Bei Tag und bei Nacht - Aus dem Leben eines Bergdoktors

Die Magie des rauen Lebens


FilmClicks:
„Bei Tag und bei Nacht“: Der Bergdoktor Martin Guttner auf dem Weg zu einem winterlichen Hausbesuch © Polyfilm
DIE STORY: „Bei Tag und bei Nacht“ ist ein Ärztefilm, wie man ihn in den schmalzigen TV-Serien vergeblich sucht. Regisseur Hans Andreas Guttner begleitete ein Jahr lang einen Landarzt aus Oberdrauburg in Kärnten, der einen großen Bezirk medizinisch versorgt. In seiner Praxis, auf Hausbesuchen und, wenn er an eine Unfallstelle gerufen wird, auch schon mal mit Blaulicht.
Zwischen die Szenen aus dem Ärzte-Leben sind Impressionen aus der Bergwelt der Lienzer Dolomiten und der Gailtaler Alpen  montiert. Sie zeigen die vollendete Schönheit der Region – und das harte Leben der Einheimischen, die als Bergbauern oder Handwerker mit der kargen Natur zurechtkommen müssen.
Der Landarzt heißt übrigens Dr. Martin Guttner. Er ist der Bruder des Regisseurs. Diese Nähe mag dazu beigetragen haben, dass „Bei Tag und auch bei Nacht“ nicht nur ein besonders realistischer, sondern auch ein besonders intimer Film geworden ist.

Ärztlicher Alltag: Dr. Martin Guttner in seiner Praxis in Oberdrauburg © Polyfilm

DIE STARS: Regisseur Hans Andreas Guttner, 71, der in Kärnten aufwuchs, doch seit langem in Deutschland lebt, ist ein anerkannter Dokumentarfilmer, der für seine Produktionen schon etliche internationale Auszeichnungen gewann. Er ist Initiator des Dokumentarfilm-Festivals in München.
Dr. med. Martin Guttner, der Bruder des Regisseurs, betreibt seit vielen Jahren die Landarzt-Praxis in Oberdrauburg. Er nähert sich dem Pensionsalter – und ist skeptisch, ob er einen Nachfolger finden wird: „Die Ärzte gehen nicht mehr aufs Land.“  

Brüder: Der Filmemacher Hans Andreas Guttner (li.) und der Landarzt Martin Guttner © Polyfilm / Prieler

DIE KRITIK: „Bei Tag und bei Nacht“ ist eine in jeder Hinsicht unsensationelle Dokumentation – und zugleich ein Film, der einen tiefen Sog entfacht und den Betrachter fast magisch ins Geschehen hineinzieht.
Man erlebt zunächst die kleinen Routinen des Mediziner-Alltags, wenn der Landarzt fiebrige Kleinkinder, gestürzte Teenager oder schmerzgeplagte Senioren versorgt. „Landarzt zu sein, ist sehr interessant, weil ich alles abdecke“, sagt er. „90 Prozent der Patienten kann ich ohne Überweisung behandeln.“
Man sitzt mit dem Doktor im Wagen, wenn er auf schmalen Bergstraßen zu seinen Hausbesuchen fährt „Landarzt zu sein, ist gefährlich, weil man viel mit dem Auto unterwegs ist. 1991 habe ich mir bei einem Unfall zwei Halswirbel gebrochen.“
Man erahnt überdies bald die Bedeutung des Filmtitels „Bei Tag und bei Nacht“: Dass der Doktor nämlich wirklich bei Tag und Nacht für seine Patienten da ist. Und auch bei Wind und Wetter. Mal ist das Wartezimmer voll, mal geht’s hinaus auf einen Einödhof zu Kranken, die ihr Haus nicht mehr verlassen können.
Dass diese Form der Medizin keine Reichtümer bringt, ist offensichtlich. Doch der Doktor Guttner wird auf andere Art beschenkt: Man spürt bei diesem Landarzt die vollkommene Erfüllung durch den Beruf.
Der Film kommentiert nicht was er zeigt. Für ein paar erklärende Worte sorgen – ein feiner Kunstgriff – Volksschüler, die aus Texten über die Veränderung ihrer Welt vorlesen: Über die Landflucht etwa oder über den Bedeutungsverlust der Landwirtschaft in dieser rauen Gegend.
Ganz unkommentiert werden auch die Sequenzen über die Berglandschaft und die Arbeit der Einheimischen in den Film verwoben. Doch es sind gerade diese Szenen, die dem Werk die perfekte Würze geben. Als Städter gerät man nachgerade ins Staunen, wenn man die wilde Pracht der Alpen jenseits der klassischen Postkartenmotive sieht. Und wenn man das ruhige Schaffen der Bergbauern mitverfolgt, die viele Arbeiten bis heute mit der Hand erledigen müssen. Auch wenn eine Art Lift die frisch gemähten Heuballen in ihre Scheunen hineinzieht.
Filmisch arbeitet Regisseur Hans Andreas Guttner oft mit langen Einstellungen, die viel Ruhe ausstrahlen – und in dieser Ruhe liegt die Kraft. Je länger der Film dauert, umso mehr verliert man sich in den Bildern. Man lässt sich hineinfallen in ein alpines Idyll, das alles andere als idyllisch ist. Aber man spürt, dass die Solidarität und die Erdverbundenheit der Menschen in dieser abgeschiedenen Welt ein hohes Gut ist.
Vielleicht wird  der Film ja auch von ein paar Jungmedizinern gesehen, die noch über ihren Berufsweg nachdenken. Die sollten sich in Acht nehmen, weil der Kinobesuch Nebenwirkungen haben kann: „Bei Tag und bei Nacht“ wirkt ganz nebenbei auch wie ein prächtiges Werbevideo für den großartigen Beruf des Landarztes.
 
IDEAL FÜR:  alle Fans von Ärztefilmen, die einmal dem wahren Medizinerleben in den Bergen begegnen wollen. Und für Freunde des Landlebens, auf die hier ein packendes Porträt einer Region wartet.






Trailer
LÄNGE: 111 min
PRODUKTION: Österreich 2016
KINOSTART Ö: 14.10.2016
REGIE:  Hans Andreas Guttner
GENRE: Dokumentation
ALTERSFREIGABE: ab 8