Robert Hofferer über seinen Film „Die letzte Barriere“ und die Flüchtlingskrise


„Ich war entsetzt über den Stacheldraht“

01.02.2016
Interview:  Gunther Baumann

Produzent Robert Hofferer (M.) mit Hauptdarsteller Michael Kristof und Regisseur Jasmin Durakovic © Artdeluxe

Manchmal kann im Filmbereich alles ganz schnell gehen. Als der Kärntner Robert Hofferer, Kultur-Manager (er realisierte Großprojekte mit André Heller) und Filmproduzent („Die Wälder sind noch grün“), im Sommer die Bilder vom Flüchtlings-Chaos in Ungarn sah, beschloss er, einen Spielfilm über das Flüchtlings-Thema in Angriff zu nehmen. Mittlerweile ist das Drama „Die letzte Barriere“, für das Hofferer auch das Drehbuch schrieb, bereits abgedreht. Im Zentrum der Story steht ein Dokumentarfilmer aus Wien (Michael Kristof), der in Serbien mit der Not, aber auch mit den Hoffnungen der Migranten konfrontiert wird. Und der dabei eine Gruppe von drei Flüchtlingen aus Syrien kennenlernt. FilmClicks hat Robert Hofferer zu „Die letzte Barriere“ interviewt und präsentiert auch bereits den Trailer des Films (Regie: Jasmin Durakovic), der im Herbst 2016 im Kino anläuft.


FilmClicks: Herr Hofferer, wie kamen Sie auf die Idee, mit „Die letzte Barriere“ einen Film über die aktuelle Flüchtlingskrise zu produzieren?
Robert Hofferer: Wie wahrscheinlich viele von uns war ich einigermaßen entsetzt darüber, dass im 21. Jahrhundert mitten in Europa ein Stacheldrahtzaun errichtet wird. Eine Art moderne chinesische Mauer. Und ich dachte mir ganz spontan, da müsste man jetzt sofort einen Spielfilm zu dem Thema drehen. Wir haben dann innerhalb von sechs Wochen das ganze Projekt entwickelt, die Finanzierung gesichert, und sieben Wochen später begannen wir schon zu drehen. Alles ging sehr zügig. Ich glaube, wir sind die ersten, die einen Spielfilm gemacht haben, der sich auf diese Flüchtlingskrise bezieht. Dokumentarfilme gibt es natürlich einige.


 
Wie schreibt man in so kurzer Zeit ein Drehbuch für einen Spielfilm?
Wenn ein Projekt sehr spannend ist, dann geht das. Wir haben praktisch am ersten Tag, als wir die Idee hatten, schon ein Doku-Team losgeschickt, das an verschiedenen Schauplatzen in Serbien, in Kroatien und in Ungarn, aber auch in Österreich, Material drehte. Das war Mitte August 2015. Wir sprachen da mit sehr vielen Leuten – natürlich mit Flüchtlingen, aber auch mit freiwilligen Helfern, Ärzten, Militär, Polizei, Beamten und anderen betroffenen Beobachtern. Die Berichte und die Geschichten aus diesen Aufnahmen habe ich dann bei der Entwicklung des Drehbuchs mitverwendet.
 
Welche Story erzählen Sie in „Die letzte Barriere“?
Die Grundidee ist eigentlich recht simpel. Der Plot: Ein Filmemacher aus Wien reist im Auftrag eines TV-Produzenten mit einem Kameramann an die serbisch-ungarische Grenze, um Doku-Material zu sammeln. Damit das Team nicht auffällt, ist es mit ganz kleinem Equipment unterwegs. In einem Lager in der Nähe des Stacheldrahtzauns stoßen die Wiener auf drei Flüchtlinge und versuchen, etwas über ihre Lebensgeschichte zu erfahren. Daraus entwickelt sich dann eine, ich sag‘ mal, seltsame Parabel auf unsere Gesellschaft. Denn der Filmemacher Michael und der Kameramann Leo begegnen sowohl Befürwortern als auch Skeptikern und Gegnern der Fluchtbewegung, sowohl Flüchtlingen als auch Schleppern. So ergibt sich ein farbiges Kaleidoskop an Personen, die die Geschichte des Films im Grunde selber erzählen. Der Film endet in Wien, am Riesenrad. Das wird als Symbol verwendet, für das Rad der Zeit, das sich unablässig dreht: Die Zeit geht weiter, das Leben geht weiter.
 
Wer sind die Protagonisten, die Sie ins Zentrum des Films stellen?
Die Flüchtlinge sind zwei Frauen und ihr männlicher Begleiter, die aus Syrien stammen. Wobei man sich beim Begleiter nicht im Klaren ist, wer er wirklich ist. Die Frauen sind Jesidinnen aus Kobane und waren Geiseln des IS. Die drei haben sich auf der Flucht getroffen und sie sind seither gemeinsam auf dieser modernen Odyssee. Die Hauptfigur, der Filmemacher Michael, ist ein Mensch, der mit sich selbst nicht im Reinen ist. Er macht diesen Job nicht gern, sondern nur, weil er Geld braucht. Eigentlich ist ihm die Situation egal. Doch natürlich wird er mit sehr bedrückenden, manchmal aber auch witzigen Geschichten konfrontiert. Und er weiß nicht so recht, wie er damit umgehen soll.  

