unterhaltungsfilm mit Anspruch und politischem Humor.“


Der Film: Marc-Uwe (Dimitrij Schaad) und das Känguru halten Siesta © Luna Film

FilmClicks: Herr Levy, es geht um einen Lebenskünstler und sein Känguru – sind die „Känguru-Chroniken“ ein Berliner Phänomen oder sollte man sie als kulturbeflissener Mensch auch außerhalb Deutschlands kennen?

Dani Levy: Ich glaube, die „Känguru-Chroniken“ haben mit Kulturbeflissenheit nichts zu tun. Das ist eine subkulturelle Marke, die auf ziemlich wundersame Weise einen Weg durch jedes Gelände findet. Die Verbreitung ist gar nicht so groß, wie man denkt, und trotzdem gibt es ein Riesen-Fanpublikum und ein völlig absurd gemischtes Klientel. In Deutschland sind es vielleicht zehn Prozent der Leute, also etwa acht Millionen Menschen, die die „Känguru-Chroniken“ wirklich kennen. Dort sind die „Chroniken“ mittlerweile auch unter den Zehn- bis Fünfzehn-Jährigen besonders populär. Ich kenne viele Eltern, die die „Kanguru-Chroniken“ nur über ihre Kinder kennengelernt haben – ich übrigens auch. Doch das allererste Publikum vor zehn Jahren waren Studenten. Denn der Autor, der Kabarettist Marc-Uwe Kling, war damals selbst noch Student. Von dort hat sich das Phänomen verbreitet. Zu den Kindern, aber auch ins Establishment hinein.
 
Wie entstand die Idee zu einer Verfilmung der Chroniken, die bisher vor allem als Texte, Bücher und Hörfunk-Sketches existierten?
Im Lauf der letzten Jahre haben sich die meisten deutschen Filmfirmen um den Stoff bemüht. Das passiert heutzutage bei Bestsellern fast automatisch. X-Filme – die Firma, die ich gemeinsam mit Tom Tykwer, Wolfgang Becker und Stefan Arndt habe – waren da auch dabei. Marc-Uwe Kling hat sich dann schließlich unter 13 Firmen für uns entschieden. Da war ich aber noch gar nicht in das Projekt involviert. Bei der Entwicklung wurde aber bald klar, dass es nicht einfach ist, aus diesen kleinen Geschichten, die sehr sketchhaft und anekdotisch sind, eine Filmhandlung zu destillieren. Irgendwann dachte man, es wäre gut, jetzt auch einen Regisseur dabeizuhaben, und man suchte dafür jemanden, der explizit politische Filme macht – Subkultur mit Underdog-Figuren und mit Komödie. Und der in der Lage ist, die komplexe Technik für so ein Projekt zu bedienen. So kam ich zu der Produktion dazu. Aber zwischen Marc-Uwe Kling und mir vergingen noch knapp zwei Jahre, in denen wir mit dem Drehbuch gerungen haben. Dabei stellten sich drei Fragen: Wie viel muss aus den „Känguru“-Büchern in den Film aufgenommen werden, damit die Fans zufrieden sind? Wie kann man den Geist der Bücher in eine neue Handlung hineinpacken? Und wie sollte die Tonalität des Films sein? Wir haben empfunden, dass die Geschichte dann am lustigsten ist, wenn es auch einen großen, fast schon comichaften Feind gibt.

Premiere: Dani Levy (M.) mit „Känguru“-Autor Marc-Uwe Kling (l.) & Hauptdarsteller Dimitrij Schaad © X Filme

Die Komik der „Känguru-Chroniken“ entsteht ja allein schon dadurch, dass hier ein sprechendes Känguru mitspielt – und alle Menschen finden das völlig normal.
Genau. Das ist die Essenz, das ist die Grundidee. Hier gibt es ein Känguru, das von niemandem angezweifelt oder auch nur schräg angeguckt wird. Das Känguru ist unter uns und lebt mit uns wie jeder andere Bürger auch. Einzige Ausnahme: Die Figur des Psychotherapeuten, der nicht an das Känguru glaubt. Das ist die Ironie der Geschichte.
 
