Lara

Ein Drama, nahe an der Perfektion


FilmClicks:
Die Berlinerin Lara (Corinna Harfouch) ist eine sehr eigentümliche Frau mit vielen Facetten © Studiocanal
GESAMTEINDRUCK: „Lara“ ist betörendes Kino über das ständige Scheitern im Leben und die übertriebene Liebe einer Mutter. 
 
DIE STORY: Die Titelheldin Lara Jenkins (Corinna Harfouch), eine Berlinerin, hat einen runden Geburtstag. Aber niemand ist da, um mit ihr den Sechziger zu feiern. Weder ihr Ex-Mann (Rainer Bock) noch die eigene Mutter (Gudrun Ritter). Und auch der Sohn Viktor (Tom Schilling) will nichts von ihr wissen. Viktor hat am Geburtstagsabend einen Auftritt als Konzertpianist. Lara kauft die letzten verfügbaren Tickets auf und beginnt, sie an Bekannte und wildfremde Menschen zu verschenken. Im Laufe des Tages wird deutlich, was in Laras Leben schief gegangen ist. Die Frage ist nun: Wird sie am Abend das Konzert des Sohnes einfach genießen können oder mündet alles in einer Katastrophe?

Eine schwierige Beziehung: Lara und ihr Sohn Viktor (Tom Schilling) © Studiocanal

DIE STARS: Dass Corinna Harfouch zu den besten deutschsprachigen Schauspielerinnen zählt, weiß man schon lange. Aber wie unfassbar gut sie wirklich sein kann, das zeigt sie mal wieder in und als „Lara“. Eigentlich ist Lara eine dieser Helikopter-Mütter, die man nicht nur im Kino häufig sieht und die einfach nur schrecklich sind. Aber mit welchen kleinen unaufgeregten Gesten es die Harfouch hinbekommt, dass man im Laufe des Films doch eine Beziehung zu ihr aufbaut, dass man etwas für sie empfindet, das ist meisterhaft und in jedem Fall preiswürdig. 

Große Distanz: Lara und ihr Ex-Ehemann (Rainer Bock) © Studiocanal

DIE KRITIK: „Lara“ wurde von vielen Filmfans mit Spannung erwartet. Gilt doch der Regisseur Jan-Ole Gerster seit seinem Erstling „Oh Boy“, der Slacker-Jazz-Ballade mit Tom Schilling, als neues aufregendes Talent des deutschen Films. Dass sieben Jahre bis zu seinem zweiten Film vergehen würden, hätte er selbst wohl nie gedacht.
Aber das Warten hat sich gelohnt. Gerster ist jetzt 41 Jahre alt und auch sein neuer Film ist etwas erwachsener als „Oh Boy“ (Tom Schilling hat diesmal einen feinen, kleinen Auftritt als Laras Sohn). „Lara“ ist mit seinem elegischen Fluss und der genau richtigen Anzahl von reduzierten Dialogen dicht dran an der Perfektion.
Gersters Protagonistin Lara Jenkins ist eine eigenartige Person. Einer dieser auf den ersten Blick blassen Menschen, die uns am Tage im Treppenhaus begegnen. Aber was den Charakter solcher Personen ausmacht; wir wissen es nicht. Im Fall von Lara reicht die Spanne vom Steigen auf einen Stuhl, um aus dem Fenster zu springen, bis zum unbändigen Stolz, dass der Sohn als Musiker und Komponist seinen Weg gegangen ist und man das Leben feiern muss.
„Lara“ hätte leicht ein intensives Kammerspiel zwischen Mutter und Sohn werden können. Wäre vielleicht auch ganz spannend geworden. Aber Gerster konzentriert sich ganz auf seine Hauptfigur. Lara tritt in jeder einzelnen Szene auf. Und es ist nicht eine einzige Szene zuviel, in der wir die fabelhafte Corinna Harfouch erleben. 
Ein wenig weht ein Hauch von Michael Haneke durch dieses Drama. Zum einen sicher, weil das Spiel der Harfouch an Isabelle Huppert in „Die Klavierspielerin“ erinnert. Aber auch die Art des Erzählens ist vergleichbar.
Wir erleben Lara einen Tag lang. Wie sie durch Berlin streift. Wie sie immer wieder versucht, ihren Sohn am Telefon zu erreichen. Wie sie in eine Musikschule geht und dort einen jungen Klavierschüler, dem sie zufällig bei einer Probe über den Weg läuft, nachhaltig schädigt. Dazu genügt der Satz: „Na, wohl doch lieber Trompete?“
Diese Frau hat eine böse, eine verzweifelte Seite in sich. Aber warum sie so geworden ist, was sie ihrem Sohn angetan hat, das erfährt man nur ganz langsam Stück für Stück.
Der große Unterschied zu Michael Haneke: Der hätte die Auflösung bestimmt unter einem lauten Klavier-Geklimpere versteckt. Jan-Ole Gerster hingegen inszeniert einen großen faszinierenden Kulturabend, an dem sich zeigen wird, ob Lara sich selbst verzeihen kann. Und auch wenn Lara noch so viele Dinge tut und getan hat, für die man sie hassen könnte, am Ende schließt man sie am besten in die Arme. Wenn es Lara zulässt!
 
IDEAL FÜR: Fans von großer Schauspielkunst.






Trailer
LÄNGE: 99 min
PRODUKTION: Deutschland 2019
KINOSTART Ö: 08.11.2019
REGIE:  Jan-Ole Gerster
GENRE: Drama|Komödie
ALTERSFREIGABE: ab 16


BESETZUNG
Corinna Harfouch: Lara Jenkins
Tom Schilling: Viktor
Rainer Bock: Laras Ex-Mann