Ein Filmemacher voller Zweifel: Michael Kristof in der Rolle des Michael © Artdeluxe

Gibt „Die letzte Barriere“ denn ein Statement über den Umgang mit der Flüchtlingskrise ab?
Ja. Ein sehr eindeutiges Statement. Der Film ist eine Botschaft an die Neuankömmlinge, um ihnen zu sagen, natürlich dürft ihr kommen. Natürlich muss Europa helfen. Aber die Menschen, die nach Europa kommen, müssen sich auch darüber im Klaren sein, dass sie die hart und bitter errungenen westlichen Werte zu akzeptieren haben und dass sie es nicht anstreben sollten, Parallel-Gesellschaften aufzubauen. Die Flüchtlinge sind willkommen, wenn sie sich in diese Gesellschaftsform einfügen. Alles andere wird wohl kaum von Erfolg gekrönt sein. „Die letzte Barriere“ ist also kein Pro-Flüchtlings-Herz-Schmerz-Film. Mit ziemlich nüchternen Bildern wird die Geschichte von drei Flüchtlingen erzählt. Und von Helfern, die sich manchmal die Frage stellen, ob das, was sie tun, sinnvoll oder sinnlos ist.
 
Wie haben Sie sich als Drehbuchautor in die Flüchtlinge hineingedacht?
Durch die Interviews, die wir mit wirklichen Flüchtlingen machten. Da haben wir Charaktereigenschaften in unsere drei Hauptfiguren übernommen. Die Darsteller der Flüchtlinge kommen zwar aus den USA oder aus London, aber sie haben alle einen orientalischen, zum Teil auch einen Flüchtlings-Hintergrund. Und sie sprechen Arabisch. Sie haben wesentlich dazu beigetragen, die Figuren zu formen. Ich hätte natürlich gern Schauspieler eingesetzt, die direkt aus der Krisenregion kommen. Aber da haben mir die Behörden gleich gesagt, da gebe es keine Chance auf ein Visum. Denn sonst würden die Darsteller unter Umständen dableiben. Und dann hätten wir noch mehr Flüchtlinge.
 
Haben Sie an Original-Schauplätzen gedreht oder die Grenzsituation am Stacheldrahtzaun nachgestellt?
In Belgrad haben wir in dem Park neben dem Busparkplatz gedreht, wo Tausende Flüchtlinge in primitivsten Zelten campierten. Ohne Versorgung. In Belgrad haben wir auch in einem Sammellager gedreht. Dann aber wechselten wir in ein Lager aus Kulissen,  weil uns klar war, dass wir bestimmte Szenen nicht mitten unter den Flüchtlingen aufnehmen könnten. Die bosnische Armee hat uns an der Grenze zu Kroatien ein Flüchtlingslager aufgebaut – 50 Zelte, eingezäunt, mit allem Drum und Dran. Dort wurde mit 420 Statisten die Situation nachgestellt. Das reale Doku-Material wurde so eingefügt, dass man das Gefühl hat, alles spiele sich in dem Lager ab.
 
Wie hoch waren die Produktionskosten von „Die letzte Barriere“?
Das darf ich nicht sagen, weil der Film komplett privat finanziert ist. Investoren und Geldgeber aus Oberösterreich, Kärnten, Deutschland und Kroatien haben die Mittel zur Verfügung gestellt, und sie möchten nicht die Höhe ihres Engagements bekanntgeben. Eines ist aber klar: Dies ist ein sehr aufwendiger Film. Es gibt zwölf Sprechrollen, 420 Statisten, zwei Kamera-Einheiten und Drehorte in drei Ländern. Das hat schon etwas gekostet.   
 
Wo und wann wird der Film zu sehen sein?
Zunächst einmal natürlich in Österreich, aber auch in allen Balkanländern. Es gibt einen Weltvertrieb, der jetzt schon die Fühler ausgestreckt hat. Der arabische Sender Al Jazeera wird eine große Medienkampagne starten, die große britische Zeitung „The Guardian“ wird das begleiten. Das British Council will den Film weltweit promoten. „Die letzte Barriere“ ist fast durchgehend in Englisch gedreht, und das gibt dem Film von vornherein auf dem internationalen Markt eine größere Chance. Der Kinostart wird soll im Herbst 2016 stattfinden.
 
Vom Film noch einmal zur Realität: Was meinen Sie, wie wird sich die Flüchtlings-Situation in der Zukunft entwickeln?
Ich persönlich glaube nicht, dass das in wenigen Monaten vorbei sein wird. Das ist eine Thematik, die uns jahrelang begleiten wird. Ich hoffe, dass eine intensivere Aufklärung einsetzt, sowohl für die Bevölkerung als auch für die Hilfesuchenden. Und dass man diese hochgezüchteten Angst-Szenarien auflöst. Wir leben in einer Welt, in der allen immer gesagt wird, sie müssen sich vor allem Möglichen fürchten. Diese Art von Angst-Kultur muss aufhören. Ich glaube, wir brauchen keine Angst zu haben – weder vor Flüchtlingen noch vor Terroristen. Ich wünsche mir, dass hier ein Wandel einsetzt. Denn ich denke, dann wird auch die Herausforderung durch die Flüchtlings-Ströme, die uns im 21. Jahrhundert massiv beschäftigen wird,  leichter zu bewältigen sein.