Stories We Tell

Privatleben ohne Privatsphäre


FilmClicks:
Auf den Spuren der eigenen Vergangenheit: Sarah Polley © Polyfilm
DIE STORY: Die kanadische Schauspielerin und Regisseurin Sarah Polley („An ihrer Seite“) folgt im Dokumentarfilm „Stories We Tell“ den Spuren ihrer eigenen Vergangenheit. Sie lässt ihren Vater, den Schauspieler Michael Polley, ihre Geschwister sowie Freunde der Familie über ihre Mutter Diane berichten. Die starb an Krebs, als Sarah elf Jahre alt war. Diane Polley, auch sie eine Schauspielerin (und Casting Agentin), wird als extrem lebenslustige und liebevolle Frau geschildert, die freilich einige große Geheimnisse verbarg - unter anderem jenes, wer Sarah Polleys leiblicher Vater war. Nach einem DNA-Test erfährt Sarah Polley erst, als sie längst erwachsen ist,  dass sie in Wahrheit die Tochter des Filmproduzenten Harry Gulkin ist.
 
DIE STARS: Die wichtigste Person dieses Films sitzt hinter der Kamera (in die sie auch manchmal hineinschaut): Sarah Polley. Die 35-Jährige hat bereits eine bemerkenswerte Karriere hinter sich. Als Schauspielerin brillierte sie in Filmen wie „Das süße Jenseits“ von Atom Egoyan, „eXistenZ“ von David Cronenberg oder, als todgeweihte krebskranke junge Mutter, in „Mein Leben ohne mich“ von Isabel Coixet. 2007 schrieb und inszenierte sie das Alzheimer-Drama „An ihrer Seite“ mit Julie Christie, das ihr eine Nominierung für den Drehbuch-Oscar einbrachte.
 
DIE KRITIK: „Stories We Tell“ hat, könnte man sagen, einen ähnlichen Grundkonflikt wie das Musical „Mamma Mia!“: Eine junge Frau sucht ihren leiblichen Vater. Hier wie dort kommen insgesamt drei Männer in Frage. Doch natürlich klaffen Welten zwischen einer Komödie und der Realität. Obendrein ist die Vater-Frage nur ein Teilaspekt der Doku von Sarah Polley. Viel mehr geht es der Filmemacherin um die Suche nach Spuren und der Lebensart ihrer früh verstorbenen Mutter.
Mit Interviews und teils echten, teils nachgestellten alten Videos schuf Polley einen intimen und persönlichen Film, wie man ihn selten zu sehen bekommt. Sie sammelt Anekdoten, bohrt aber auch dort weiter, wo die Gesprächspartner ihr Wissen lieber für sich behalten würden („was bist du für eine sadistische Interviewerin“, ruft ihr Dad Michael Polley einmal aus, als er sich in die Enge getrieben fühlt).
So wird man als Zuschauer, ob man es will oder nicht, zum genauen Kenner der Familie Polley - ihrer Freuden, ihrer Leiden und ihrer verborgenen Konflikte. Für meinen Geschmack geht dieser kollektive Seelen-Striptease manchmal ein bisschen weit. Es verblüfft, dass die Polleys so vollkommen bereit sind, ihrem Privatleben die Privatsphäre zu entziehen.
Doch man hört in dem handwerklich feinen Film gerne zu, zumal es ganz wesentlich noch um einen anderen Aspekt geht: Um die Frage nach der Wahrheit. Denn natürlich bekommt man die unterschiedlichsten Versionen dieser Familiengeschichte erzählt, je nachdem, von wem und aus welchem Blickwinkel gerade berichtet wird. Da ist dann nicht mehr die Familie Polley das Thema, sondern die menschliche Befindlichkeit schlechthin in all ihren vielen Facetten. Und wer weiß schon, ob alle der vielen Stories, die man in „Stories We Tell“ vorgesetzt bekommt, auch wirklich die Realität abbilden?
 
IDEAL FÜR: Fans der Filme von Sarah Polley. Und für Spurensucher nach dem Wesen der Menschen.






Trailer
LÄNGE: 108 min
PRODUKTION: Kanada 2012
KINOSTART Ö: 28.03.2014
REGIE:  Sarah Polley
GENRE: Dokumentation


BESETZUNG
Sarah Polley: sie selbst
Harry Gulkin: er selbst
Michael Polley: er selbst