Backstage Wiener Staatsoper

Der Zauber der Musik - und die harte Arbeit dahinter


FilmClicks:
„Backstage Wiener Staatsoper“: Die Bühnen-Crew beim Großeinsatz © Prisma Film
GESAMTEINDRUCK: Die Dokumentation „Backstage Wiener Staatsoper“ wirft einen faszinierenden Blick auf die Menschen und die Maschinerie des größten Repertoiretheaters der Welt.
 
DIE STORY: „Backstage Wiener Staatsoper“ beginnt nicht auf, sondern hinter der Bühne des Opernhauses. Oder besser: Darunter. Ein Wagen voller Dekorationen wird mit dem Lift auf die Unterbühne gefahren. Von da an geht es 94 packende  Filmminuten lang aufwärts, seitwärts und abwärts durch das Haus: Zu den Künstlern, den Kunsthandwerkern und den Handwerkern der Staatsoper, die nicht nur während der Vorstellungen, sondern 17 Stunden pro Tag dafür sorgen, dass die Bühnenmaschinerie nicht stillsteht. Im Finale bekommt man hautnah die Atmosphäre zu spüren, welche die Staatsoper an ganz besonderen Tagen entwickeln kann: „Samson und Dalila“ hat Premiere.

Kostümprobe: Elina Garanca bereitet sich auf „Samson und Dalila“ vor © Prisma Film

DIE STARS: Elina Garanca, Carlos Álvarez, Roberto Alagna und Simon Keenlyside sind die berühmtesten unter den Sängern, denen man im Film begegnet. Doch im Blickpunkt stehen all jene, die hinter den Kulissen aktiv sind. Von den Bühnenarbeitern bis zum Abenddienst, von den Dekorationsmalern bis zu den Perückenmacherinnen, von der „Samson“-Regisseurin Alexandra Liedtke bis zum Staatsopern-Direktor Dominique Meyer.
Der aus Südtirol stammende Wiener Regisseur Stephanus Domanig filmte mit Kamerafrau Eva Testor („Maikäfer flieg“) 15 Monate lang in der Staatsoper. Demnächst wird man von Domanig auch die bei der Viennale 2018 umjubelte Dokumentation „Das erste Jahrhundert des Walter Arlen“ im Kino sehen.

Kunsthandwerk: In der Werkstatt der PerückenmacherInnen © Prisma Film

DIE KRITIK: Vor 31 Jahren, erzählt ein Veteran aus der Bühnen-Crew, habe er an der Wiener Staatsoper begonnen. Sein erster Eindruck damals: „Des halt i net aus, die Schreierei.“ Er ist dann bis heute geblieben, und – nein, liebe Opernverächter – er meint mit der „Schreierei“ nicht den Gesang, der nun mal zu einem Opernhaus gehört. Sondern die lautstarken Kommandos der Bühnenarbeiter, die ertönen, wenn es bei einem Umbau schnell gehen muss.
Es muss sehr oft sehr schnell gehen an der Wiener Staatsoper. Draußen im Saal genießen die Besucher den Zauber der Musik. Auf der Bühne herrscht aber auch vorher und nachher Hochbetrieb. „Wir setzen jeden Tag zwei Mal eine Oper“, erfährt man.
Soll heißen: Bis morgens um zehn muss die Dekoration des letzten Abends ab- und die Dekoration für die Bühnenprobe des Tages aufgebaut sein. Die wiederum verschwindet nach der Probe am Nachmittag, damit das Bühnenbild für die Abendvorstellung rechtzeitig steht. „Wir hatten schon Aufführungen, da lief vorne bereits die Ouvertüre, während hinten die Bühne noch nicht fertig war“, sagt einer. „Aber der Vorhang ist immer aufgegangen.“
Noch ein Zitat: „Es ist schwer vorstellbar, wie viel Arbeit in so einer Produktion steckt“, sagt Thomas Platzer, der kaufmännische Geschäftsführer des Hauses. Und es ist jetzt das Verdienst des Filmregisseurs Stephanus Domanig, diese Arbeit (und die Leidenschaft, mit der sie ausgeführt wird) so spielerisch und fesselnd auf die Leinwand zu bannen, dass man jede Filmminute staunend genießt.
„Backstage Wiener Staatsoper“ ist mindestens ebenso spannend wie die große Action-Sequenz, die Tom Cruise und Rebecca Ferguson für „Mission: Impossible – Rogue Nation“ in dem Opernhaus drehten. Wenn nicht sogar spannender. Weil real.
Domanig wechselt in seiner Dokumentation geschickt, mit viel Rhythmusgefühl und einer Prise Humor,  zwischen großen Themen und kleinen Details hin und her. Man kann mithören bei einer ersten Regie-Besprechung zur „Samson und Dalila“-Produktion. Man beobachtet die Bühnencrews, wie sie im Höchsttempo schwere Dekorationen oder Beleuchtungs-Installationen bewegen.
Dann sitzt man bei jenen, die kleine Geheimnisse verraten. Der Inspizient erzählt, dass er im Notfall links wie rechts von der Bühne per Lautsprecher Alarmrufe geben kann, falls ein Sänger mal Gefahr läuft, seinen Auftritt zu verpassen. Der Souffleur erläutert, dass er nicht nur dann zum Einsatz kommt, wenn ein Solist seinen Text vergessen hat. Sondern dass er während der ganzen Aufführung immer wieder Vokalpassagen ansingt. „Wenn das Orchester eine Forte-Stelle hat, kann ich richtig laut werden“.
Und natürlich verneigt sich der Film auch vor jenen Künstlern und Künstlerinnen, ohne die es keine Opern gäbe: Vor den Sängern, den Tänzern und Musikern. Man erlebt die Solisten, Choristen und Instrumentalisten in ihren Arbeits-Situationen, in denen die Grundlage gelegt wird für die großen Abende, von denen später die Besucher und die Fachwelt schwärmen werden.
Nur eines gibt’s in diesem wunderbaren Musikfilm kaum: Den Blick von vorn auf die Bühne, wie ihn das Publikum kennt. Das würde ja dem Titel „Backstage Wiener Staatsoper“ widersprechen: Regisseur Domanig und Kamerafrau Eva Testor zeigen lieber die Atmosphäre in den Gassen an den Bühnenseiten, wo alle Beteiligten mit den Sängern im Scheinwerferlicht  mitfiebern. Und wo sie einander nach einer gelungenen Aufführung dann manchmal glücklich in die Arme fallen. Herrlich.
 
IDEAL FÜR: alle Opernfreunde und für jene Filmfans, die den Blick hinter die Kulissen lieben.
 






Trailer
LÄNGE: 94 min
PRODUKTION: Österreich 2019
KINOSTART Ö: 10.05.2019
REGIE:  Stephanus Domanig
GENRE: Dokumentation|Musikfilm
ALTERSFREIGABE: jugendfrei