Michael Bully Herbig über seinen DDR-Fluchtfilm „Ballon“


„Ich schwimme jetzt in einem anderen Teich“

26.09.2018
Interview:  Peter Beddies

Neues Filmgenre, neue Optik: Michael Herbig als Regisseur des Dramas „Ballon“ © Studiocanal

Michael Bully Herbig trug jahrelang einen Stempel: „Der Bully macht nur Komödien.“ Mit Filmen wie „Der Schuh des Manitu“ oder „(T)Raumschiff Surprise“ hat er das Genre auch geprägt wie nur wenige deutsche Filmemacher vor ihm. Aber mittlerweile nennt sich der Münchner, der vor kurzem den Fünfziger feierte, Michael Herbig. Und er hat nun seinen ersten  ernsten Film als Regisseur vorgelegt – den DDR-Flucht-Thriller „Ballon“. FilmClicks hat mit Herbig in Berlin gesprochen.


Am Set: Michael Herbig (l.) mit den Darstellern von „Ballon“ © Studiocanal

FilmClicks: Der Bully ohne Komödie…

Michael Herbig: …ich weiß, ich weiß. Wenn heute jemand hört, dass ich einen Thriller gedreht habe, lautet der erste Impuls: „Den Sch… soll er mal lassen“ oder „Schuster bleib bei Deinen Leisten.“ Was die Leute halt so sagen. Ich bin mittlerweile in einem anderen Teich angekommen.         
 
Wann hat sich das angedeutet?
Das ist so um die sechs Jahre her. Da habe ich den Entschluss gefasst, mal etwas anderes machen zu wollen.   
 
Und dann gleich ein Film über eine der berühmtesten Fluchten aus der DDR. Fangen wir mal so an: Was wussten Sie früher über den sozialistischen Staat? Also damals, als die Flucht 1979 passiert ist?  
Oh, in der Schule waren wir gerade – ich war elf Jahre alt – beim Nationalsozialismus. Die DDR kam später. Es war halt die Ostzone – Punkt! Da gab es Leute, denen hat man manchmal was hingeschickt. Und denen ging es nicht so gut wie uns im Westen. Das war die Info, die ich hatte.    

Und die Flucht im Ballon?
Ich kann mich erinnern, dass ich das Titelbild vom „Stern“ gesehen habe. Aber wir hatten schlicht andere Probleme. Bin bei einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen. Da hat man mit einem Elfjährigen nicht so ausführlich über politische Themen diskutiert. Außerdem war es für mich ja so, dass ich mit der DDR aufgewachsen bin. Also mit ihrer Präsenz. Ich kam auf die Welt und sie war da.      
 
Wie kam es dann zur Faszination, dass Sie diese Geschichte einer Flucht verfilmen wollten?
Na ja, zum einen wurde mir im Laufe der Jahre schon klar, dass es in diesem Staat, der DDR, Menschen gab, die wegwollten und andere, die sie daran hinderten. Das fand ich schon mal fragwürdig, um es diplomatisch auszudrücken. Je älter ich wurde – und das Thema ist mir immer wieder begegnet – fand ich die Dramatik zwischen beiden Seiten extrem spannend.      
 
Vor wie vielen Jahren haben Sie Kontakt zu den Familien Wetzel und Strelzyk gesucht, die damals mit dem Ballon geflohen sind?
Das ist mittlerweile sieben Jahre her. Und ich habe sie als Allererstes gefragt: „Warum seid ihr denn damals abgehauen?“. Typisch Wessi. Der Westdeutsche fragt, Warum – und der Ostdeutsche denkt sich: „Was ist denn das für eine blöde Frage?“.     
 
Wieso soll die blöd sein?
Das habe ich erst viel später begriffen. Es gibt – das zeige ich auch im Film – keinen besonderen Anlass, warum die Familien in den Ballon gestiegen sind. Es war die Situation. Es war das Lebensgefühl. Du fühlst Dich permanent beobachtet und bedroht. Irgendwann schlägt das um in Paranoia. Man darf nicht sagen, was man denkt. Es fehlt manchmal auch an materiellen Dingen. Man darf nicht reisen, wohin man möchte. Man fühlt sich dann gefangen. Und mir haben Menschen gesagt: „Das reicht“.

