Nadeshda Brennicke


„Menschen ohne Abgründe sind langweilig“

26.03.2014
Interview:  Peter Beddies

Nadeshda Brennicke als „Banklady“, die mit ihren Überfällen in Deutschland Schlagzeilen machte © Studiocanal

Der deutsche TV-Star Nadeshda Brennicke ist eine Frau mit vielen Gesichtern. Ein wenig Make-Up genügt, um sie zum Vamp zu schminken. In ihrem neuen Kinofilm „Banklady“ schaut sie mit Sonnenbrille und blonder Perücke so richtig verrucht gefährlich aus, und dann wieder, ohne Verkleidung, ganz spießig brav und bieder. Privat trägt Brennicke lieber Sneakers als High Heels: Sie lebt mit ihrem Sohn und vielen Tieren auf einem Bauernhof weit außerhalb Berlins. Die Landluft schadet ihren künstlerischen Ambitionen nicht: Es war die Idee von Nadeshda Brennicke, die wahre Geschichte der Bankräuberin Gisela Werler zu verfilmen, die in den 1960er Jahren als „Banklady“ Deutschland in Atem hielt. Regisseur Christian Alvart hat aus der Story einen mitreißenden Film gemacht.


FilmClicks: Frau Brennicke, wie sind Sie denn auf den tollen Thriller-Stoff der Banklady Gisela Werler gestoßen gestoßen?
Nadeshda Brennicke: Dadurch, dass ich eine wahnsinnig aufmerksame und neugierige Internet-Userin bin. Für mich war es das Größte, als das Internet erfunden wurde. Fast so wie ein kostenloses Dauerabo in einer Bibliothek, in der es alles gibt. Und eben dort bin ich per Zufall auf Gisela Werler gestoßen. Sie selbst hat zeitlebens nur ein einziges Interview gegeben. Das habe ich in einer Doku gesehen und fand es sofort total spannend.
 
Wann wussten Sie, diese Frau muss ich spielen?
Kann ich nicht genau sagen. Ich weiß nur, dass Menschen, die sich künstlerisch ausdrücken, mit Antennen ausgestattet sind. Ich nenne es gern den Instinkt. Bei dieser Frau und ihrem Leben hat mir alles gesagt, dass ich mich darum kümmern muss, daraus einen Film zu machen.

Bürgerlich brav: Nadeshda Brennicke als Banklady in Zivil ohne Perücke © Studiocanal

Die Geschichte der Frau, die aus Liebe zur Bankräuberin wurde, klingt so toll, dass man sich fragt, warum sie noch nie im Kino erzählt wurde.
Warum das so ist, weiß ich auch nicht. Unser Regisseur Christian Alvart hat mir gesagt, dass der Stoff in Amerika schon längst verfilmt worden wäre. So etwas liebt das Publikum dort. Bei uns hat es etwas länger gedauert.
 
War man denn gleich begeistert, als Sie mit der Idee kamen?
Nein, nicht direkt. Ich habe auch erst einmal im Stillen weitergeforscht, was man so herausfinden konnte. Dass Gisela Werler zum Bespiel 2003 gestorben ist und ihr Lebenspartner 2009. Als ich dann alles zusammen hatte, um daraus ein Projekt zu machen, musste ich zwei Jahre lang zu allen möglichen Leuten gehen und überall fragen.
 
Wieso das?
Weil ich nun mal nicht zu den fünf Schauspielerinnen Deutschlands gehöre, die sich eine Rolle wünschen dürfen. Außerdem habe ich solche Sachen gehört wie: „Aber Sie haben doch bisher fast nur Fernsehen gemacht“. Letzten Endes habe ich dann Unterstützer beim NDR-Fernsehen gefunden. Und dann ging alles ziemlich schnell.
 
Die Geschichte der Gisela Werler klingt unglaublich. Hatten Sie überlegt, das fürs Kino ein wenig abzuschwächen?
Sie meinen, solche Stellen, dass ihr Lebens- und Bankraub-Partner Hermann Wittorff  ihr noch im Gerichtssaal einen Heiratsantrag machte, dass sie im Gefängnis geheiratet haben, dass sie dann draußen auf ihn wartete und beide noch fast 30 Jahre glücklich zusammen gelebt haben? Stimmt, wenn man so eine Geschichte im Kino erzählt, läuft man Gefahr, dass sich alle fragen, warum es denn so dicke sein muss. Aber es hat sich nun mal genau so abgespielt. Manchmal schreibt das Leben halt die unglaublichsten Geschichten.
 
War Gisela Werler glücklich, wenn sie Banken ausgeraubt hat?
Zu Beginn sicher. Aber dann hat sie gemerkt, dass sie in einer Stellung war, Macht auszuüben. Wenn sie eine Bank betrat und forderte, dass die Menschen sich hinlegen sollten, dann haben die das gemacht. Man hat auf sie – Gisela Werler, diese Frau aus einfachsten Verhältnissen – gehört. Das wurde ihr irgendwann unheimlich.
 
Wie viel Sympathie darf man für eine Frau empfinden, die im großen Stil gestohlen hat?
Es muss ganz deutlich gesagt werden, dass sie eine Verbrecherin war. Das ist völlig klar. Aber sie war alles andere als eine eiskalte Verbrecherin. Sie ist ihren Weg gegangen und sie hat auch ein bisschen was von einer Heldin an sich gehabt. Vielleicht eine Anti-Heldin. Auf jeden Fall eine Person, die damals schon die Menschen fasziniert hat. Solche Menschen zu spielen finde ich toll. Menschen ohne Abgründe sind doch langweilig.
 
Wenn Sie sich mit Frau Werler treffen könnten, was würden Sie ihr sagen?
Ich würde ihr einfach danken. Danke sagen, dass sie ihr Leben so gelebt hat und dass ich auf ihr Leben stoßen und mithelfen durfte, es zu verfilmen.
 



Kritik
Banklady
Eine Zeitreise, die spannend ist und unverschämt gut unterhält: „Banklady“ erzählt in „Bonnie & Clyde“-Manier die Story einer kriminell begabten jungen Frau, die in den 1960er Jahren in Deutschland mit ihrem Freund viele Banken ausraubte.  Mehr...