Einsamkeit und Sex und Mitleid

Schrill und laut und schlecht


FilmClicks:
Dieser Mann wirkt definitiv einsam: Rainer Bock in „Einsamkeit und Sex und Mitleid“ © Polyfilm
DIE STORY: Die Roman-Verfilmung „Einsamkeit und Sex und Mitleid“ ist ein wirres Puzzle über mehrere Charaktere in einer deutschen Großstadt.
Da ist der rassistische Polizist, der sich nach Liebe sehnt. Ein Lehrer verzweifelt am Leben, nachdem er ohne eigene Schuld vom Schuldienst suspendiert wurde. Ein Pärchen hat sich auf Escort-Dienste spezialisiert. Ein frustrierter Supermarktleiter hört sich gern reden und geht allen auf den Geist. Ein junger Migrant will sich Liebe erkaufen, weil er denkt, dass man das in Deutschland so macht.
Alle Schicksale haben irgendwie miteinander zu tun, was der Film Stück für Stück enthüllt. Und am Ende wird ein Hohelied darauf gesungen, dass man nur sich selbst lieben sollte. 

Ist das sexy? Oder schaut es nur so aus? © Polyfilm

DIE STARS: Die Schauspieler in „Einsamkeit und Sex und Mitleid“ - einem Film, der als Komödie gedacht war - können einem nur leidtun. Immerhin: Einige, wie die Linzerin Maria Hofstätter (als total frustrierte vegane Übermutter) oder Bernhard Schütz (der einsamste Lehrer im Vorruhestand, den man je im Kino gesehen hat), kommen noch halbwegs ohne Schaden aus diesem filmischen Offenbarungseid heraus.
Anderen geht es da viel schlimmer. Jan Henrik Stahlberg, Friederike Kempter, Rainer Bock und besonders Eva Löbau. Diese sehr guten Schauspieler bekommen Rollen aus der Schublade mit übelsten Klischees. Das mit ansehen zu müssen, tut einfach nur weh.  

Noch einmal Rainer Bock. Er wirkt immer noch einsam © Polyfilm
    
DIE KRITIK: Die Romane von Helmut Krausser – jetzt  „Einsamkeit und Sex und Mitleid“, zuvor „Fette Welt“ oder „Der große Bagarozy“ – werden sehr gern verfilmt. Aber warum eigentlich? „Einsamkeit…“ liefert keinen schlüssigen Beleg dafür.
Alles an diesem Film, der aussieht wie Lars von Trier für Arme, schreit nach Protest und Provokation. Aber so schrill und laut und schlecht, dass man am liebsten wegsehen mag. Dass einige deutsche Filmförderer bei diesem Projekt nicht mitziehen mochten, kann man sehr gut verstehen.
Krausser ist wahrscheinlich momentan jener deutsche Autor, der das Thema Einsamkeit so intensiv behandelt wie kein zweiter. In fast all seinen Büchern geht es um grundtraurige Menschen, die auf der Suche nach ein bisschen Glück verzweifeln und irgendwann aufgeben. Ob Jung oder Alt, macht keinen Unterschied. Glücklich sind immer die Anderen, deren Leben man so gern leben möchte. In Buchform ist derart viel Tristesse amüsant bis anstrengend. Als Film bleiben nur noch Ödnis und Anstrengung übrig. 
Regisseur Lars Montag, der fürs Fernsehen schon etliche solide Filme (zum Beispiel „Tatorte“) inszeniert hat, will hier das ganz dicke Brett bohren: eine Bestandsaufnahme des deutschen Großstadtlebens im Jahr 2017. Sein Episodenfilm schielt kräftig in Richtung „Short Cuts“ von Robert Altman, ohne auch nur eine Sekunde dessen Klasse zu erreichen.
Montag reißt verschiedene Schicksale an. Uwe (Peter Schneider) ist der Chef eines Supermarktes, der glaubt, im Internet mit Janine (Katja Bürkle) die große Liebe gefunden zu haben. Uwes Ex-Frau Julia (Eva Löbau) wiederum bucht Liebe, wann immer sie sie braucht, über einen Callboy.
So geht es munter weiter. Figur nach Figur wird eingeführt. Nicht ein einziges Mal schimmert auch nur ansatzweise Realität durch. Geschweige denn Komik. Hier wirkt alles behauptet und unecht.
Spätestens, wenn sich Rainer Bock den Hintern rasiert (und sich natürlich schneidet, damit der Film nicht ganz blutleer daherkommt), um bei einem wildfremden Mann etwas Liebe zu finden, will man aus dem Kinosaal nur noch flüchten.          
 
IDEAL FÜR: Menschen, die sich im Kino gern fremdschämen.






Trailer
LÄNGE: 120 min
PRODUKTION: Deutschland 2017
KINOSTART Ö: 05.05.2017
REGIE:  Lars Montag
GENRE: Drama|Komödie
ALTERSFREIGABE: ab 16


BESETZUNG
Rainer Bock: Robert Pfennig
Maria Hofstätter: Maschjonka Pfennig
Eva Löbau: Julia König
Peter Schneider: Uwe König
Friederike Kempter: Carla
Bernhard Schütz: Ecki Nölten
Jan Henrik Stahlberg: Thomas Stern