Bereit zum Abheben: Die Flucht im Ballon beginnt © Studiocanal

Wenn man vergleicht, wie viele Menschen in der DDR gelebt haben und wie viele weg wollten…
Wissen Sie, im Nachhinein bin ich sehr froh, dass sich der Dreh mehrmals verschoben hat. Denn so hatte ich noch mehr Zeit für Gespräche. Mir wurde dann klar, dass es ein Schwarz-Weiß über die DDR nicht gibt. Natürlich gab es die Leute, die ihren Frieden da gemacht hatten, die dort gut leben konnten. Aber die Menschen, mit denen ich gesprochen habe, die wollten weg aus diesem Land.    
 
Haben Sie sich auch Rat bei Kollegen geholt, die im Osten aufgewachsen sind? 
Auf jeden Fall! Ich bin mit Leander Haußmann das Drehbuch mehrere Male durchgegangen, ob sich  auch keine Fehler eingeschlichen haben. Als ich mich für Thomas Kretschmann entschied – der ja selbst aus der DDR floh, hier aber einen furchterregenden Stasi-Mann spielt –, habe ich auch mit ihm gesprochen, damit sich alles echt anfühlt. Und wir hatten einen Ton-Mann aus der ehemaligen DDR. Dem habe ich gesagt: „Roland, wenn Du irgendein falsches Wort hörst, schrei sofort Stopp!“.         
 
Und hat er?
Ja. Mir ging es auch um Kleinigkeiten. Er hat gesagt, dass man in der DDR nicht wie wir Okay sondern eher Okey gesagt hat. Daran konnte er sich noch gut erinnern, weil er sich im Kindergarten mal eine eingefangen hat, weil er das Wort falsch ausgesprochen hatte.       
 
Man könnte das pingelig nennen, worauf Sie hier Wert gelegt haben.
Das sehe ich ein bisschen anders. Mir war es sehr wichtig, dass der Film einen gewissen Puls bekommt. Ich wollte den Zuschauer mit auf diese Reise nehmen. Und wenn man sich dann an einem bestimmten Detail irgendwie stört, ist der Puls dahin. Das wollte ich auf jeden Fall verhindern.  
 
Nun wissen zumindest die Älteren, wie die Geschichte dieser Flucht ausgeht. Wann spürten Sie, dass der Film für alle Zuschauer spannend ist?
Da habe ich eine schöne Geschichte. Ich hatte den Film in sehr kleinem Rahmen mit der Familie Wetzel geschaut. Während des Films totale Stille. Dann war der Film vorbei und aus Frau Wetzel – ich weiß gar nicht, wie ich es beschreiben soll – brach es heraus: eine Gefühlsexplosion. Sie hat geklatscht und geweint, ist mir um den Hals gefallen und hat meine Hand nicht mehr losgelassen. Und dann sprudelte es aus ihr heraus: „Also, wenn jemand weiß, wie es ausgeht, dann bin`s ja ich. Und ich habe die ganze Zeit überlegt, ob wir es schaffen!“
 
Was sind Ihre nächsten Pläne nach diesem thrillerhaften Drama „Ballon“?
Darf ich nochmal das Bild des Teiches benutzen? Ich schwimme jetzt in einem anderen Teich und schaue manchmal hinüber, was die Kollegen so tun. Ich finde es auch völlig Okay, wenn meine alten Filme an den Feiertagen mal wieder im Fernsehen laufen. Aber eine Rückkehr zur Komödie mag ich mir momentan nicht vorstellen.     
 
Also eine Komödien-Pause von zehn Jahren?
Zehn Jahre?! Da wäre ich ja 60 (lacht). Ob ich es so lange aushalte, das weiß ich nicht. Aber mein nächster Film wird auf jeden Fall keine Komödie. Dazu fühle ich mich momentan einfach dort zu wohl, da wo ich gerade bin.   
 



Kritik
Ballon
Star-Komödiant Michael Bully Herbig hat als Regisseur seinen ersten ernsten Film gedreht. Sein Dokudrama „Ballon“ erzeugt Hochspannung bei der Schilderung einer Flucht aus der DDR mit einem Heißluft-Ballon, die sich 1979 wirklich zugetragen hat. Mehr...