Einer von uns

Chronik eines sinnlosen Todes


FilmClicks:
Zwei Welten: Der Teenager Julian (Jack Hofer) und der Filialleiter Winkler (Markus Schleinzer) © Filmladen
DIE STORY: Das Drama „Einer von uns“ folgt einem Fall, der 2009 in Krems Schlagzeilen machte. Ein 14-Jähriger wurde bei einem nächtlichen Einbruch in einen Supermarkt von einem Polizisten erschossen.
Der Film ist kein Dokudrama, das die Tragödie detailliert nacherzählt. Regisseur Stephan Richter geht es mehr um die Psychologie der Figuren. Er porträtiert den Teenager Julian (Jack Hofer) und seine Kumpels, die im Areal um einen großen Supermarkt abhängen. Und die dann in einer typischen b’soffenen G‘schicht eines Nachts in den Markt einbrechen. Wo es zu den tödlichen Schüssen kommt.
„Einer von uns“ wirft auch ein Schlaglicht auf die Erwachsenen, die an der Tragödie beteiligt sind. Der Filialleiter (Markus Schleinzer) und die Polizisten (Andreas Lust, Rainer Wöss, Birgit Linauer) haben ihren Platz in der Gesellschaft gefunden – gut drauf sind sie offenkundig nicht.

Ohne Plan und ohne Ziel: Marko (Simon Morzé, li.) und Julian (Jack Hofer) © Filmladen

DIE STARS: Der aus Dresden stammende Wiener Medienkünstler Stephan Richter, 35, hat mit „Einer von uns“ seinen ersten Spielfilm gedreht – und er reiht sich gleich ein in die Riege großer Talente des österreichischen Films.
Die Erwachsenen-Rollen sind mit ersten Kräften der österreichischen Szene wie  Andreas Lust („Der Räuber“, „Schnell ermittelt“), Rainer Wöss („Superwelt“) oder Markus Schleinzer (Regisseur des in Cannes präsentierten Entführungs-Dramas „Michael“) besetzt. Ihnen stehen mit Simon Morzé („Schnell ermittelt“) und Jack Hofer hochbegabte Teenager gegenüber. Christopher Schärf („Planet Ottakring“) überzeugt als angeberischer junger Mann, der den Absprung in die Welt der Erwachsenen nicht geschafft hat.
 
Ein verächtliches Kürzel, sarkastisch interpretiert: „Austrian Cops Are Best“ © Filmladen

DIE KRITIK:
„Einer von uns“  behandelt ein Jugend-Phänomen, das in allen Generationen aufs Neue auftritt. Schon Helmut Qualtinger sang in „Weil mir so fad is“ den schönen Satz „Was kann denn i dafür, dass i a so viel Zeit hab“.
Genau das ist das Problem vom Julian (Jack Hofer), vom Marko (Simon Morzé) und vom Wickerl (Christopher Schärf), den jugendlichen Protagonisten des Films: Den Jungs ist fad. Sie haben zu viel Zeit. Oder, umgekehrt, sie haben zu wenig Ideen, was sie mit ihrer Zeit konstruktiv anfangen könnten. Also verbringen sie ihre freien Stunden mit den immer gleichen Ritualen in der Betonwüste vor einem Supermarkt. Sie warten darauf, dass sich irgendetwas Spannendes ergeben könnte. Aber es ergibt sich nix. Bis es zur Katastrophe kommt.
„Einer von uns“ ist, obwohl irgendwann Schüsse fallen, kein Thriller. Sondern ein unsentimentales Drama, das durch seinen analytischen Blick große Intensität entfaltet. Der Film zeigt Jugendliche und Erwachsene, die keine Wege finden, Ziele zu formulieren oder Lebensumstände zu ändern, in denen sie kreuzunglücklich sind. Daraus entstehen Vorurteile, Aggressionen und letztlich Gewalt.
Der faszinierende und zugleich beklemmende Film kommt nicht mit erhobenem Zeigefinger daher, und das ist gut so. Es geht nicht um Schuld und Sühne, auch wenn natürlich festgehalten wird, dass der Polizist, der den Jugendlichen erschießt, maßlos überreagiert – in der Realität der Schüsse von Krems wurde der Beamte auch zu einer (bedingten) Haftstrafe verurteilt. Man kann „Einer von uns“ als Plädoyer dafür begreifen, aktiv zu werden und selbstständig zu definieren, was man will.
Anders als die Menschen auf der Leinwand wussten die Filmemacher ganz genau, welche Wirkung sie erzielen wollten. „Einer von uns“ punktet nicht nur mit seiner fesselnden Story und mit gediegenen Schauspiel-Leistungen. Regie-Debütant Stephan Richter entwickelt auch formal eine  ganz eigene und sehr ansehnliche Handschrift. Der Film (Kamera: Enzo Brandner) strahlt eine strenge, quasi geometrische Schönheit aus. Die knallbunte Warenwelt des Verbrauchermarkts bildet einen krassen Gegensatz zu den grauen Biografien der Protagonisten.
„Du Opfer!“, lautet eine oft gewählte Anrede in „Einer von uns“. Letztlich – dieses Gefühl vermittelt der Film – sind hier alle Opfer. Sie sind Opfer der Umstände, aber auch ihrer eigenen Ziellosigkeit und der Unfähigkeit, das Leben nach den eigenen Bedürfnissen zu gestalten.
 
IDEAL FÜR: Freunde des österreichischen Films, auf die hier wieder einmal eine höchst eindrucksvolle Produktion wartet.






Trailer
LÄNGE: 86 min
PRODUKTION: Österreich 2015
KINOSTART Ö: 20.11.2015
REGIE:  Stephan Richter
GENRE: Drama
ALTERSFREIGABE: ab 12


BESETZUNG
Jack Hofer: Julian
Simon Morzé: Marko
Christopher Schärf: Viktor
Markus Schleinzer: Joseph Winkler
Andreas Lust: Polizist Werner
Rainer Wöss: Polizist Georg
Birgit Linauer: Polizistin Birgit