Wie ist das Känguru für den Film entstanden? Ist es ein Wesen aus dem Computer oder gab es auch einen Darsteller, der das Tier spielt?
Das Känguru ist ein Computergeschöpf, aber es gab mit Volker Zack Michalowski auch einen Schauspieler, der es am Set gespielt hat. Ohne Kostüm, dafür in einem Overall für die Motion-Capture-Technik. Alle seine Bewegungen wurden vom Computer datenmäßig erfasst und lieferten so die Grundlagen für die Bewegungen der Trickfigur. Wir wollten jemand, der das Känguru physisch, psychisch und emotional volle Pulle spielt – und der schon am Set die Energie des Kängurus einbringt. Volker Zack ist ein toller Comedian. Wir haben ihn dann noch eine kleine zivile Rolle spielen lassen, damit er im Film auch persönlich drin ist. Er spielt einen der Gäste bei einer großen Party, in der ein Porsche in einem Pool versenkt wird. Volker Zack war übrigens auch für den Rhythmus des Films sehr wichtig: Hätte er den Känguru-Part viel zu hektisch oder, umgekehrt, viel zu lethargisch gespielt, dann hätten wir ein Problem gehabt. Er gab das Timing vor, und daran hing sehr viel. Wir haben dann auch den Film praktisch mit Volker Zack geschnitten. Erst mit dem relativ finalisierten Schnitt sind wir in die Animation gegangen.

Das Känguru ist ein Wesen aus dem Trick-Computer © Luna Film

Stichwort Porsche: Im Film gehen drei Porsches zu Bruch. Geschah das ebenfalls elektronisch oder haben Sie die schönen Autos wirklich zertrümmert?
Beim deutschen Film heißt es immer, sparen, und das finde ich völlig okay. Es ist ökologisch und ökonomisch sinnvoll. Der schwarze Porsche wurde richtig zertrümmert, aber da wussten die Schauspieler sehr genau, wo sie draufhauen durften und wo nicht: Scheibe ja, Kühlerhaube okay, hinten das Ding nicht – und so weiter. Die Szene mit dem zweiten Porsche, der in einem Becken untergeht, wurde digital so gelöst, dass er nicht ins Wasser rutschte. Den haben wir computermäßig sinken lassen. Und der dritte Porsche wurde nicht zertrümmert. In Wahrheit hatten wir eh nur einen Porsche, und der wurde immer umfoliert. Keine Ahnung, wo er heute ist. Ich wollte ihn jedenfalls nicht. Ein Porsche ist nicht mein Auto.
 
In welches Genre würden Sie „Die Känguru-Chroniken“ einordnen? Ist der Film eine Komödie, eine Polit-Komödie oder eine Satire?
Ich würde sagen, es ist eine politische Buddy-Komödie. Ein Unterhaltungsfilm mit Anspruch und politischem Humor. Er spielt in Berlin, wird aber auch in Kleinstädten verstanden. Denn Probleme wie die Gentrifizierung gibt es dort ja ebenfalls. Auch dort verschwindet billiger Wohnraum, es wird luxussaniert, und die Leute, die kein Geld haben, müssen noch weiter rausziehen. Die Wohnungen werden immer teurer, die Subkultur wird rausgetrieben. Das wird wohl in Österreich genauso sein. Und das Problem mit rechten Parteien, die im Moment mit aller Kraft in die Demokratie vorstoßen – und, teilweise mit sehr viel Geld, auch in den Wohnbau-Markt – das wird genauso überall verstanden.
 
Findet die Subkultur im gentrifizierten Berlin von heute überhaupt noch ihren Platz?
Sie existiert nomadisch, in neuen Orten. Nachdem Bezirke wie Kreuzberg, Neukölln oder Mitte bürgerlich und teuer geworden sind, ziehen Teile der Subkultur in den Wedding oder in die Plattenbauten von Marzahn, da entsteht gerade ganz viel. Auch Weißensee ist dran. Aber klar: Berlin ist nicht mehr so wie noch vor 20 Jahren, als die Stadt so eine Art Oase des phlegmatischen Kapitalismus war. Wo man manchmal das Gefühl hatte, Berlin schläft – es verschläft den Kapitalismus. Das gibt es nicht mehr.
 
