Peter Farrelly über sein Road Movie „Green Book“, über Komödien und die Oscars


„Dieses Projekt ist mir in den Schoß gefallen“

30.01.2019
Interview:  Gunther Baumann

Von der Komödie zum Drama: Regisseur Peter Farrelly am Set von „Green Book“ © 2018 20th CenturyFox

Drei Golden Globes und fünf Oscar-Nominierungen: Das Road Movie „Green Book“ spielt in der Awards Season dieses Winters ganz vorne mit. Für Regisseur Peter Farrelly stellt „Green Book“ einen massiven Stilwechsel dar, war er doch bisher (gemeinsam mit seinem Bruder Bobby) für Radikal-Komödien wie „Dumm und dümmer“ oder „Verrückt nach Mary“ bekannt.  FilmClicks traf Peter Farrelly im Herbst beim Zurich Film Festival, das „Green Book“ für seine Eröffnungsgala ausgesucht hatte.


Peter Farrelly mit Fans vor der Eröffnungsgala des Zurich Film Festivals © ZFF

FilmClicks: Mr. Farrelly, Sie sind berühmt als Komödien-Regisseur. Wie kamen Sie da auf ein Road Movie wie „Green Book“, in dem es um Rassismus geht?

Peter Farrelly: Dieses Projekt ist mir quasi in den Schoß gefallen; es war pures Glück. Ein befreundeter Schauspieler, Brian Currie, erzählte mir, dass er sein erstes Drehbuch schreibt, über einen schwarzen Pianisten, der 1962 Bedenken vor einer Tournee durch die Südstaaten hatte und der dann einen Rausschmeißer, der durchaus selbst rassistisch war, als Chauffeur engagierte. Eine verrückte, eine unglaubliche Story. Als Brian Currie dann mit dem Drehbuch nicht vorankam, schlug ich ihm vor, es gemeinsam zu schreiben. Und so geschah es auch.
 
War Ihnen das „Green Book“, dieser US-Reiseführer für dunkelhäutige Reisende, zu Beginn der Arbeit bereits ein Begriff?
Nein, ich hatte noch nie etwas davon gehört. Ich habe dann selbst ein bisschen herumgefragt und ich würde sagen, dass heute 85 Prozent auch der schwarzen Bevölkerung keine Ahnung haben, dass es dieses Buch einmal gab. Nur jene, die in den Fünfziger und Sechziger Jahren aufwuchsen, können sich noch daran erinnern. Und wenn sie damals, sagen wir, von Chicago nach Florida fahren wollten, dann nahmen sie das Buch auch mit. Von der Existenz des „Green Book“ erfuhr ich erst durch Nick Vallelonga, den Sohn des echten Chauffeurs Tony Lip, der fand, dass die Erlebnisse seines Vaters mit dem Pianist Don Shirley einen starken Film ergeben könnten. Wir haben den Begriff Green Book dann gegoogelt, und die Resultate haben uns die Augen geöffnet über die seinerzeitigen Zustände im Süden. Das Buch wurde damals um zwei Dollar an den Tankstellen von Esso verkauft – sie waren die einzigen, die dunkelhäutige Autofahrer bedienten.

So sah es aus: Das „Green Book“ © Wiki

Haben Sie für den Film denn ein altes „Green Book“ gefunden?
Man kann Facsimiles kaufen. Die Originale erzielen als Sammlerstücke bis zu 30.000 Dollar. Ich empfehle meinen dunkelhäutigen Freunden immer, sie sollten die Keller ihrer Großeltern durchsuchen. Vielleicht finden sie dort noch ein Original, das könnte sehr wertvoll sein.
 
Lässt sich der Rassismus überwinden?
Unglücklicherweise gibt es auch heute in den USA noch viel Rassismus, vor allem im Süden. Doch wenn man bereit ist, sein Herz zu öffnen und mehr über die anderen Leute zu lernen, dann wird man sich verändern. Wir haben „Green Book“ aber nicht gedreht, um eine Botschaft zu verkünden. Wir wollten einfach diese tolle Story über zwei Männer erzählen. „Green Book“ ist ja auch ein toller Buddy-Film. Die Botschaft, dass man Rassen-Vorbehalte überwinden kann, wenn man sich auf andere Menschen einlässt, die haben wir gern mitgenommen.
 
Wie kamen Sie auf die Idee, Viggo Mortensen als italo-amerikanischen Proll namens Tony Lip zu besetzen?
Ganz einfach: Viggo Mortensen ist mein Lieblings-Schauspieler. Ich finde ihn genial. Zuletzt war ich überwältigt von ihm als Vater in  „Captain Fantastic“, dabei hätte ich dieses Familiendrama fast gar nicht gesehen. Denn ich dachte wegen des Titels zuerst, das sei ein Superheldenfilm. Und von denen kenne ich genug (lacht). Viggo ist ein Schauspieler, der komplett in seinen Figuren verschwinden kann.  Die Frauen lieben ihn – und die Männer mögen ihn auch. Er ist perfekt.
 
Ihre Komödien, voran „Verrückt nach Mary“, waren stets sehr radikal. Haben Sie da bereits alle Grenzen ausgelotet?
Komödien zu machen, wird schwieriger. Die Zeiten verändern sich, was die politische Korrektheit betrifft – zum Besseren, wie ich finde. Aber das legt Komödien irgendwie Handschellen an. Ich weiß nicht, ob wir einen Film wie „Verrückt nach Mary“ heute noch drehen könnten. 
 
Sie haben einmal gesagt, Sie und Ihr Bruder seien die Anti-Coens.
Das war ein Scherz. Was wir damit meinten, war: Joel & Ethan Coen bekommen für ihre Filme viele Preise – wir nicht.

Beim Dreh: Peter Farrelly mit seinen Stars Viggo Mortensen und Mahershala Ali © CentFox

„Green Book“ hat aber drei Golden Globes gewonnen und Sie zählen jetzt zu den Oscar-Anwärtern.
Ich schwöre Ihnen: Um so etwas kümmere ich mich nicht. Ich denke bei der Arbeit nicht daran und ich träume auch nicht von einem Oscar. Natürlich würde ich mich freuen, einen Oscar zu gewinnen. Aber meine Freude wäre noch größer, wenn Viggo Mortensen oder Mahershala Ali den Preis bekämen. Denn sie spielen unglaublich gut. Mahershala hat ja schon einen Academy Award gewonnen – und Viggo würde es endlich verdienen. Er ist dran.
 
Eine Frage noch zu Mahershala Ali: Im Film schaut es so aus, als würde er in der Rolle von Don Shirley selbst Klavier spielen. Ist das so?
Er kann sich ans Klavier setzen und so tun, als würde er diese schwierigen Stücke spielen – aber nicht in dieser Virtuosität. Für die Aufnahmen und auch für die Filmmusik haben wir Kris Bowers engagiert, der zu den talentiertesten jungen Jazzpianisten der USA zählt.



Kritik
Green Book
Das Road Movie „Green Book“ zählt zu den stärksten Filmen des Jahres. Viggo Mortensen spielt einen rauen Chauffeur, der seinen Chef, einen feinsinnigen dunkelhäutigen Pianisten (Mahershala Ali), vor rassistischen Attacken bewahrt. Mehr...