Peter Del Vecho über den Disney-Hit „Die Eiskönigin“ und die Fortsetzung „Die Eiskönigin 2“


„Im neuen Film geht alle Macht von der Natur aus“

18.11.2019
Interview:  Peter Beddies

Disney-Produzent Peter Del Vecho © Disney

Der US-Produzent und Oscar-Preisträger Peter Del Vecho war maßgeblich an einem der größten Erfolge beteiligt, die dem Disney-Studio je gelangen: Er produzierte 2013 das märchenhafte Nordland-Abenteuer „Die Eiskönigin“, das an den Kinokassen zum erfolgreichsten Animationsfilm aller Zeiten wurde (erst vor kurzem ging der Titel an die Neufassung von „Der König der Löwen“ verloren). Jetzt startet „Die Eiskönigin 2“ im Kino, die Fortsetzung des frostigen Mega-Hits. Peter Del Vecho, erneut als Produzent im Einsatz,  blickt im FilmClicks-Interview auf den Hype um den ersten Film zurück. Und er erzählt, wie es zum zweiten Teil kam.


FilmClicks: Mr. Del Vecho, „Die Eiskönigin“ startete im Herbst 2013 im Kino. Hatten Sie von Beginn an das Gefühl, einen Superhit produziert zu haben?
Peter Del Vecho: Als „Die Eiskönign“ damals anlief, landete der Film nicht auf Platz Eins in den Charts. Auch nicht in der zweiten Woche. Kurz vor uns lief „Die Tribute von Panem – Catching Fire“ in den Kinos an. An dem Film sind wir nicht vorbeigekommen. Aber was danach passierte, das war echt interessant. Die Einspiel-Ergebnisse, die normalerweise bei Filmen nach der ersten Woche immer weiter Stück für Stück zurückgehen, sind in diesem Fall entweder gleich geblieben oder noch gestiegen. 
 
Wie war das zu erklären? Gab es 2013 schon einen Social-Media-Hype?
„Die Eiskönigin“ war der erste Film, bei dem ich das erlebt habe. Die sozialen Medien haben ja so vor ungefähr sechs Jahren Fahrt aufgenommen. Ich weiß noch, wie wir uns damals gewundert haben, was bei YouTube los war. Ständig hat jemand was zur „Eiskönigin“ gepostet. Heute kennt man das. Damals war das für uns noch völlig neu. 
 
Wenn Sie es nachträglich ändern könnten - würden Sie den Film nicht lieber wie im Deutschen „Die Eiskönigin“ nennen? Klingt doch viel besser als der Originaltitel „Frozen“, oder?
Nein, auf keinen Fall. Nichts gegen den deutschen Titel „Die Eiskönigin“, aber „Frozen“ war schon unser Arbeitstitel. Und der funktioniert, wenn man denn Englisch spricht, sehr gut auf unterschiedliche Art und Weise. Man kann „Frozen“ auf die Temperatur beziehen, aber genauso auf Gemütszustände, auf Verhältnisse in Beziehungen und so weiter. Der Titel ist schon perfekt. 
 
Warum war der erste Teil so erfolgreich? Haben Sie den Zeitgeist getroffen oder welchen Grund könnte es geben?
„Frozen“ wirkte im ersten Moment wie ein typisches Märchen. Aber dann geschahen so viele Dinge, mit denen die Zuschauer nicht gerechnet hatten, dass wir sie echt überrascht haben. Und - nicht zu vergessen - jeder konnte sich in den Hauptfiguren Anna und Elsa wiederfinden. Es sind keine Wesen, die fernab sind. Jeder kann mit ihren Entscheidungen etwas anfangen. Sie sind nicht weltfremd. Eine ganz wichtige Sache. 
 
War es 2013 bei der Premiere des ersten Films schon geplant, dass später „Die Eiskönigin II“ folgen sollte?
Nein, auf keinen Fall. Als wir mit dem ersten Teil fertig waren, dachten wir wirklich, dass die Geschichte zu Ende erzählt wäre. Aber dann kamen Sie als Kritiker und gleich danach die Zuschauer und wir bekamen, noch bevor irgendwer an eine Fortsetzung dachte, viele Fragen gestellt. Zum Beispiel: Woher hat Elsa ihre Kräfte? Wer hat sie ihr verliehen? Was ist mit den Eltern von Anna und Elsa passiert? Als wir uns entschlossen, einen zweiten Teil zu drehen, da wussten wir aufgrund all dieser Fragen längst, dass die Fortsetzung kein beliebiges weiteres Abenteuer werden würde. Es sollte um die Geschichte dieser Familie gehen. Und die Story sollte Dinge erklären, die wir im ersten Teil offenbar doch noch nicht beantwortet hatten.
 
Das heißt also, wenn über „Die Eiskönigin 2“ wieder viele Fragen kommen…
…nein, nein, nein. So arbeiten wir nicht. Es ist nichts geplant. Wir sind wieder der Meinung, dass wir alle Fragen beantwortet haben. Disney arbeitet immer an einem Projekt und nicht gleichzeitig an Fortsetzungen, um sie dann schnell ins Kino bringen zu können. Es hatte sich bei uns im Team nach dem ersten Teil zum Gag entwickelt, dass wir zu Journalisten immer „Nein, nein und nochmals nein“ zu einem zweiten Teil sagten. Das tauchte dann in internen Sitzungen immer wieder als Phrase auf. Also, jetzt haben wir Teil Eins und Zwei, die beide eine abgeschlossene Geschichte erzählen. Aber in die Zukunft schauen kann ich nicht!
 