Existiert denn das leicht schmuddelige Kreuzberg mit den vielen Grafitti noch, das im Film zu sehen ist?
Ja, das gibt es noch, aber zum Drehen ist es dort schwierig. Wir haben im Wedding gedreht, wo wir an den Hausfassaden gar nichts verändern mussten – es sieht dort so aus wie im Film.
 
Henry Hübchen spielt in „Die Känguru-Chroniken“ einen richtig fiesen und noch dazu sehr rechten Kapitalisten und Immobilien-Hai. Hat ihm diese Rolle Spaß gemacht?
Ja, wenngleich Spaß und Henry Hübchen nicht immer zusammenpassen. Weil er ein sehr selbstkritischer und grundsätzlich auch zweifelnder Mensch ist, was ich sehr an ihm schätze – denn das macht ihn aus. Er hatte zwar Lust darauf, ein Arschloch zu spielen, aber ich glaube, er hätte für seine Figur gern noch mehr Platz gehabt. Doch wir wollten einen Film über Marc-Uwe und das Känguru machen. Und Henry Hübchens Rolle, der Unternehmer Dwigs, ist halt ein klassischer Antagonist. Er plant zwar eine Art Weltverschwörung, aber wir wollten aus dem Film keine Dwigs-Story machen. Henry hätte sich aber gern noch mehr in Szene gesetzt – er ist ja sehr leidenschaftlich als Schauspieler, ein Tier, er hat Tausend Ideen. Zum Beispiel in der Szene, als er Frank-Zappa-mäßig mit der Elektrogitarre die deutsche Nationalhymne spielt.

„Eine Antihelden-Figur“: Dimitrij Schaad als Lebenskünstler Marc-Uwe © Luna Film

Der Hauptdarsteller Dimitrij Schaad, der die Figur des Autors, Liedermachers und Kabarettisten Marc-Uwe Kling spielt, ist in der Filmszene noch kaum bekannt. Warum haben Sie da keinen Star engagiert?
Dimitrij Schaad ist  am Berliner Theater längst ein Star,  er gehört zum Ensemble des Maxim-Gorki-Theaters, wo er die großen Rollen rauf und runter gespielt hat. Als Filmgesicht ist er hingegen ein völliger Novize. Wir brauchten für den Part einen Schauspieler, der nicht glanzvoll ist, der eine Antihelden-Figur verkörpern konnte. Er sollte eine Art Patina haben, die Dimitrij mitbringt, und gleichzeitig Gelassenheit, Selbstironie und Klugheit ausstrahlen. Da hat uns Dimitrij am meisten beeindruckt – auch in der Weise, in der er das Chaos mitspielt, das zu dieser Figur gehört.
 
Wie hoch war das Budget der „Känguru-Chroniken“?
Elf Millionen Euro. Fast die Hälfte davon wurde für die Animation verwendet. Dabei ging es nicht nur um das Känguru, sondern auch um das Brache-Grundstück, auf dem im Film der Europa-Tower gebaut werden soll. Denn diese Baustelle gab es natürlich nicht. Für einen deutschen Film sind elf Millionen ein sehr hoher Betrag – für einen Animationsfilm sehr wenig. Vergleichbare Filme wie „Paddington“ oder „Peter Hase“ kosten das Zehnfache.
 
Spüren Sie angesichts dieser Zahlen einen gewissen Erfolgsdruck?
Nun, der Druck ist da, weil wir uns einen Erfolg wünschen. Wir können das Geld schon brauchen. Aber wir sehen in den „Känguru-Chroniken“ auch eine Marke, mit der wir gern erfolgreich wären, weil wir diesen Film wichtig finden.
 
Eine Marke – bedeutet das, dass es auch eine Fortsetzung der „Känguru-Chroniken“ geben könnte?
Ja. Durchaus. Es gibt aber noch kein konkretes Konzept. Wir müssen auch erst einmal auswerten, was beim aktuellen Film gut funktioniert hat und was dramaturgisch vielleicht nicht so gut. Es gibt jedenfalls jede Menge Stoff für neue Filme.
 



Kritik
Die Känguru-Chroniken
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