Mein Fleisch und Blut

Austro-Psycho voller Spannung


FilmClicks:
„Mein Fleisch und Blut“: Katharina (Ursula Strauss) mustert die neue Nachbarin Nicole (Lili Epply) © Filmladen
DIE STORY: Der dunkle Austro-Thriller „Mein Fleisch und Blut“ ist ein sehr spannendes und kompetentes Psychodrama aus dem Unheimliche-Nachbarn-Genre.
Der Plot: Die Eheleute Martin (Andreas Kiendl) und Katharina Trummer (Ursula Strauss) führen ein friedliches Leben in der Wiener Vorstadt. Ihr siebenjähriger Sohn Tobias ist ein sehr stilles Kind. Nein: er ist ein zu stilles Kind: Tobias zeigt deutliche Anzeichen von Autismus.
Als das leerstehende Nebenhaus von einem jungen Paar bezogen wird, freunden sich Martin und Katharina rasch mit den Neuankömmlingen an. Man schwimmt miteinander im Pool, man trinkt abends gemeinsam ein Gläschen Wein auf der Terasse. Sohn Tobias scheint die Anwesenheit der neuen Nachbarin Nicole sehr gut zu tun. Er wirkt auf einmal viel offener.
Dann jedoch bekommt Martin einen Anruf von einem Makler: Das Nebenhaus, auf das er einmal ein Auge geworfen hatte, stehe jetzt zum Verkauf. Martin runzelt die Stirn: Aber da sind doch gerade die neuen Mieter eingezogen! Der Makler weiß nichts von Mietern. Und Martin und Katharina wissen nicht mehr, ab sie den netten Nachbarn trauen können. Sehr bald wird auf sehr haarsträubende Weise klar: Sie können es nicht. Überhaupt nicht.

Der Polizist Robert (Hary Prinz) versucht, seinem Bruder Martin (Andreas Kiendl) zu helfen © Filmladen

DIE STARS: Wenn es im österreichischen Film darum geht, starke Frauenfiguren zu besetzen, ist Ursula Strauss („Revanche“, „Maikäfer flieg“, „Schnell ermittelt“) erste Wahl. Der Grazer Andreas Kiendl, der ihren Ehemann Martin spielt, ist derzeit auch im Komödien-Hit „Wer hat uns bloß so ruiniert“ im Kino zu sehen.
Die Newcomerin Lili Epply legt in der Rolle der geheimnisvollen Nachbarin Nicole eine große Talentprobe ab. Hary Prinz versucht als Polizist und als Bruder von Hauptfigur Martin, Licht in eine undurchsichtige Situation zu bringen.
Autor/Regisseur Michael  Ramsauer stammt aus Bayern und studierte an der Wiener Filmakademie bei Peter Patzak (Regie) und Christian Berger (Kamera). „Mein Fleisch und Blut“ ist sein erster Spielfilm.

Gefahr! Martin (Andreas Kiendl) beschützt seinen Sohn Tobias (Nikolai Klinkosch) © Filmladen

DIE KRITIK: Vom gruseligen Polanski-Klassiker „Rosemary’s Baby“ bis zu den klamaukigen „Bad Neighbors“: Dass nette Leute von nebenan zu bedrohlichen Monstern mutieren können, ist ein beliebtes Grundthema des Kinos.
Meist fangen solche Geschichten ganz harmlos an, und das gilt auch für den Austro-Psycho „Mein Fleisch und Blut“. Die Familie Trummer freut sich, als die gepflegte Langeweile in ihrer Eigenheim-Siedlung durch junge Neuankömmlinge durchbrochen wird. Der in sich gekehrte Sohn Tobias fasst rasch Vertrauen zur Neo-Nachbarin Nicole, und auch die Augen von Vater Martin ruhen wohlgefällig auf der feschen Blondine. Da ist eindeutig Erotik im Spiel.
Die Story braucht nur ein kurzes Telefonat, um die Stimmung von heiter auf bedrohlich kippen zu lassen. Wenn Martin erfährt, dass die neuen Nachbarn eher Hausbesetzer als reguläre Mieter sind, ist’s für ihn mit Freundlichkeit und Flirt vorbei.
Warum hat das Paar ausgerechnet das Nebenhaus okkupiert? Martin beginnt, sich Gedanken zu machen. Und Sorgen. Und beides zu Recht. Auch seine Frau Katharina fährt alle Alarmantennen aus.
„Mein Fleisch und Blut“ erzählt eine Geschichte, in der es vordergründig um Dispute zwischen den Hauptfiguren geht und hintergründig um Themen wie bigotte Religion, lieblose Jugendjahre und Familienverhältnisse, wie sie niemand erleben will.
Autor/Regisseur Michael Ramsauer dreht mit beharrlicher Konsequenz an der Spannungsschraube. Mal bringt er Sex ins Spiel, um seine Protagonisten in die Enge zu treiben,  mal deckt er Lügen und Geheimnisse auf, die der Geschichte verblüffende neue Wendungen geben.
Was da genau abgeht, darf man bei einem Mystery Thriller dieses Zuschnitts natürlich keinesfalls verraten. Nur so viel: Im Lauf der Zeit entfaltet sich ein großes, wildes Drama, dessen Ausmaße man zu Filmbeginn keinesfalls erahnen kann. Es geschehen einige  schreckliche Dinge, doch „Mein Fleisch und Blut“ ist definitiv kein Horrorfilm. Sondern ein eindrucksvoller  Thriller, der keine Vergleiche mit internationalen Vorbildern zu scheuen braucht.
Dass das Projekt so gut gelingt, ist natürlich auch den famosen Darstellern zu danken. Ursula Strauss strahlt eine unüberwindliche Mischung aus Mutterinstinkt und Beschützerin aus. Andreas Kiendl als Martin ist ein Lebenskünstler mit strizzihaftem Charme, der viel Härte zeigen kann, wenn es ernst wird.
Neuentdeckung Lili Epply als Nicole ist ein verführerischer junger Vamp: Ihre Anziehungskraft birgt Gefahr. Nicoles Gefährte Christian (Wolfgang Rauh) macht wenig Hehl aus seiner Bereitschaft, Konflikte auch mit der Faust zu lösen. Hary Prinz erfährt als engagierter Polizist, dass die Uniform kein Schutz vor schlimmen Attacken ist. Und der zehnjährige Nikolai Klinkosch beeindruckt mit dem sensiblen Porträt eines Knaben, der in stiller Verstörung auf die Welt blickt.
Fazit: Großes Kino aus Österreich. Nichts wie hin!
 
IDEAL FÜR: alle Filmfreunde, die es lieben, wenn sie in den Spannungs-Sog eines starken Psychothrillers gezogen werden.  






Trailer
LÄNGE: 95 min
PRODUKTION: Österreich 2016
KINOSTART Ö: 30.09.2016
REGIE:  Michael Ramsauer
GENRE: Thriller
ALTERSFREIGABE: ab 16


BESETZUNG
Andreas Kiendl: Martin Trummer
Ursula Strauss: Katharina Trummer
Nikolai Klinkosch: Tobias Trummer
Lili Epply: Nicole
Wolfgang Rauh: Christian / Stefan
Hary Prinz: Robert Trummer