Andrew Dominik über Nick Cave und die Doku „One More Time With Feeling“


Ein Film für einen Kino-Tag

07.09.2016
Interview:  Peter Beddies

Nick Cave beim Dreh zu „One More Time With Feeling“: Der Film läuft nur am 8. September im Kino

Der legendäre australische Musiker Nick Cave hat ein neues Album veröffentlicht: „Skeleton Tree“. In den Liedern verarbeitet er den Verlust seines 15jährigen Sohnes Arthur, der im Sommer 2015 bei einem Klippensturz ums Leben kam. Um das Album zu unterstützen, hat sich Cave etwas Besonderes ausgedacht. Er bat seinen Freund, den Filmemacher Andrew Dominik („Killing Them Softly“) ins Studio, um ihn bei den Aufnahmen zu begleiten. Daraus entstand die Doku „One More Time With Feeling“, die beim Filmfest Venedig Premiere hatte. Am 8. September wird der Cave-Film weltweit für einen einzigen Tag in 3D in Kinos gezeigt.


Andrew Dominik: Der Regisseur und Nick Cave sind seit langem befreundet © Katharina Sartena

FilmClicks: Andrew Dominik, seit wann kennen Sie Nick Cave?

Andrew Dominik: Seit mehr als 30 Jahren. Es ist ganz einfach, wir hatten denselben Drogendealer.
 
Das muss also noch in Australien gewesen sein.
In Melbourne. Nick war so etwas wie der Exot in der Stadt. Der wilde berühmte Musiker, der gegen alle Regeln verstieß. Irgendwann lernten wir uns kennen und sind uns über die Jahre hinweg immer wieder begegnet.
 
Wann hatten Sie zum ersten Mal beruflich mit ihm zu tun?
Das war für meinen Film „Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“. Damals hatte ich Nick gefragt, ob er als Barsänger auftreten würde, der Jesses Ballade singt. Nick hat mich im Gegenzug gefragt, ob er nicht die Musik zum Film schreiben könnte. Da ich nicht wusste, wie ich Nein sagen sollte, bekam er den Job.
 
Wie ist die Zusammenarbeit zu „One More Time With Feeling“ entstanden?
Nick Cave ist ein Mensch, der sehr genau trennt, was Beruf ist und was privat. Die Musikindustrie funktioniert aber so, dass ein neues Album mit Interviews beworben wird. Nick hätte also viele, viele Male Journalisten erklären müssen, wie er sich nach dem Tod seines Sohnes fühlt. Das wollte er nicht. Also hat er mich als Freund gebeten, mit ihm zu reden und mit Kameras bei den Aufnahmen zur CD dabei zu sein.
 
Hat Nick viele Regie-Freunde, die er hätte fragen können?
Eigentlich wäre nur noch John Hillcoat in Frage gekommen. Aber der ist der Patenonkel des verstorbenen Arthur, war also gefühlsmäßig noch dichter dran als ich. Ich glaube, es war gut, dass jemand die Regie übernommen hat, der ein wenig mehr Distanz hatte. Es war auch von vornherein völlig klar, dass dies eher Nicks als mein Projekt sein würde. Er hatte die Oberaufsicht und hat auch bestimmt, was im Film zu sehen ist.
 
Er saß also im Schneideraum mit dabei?
Nein. Er hatte sich den fertigen Film angesehen. Drei Stellen gefielen ihm nicht. Als wir die rausgenommen hatten, merkte man das dem Film an. Und deshalb sind sie nun wieder drin.
 
Gab es Beschränkungen, über bestimmte Themen nicht zu reden?
Nein, die hat es nicht gegeben. Aber es war auch so schon schwer genug. Auch oder gerade als Freund versucht man, sich dem sensiblen Feld vorsichtig zu nähern. Also haben wir erstmal über die Musik auf Nicks neuer Platte geredet. Und wir kamen dann Stück für Stück zum Privaten.
 
Erlebt man auf „Skeleton Tree“ einen veränderten Nick Cave? Ist dies eine Trauer-CD?
Auf jeden Fall. Nick erzählt nicht mehr diese Geschichten so wie früher. Es sind eher Fragmente. Und das hat sicher auch mit Arthurs Tod zu tun. Nick - davon berichtet er auch im Film - hält die Zeit für einen Gummistrang, der einen vom einen Moment auf den nächsten wieder zu einem besonders schönen oder schrecklichen Erlebnissen bringen kann.
 
Wenn Menschen Tragödien wie den Verlust eines Kindes erleben, dann zerbrechen sie oft. In Ihrem Film hat man nicht den Eindruck, Nick Cave wäre zerbrochen.
Da gebe ich Ihnen Recht. Dieses Gefühl hatte ich auch.
 
Hilft ihm seine Kunst?
Das auf jeden Fall. Wissen Sie, Nick ist ein Mensch, der sich ständig herausfordert, der immerzu lernen will. So einen Verlust allerdings vergisst man nie. Der bleibt bei einem bis zum Lebensende. Das Herz ist nun mal ein Muskel und kein Porzellan, das zerbrechen kann. So kommt mir das bei Nick vor. Er ist daran nicht zugrunde gegangen. Aber die Tragödie seines Sohnes hat einen anderen Menschen aus ihm gemacht.
 
Was passiert mit dem Film nach dem 8. September, dem einen Tag, an dem er im Kino zu sehen ist?
Keine Ahnung, da fragen Sie den Falschen. Das ist allein Nicks Entscheidung. Er hat dafür bezahlt. Ob es „One More Time With Feeling“ eines Tages auf DVD geben wird oder ob einzelne Sequenzen als Videos ausgekoppelt werden, das kann ich Ihnen nicht sagen.



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