Man kann „Die Eiskönigin 2“ als reine Unterhaltung sehen. Aber auch als eine Geschichte der Emanzipation: Die Frauen gehen ihren Weg. Und doch sehen die Zentralfiguren Anna und Elsa ausgesprochen disneylike aus. Also sehr dünn und sehr schön. Muss das heutzutage noch so sein?
Ich würde das ungern auf diesen einen Film begrenzen. Wir haben bei Disney alle möglichen Figuren. Diese Geschichte hier zum Beispiel spielt im Norden, was sich in der Gestaltung der Gesichter widerspiegelt. Und wenn jemand sagt, dass sie sehr dünn sind? Sie sind halt ständig auf irgendwelchen Abenteuern unterwegs, wo man sich viel bewegen muss. 
 
Der Schneemann Olaf ist nicht dünn…
…und Kristoff auch nicht und auch nicht Sven, das Rentier. Aber wie schon gesagt: Schauen Sie alle Disney-Filme an und nicht nur einen, um die Vielfalt zu sehen.

Allesamt Publikumslieblinge: Die Hauptfiguren von „Die Eiskönigin 2“ © 2019 Disney-Pixar

„Die Eiskönigin 2“ prunkt optisch mit den herrlichsten Herbstfarben, die man sich nur vorstellen kann.
Das liegt daran, dass wir für jeden Film mit etlichen Beteiligten eine Forschungs- und Studienreise machen. Dieses Mal ging es nach Skandinavien und zwar im September. Dort haben wir diese wunderbaren Herbstfarben im Wald gesehen. Außerdem sind unsere Figuren im Film jetzt dabei, die Jugend endgültig hinter sich zu lassen. Und der Herbst passt perfekt zum Erwachsenwerden. Haben wir uns jedenfalls gedacht. 
 
Die Natur wirkt generell sehr stark im neuen Film.
Ich will nicht zu viel verraten. Aber es stimmt: Dieses Mal geht alle Macht von der Natur aus und Elsa muss entscheiden, wie sich dazu verhält. Deshalb ist die Natur in diesem Film zum Teil bedrohlich. Aber eben auch wunderschön. Wenn sich die Jahreszeiten abwechseln, passieren immer wieder wundervolle Dinge. Nicht nur im Film, auch im Alltag. Wir haben nur verlernt, die Natur zu beobachten. Wir nehmen alles nur noch als gegeben hin. In „Die Eiskönigin II“ bekommt die Natur wieder den Stellenwert, den sie verdient. Also in dem Rahmen, den wir leisten können. Die Natur hier ist ein eigenständiger Charakter.
 
Nach dem neuen Film sieht man nicht nur das Wandern durch den Wald anders, sondern auch das Spazierengehen am Meer.
Wir sind zum Beispiel in Island am Strand gestanden und haben Richtung Norden geschaut. Da hat man wirklich das Gefühl, dass sich das Wasser – obwohl das ja physikalisch nicht geht – über einem befindet. Und was Elsa angeht. Ja, sie hat magische Eiskräfte. Aber sind sie vielleicht im Vergleich zu den Kräften der Natur nur winzig klein? Elsa wird es herausfinden.
 
Und es werden wieder viele Kinobesucher die Lieder singen. War es sehr schwer, die Qualität zu halten? „Let it go“ aus dem ersten Film ist auf dem besten Weg, ein Volkslied zu werden.
Wenn man so etwas miterlebt, ist das ein Traum. Jeder Produzent möchte das erreichen. Aber nur den wenigsten gelingt es auch. Ich weiß das zu schätzen. Was haben wir dieses Mal gemacht? Unsere Komponisten – dieselben wie beim ersten Teil – bekamen das Bildmaterial nicht erst, nachdem alles fertig war. Sie waren die ganze Zeit während der Dreharbeiten dabei. Sie konnten sehen, in welche Richtung sich die Geschichte und die Charaktere entwickelt haben. Und so konnten sie immer gleich darauf reagieren. Ist dieses Mal etwas anders an den Liedern? Ich würde sagen, dass die Bandbreite vom Lied bis zur Power-Rock-Ballade noch größer geworden ist. 
 
Welche Figur aus den zwei „Eiskönigin“-Filmen mögen Sie am meisten?
Ich mag, das war schon beim ersten Teil so, Anna am liebsten. Sie ist der Underdog und sie ist unerschrocken. Sie gibt niemals auf und kümmert sich immer um das Wohlergehen der Anderen. 
 
Erfrischend normal, oder?
Exakt! Mit meiner Einschätzung liege ich übrigens genau dort, wo alle Jungs und Männer bei Umfragen nach den Vorführungen ihr Kreuz hinmachen. Männer mögen Anna mehr und Frauen Elsa. Sicher spielt da der Prinzessinnen-Effekt eine große Rolle. Und natürlich lieben alle Olaf. Jeder erkennt das wunderbar Kindliche in ihm und damit können sich sehr viele Zuschauer identifizieren.
 
Olaf, der Schneemann, dürfte mit Abstand die populärste Figur sein, oder?
Wenn Sie darauf gewettet hätten, dann hätten Sie die Wette verloren. Das war auch für mich eine Überraschung, als bei den Umfragen herauskam, das das Rentier Sven die beliebteste Figur ist. Ausgerechnet der, der im Film nicht ein einziges Wort spricht, den mögen die Menschen am meisten. Verrückt!
 
Eine Frage zum Schluss: Haben Sie sich selbst eine kleine Sprechrolle in „Die Eiskönigin 2“ gegönnt?
Oh nein. Hier arbeite ich nur hinter den Kulissen. Ich durfte im Disney-Film „Küss den Frosch“ vor ein paar Jahren ein Schmetterling sein, der ein Wort zu sprechen hatte: „Gratulation!“ Das waren meine 15 Minuten Ruhm, wenn man so möchte.