Green Book

Freundschaft, Musik und Rassismus


FilmClicks:
Unterwegs: Der Pianist Don Shirley (Mahershala Ali) und sein Chauffeur Tony Lip (Viggo Mortensen) © 2018 20th CenturyFox
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GESAMTEINDRUCK:
„Green Book“ ist ein packendes Road Movie. Ein berühmter dunkelhäutiger Pianist stößt in den 1960er Jahren bei einer Konzertreise durch den Süden der USA immer wieder auf offenen Rassismus. Doch sein hellhäutiger Chauffeur steht ihm in allen brenzligen Situationen zur Seite.
 
DIE STORY: Der Film, der auf einer wahren Geschichte beruht, beginnt mit einem Stellenangebot. Der New Yorker Piano-Virtuose Don Shirley (Mahershala Ali) sucht einen Chauffeur für eine Südstaaten-Tour. Er engagiert den Italo-Amerikaner Tony Lip (Viggo Mortensen), einen vierschrötigen, rauen Mann, der zupacken und auch zuschlagen kann. Letzteres ist wichtig. Tony muss seinen Boss immer wieder beschützen. Denn im Süden hört man Don Shirley zwar gern beim Musizieren zu, behandelt ihn aber wegen seiner Hautfarbe fast wie einen Aussätzigen. Der Künstler und der Chauffeur werden durch die Ereignisse zusammengeschweißt.

Rassismus: Dem dunkelhäutigen Don Shirley wird das Essen im Restaurant verwehrt © Fox

DIE STARS: Komödien-Spezialist Peter Farrelly („Verrückt nach Mary“) beweist mit „Green Book“, dass er als Regisseur auch das dramatische Fach im kleinen Finger hat. Dabei helfen ihm freilich zwei exzellente Hauptdarsteller. Mahershala Ali, der für seine Rolle in „Moonlight“ 2017 einen Oscar gewann, spielt den Pianisten Don Shirley als feinsinnigen Intellektuellen und Bildungsbürger.
Der Tony Lip von Viggo Mortensen ist das krasse Gegenteil. Der Star, der sich für die Rolle eine mächtige Wampe anfutterte, legt den Chauffeur als harten Mann an, der sein Herz auf der Zunge trägt. Mortensen verblüfft im englischen Original (empfehlenswert!) obendrein mit einem perfekten italo-amerikanischen Akzent New Yorker Prägung. Robert De Niro müsste vor Neid erblassen.
Farrelly, Mahershala Ali und Mortensen können am 24. Februar allesamt den Oscar gewinnen: „Green Book“ ist in fünf Hauptkategorien, darunter Bester Film, für die Academy Awards nominiert. Vor einigen Wochen wurde der Film bereits mit drei Golden Globes gewürdigt.

Freundschaft: Don Shirley unterstützt Tony Lip beim Briefschreiben © Fox

DIE KRITIK: „Green Book“:  Der Filmtitel klingt harmlos und hat auf den ersten Blick rein gar nichts mit den Themen dieses Road Movies zu tun: Musik, Rassismus und Freundschaft. Doch hinter den zwei Worten verbirgt sich die ganze Perfidie der amerikanischen Rassendiskriminierung, die in den frühen 1960er Jahren noch in voller Blüte stand. Das grüne Buch, exakter Titel „The Negro Motorist Green Book“, war ein jährlich erscheinender USA-Reiseführer, der die (wenigen) Hotels und Restaurants auflistete, in denen Afro-Amerikaner willkommen waren.
Je tiefer es nach Süden geht, umso höher schlägt der Rassismus aus, schildert der Film. In New York lebt der Virtuose Don Shirley (1927 – 2013), der zu jener Zeit für seine Konzerte zwischen Jazz, Pop und Klassik berühmt war, in einer edel eingerichteten Luxuswohnung oberhalb der Carnegie Hall. Diesem Luxus begegnet er zwar auch im Süden – aber nur auf dem Weg zur Bühne. Doch schon ein Drink an der Bar der edlen Hotels bleibt ihm verwehrt. Geschweige denn eine Übernachtung. Stattdessen muss er in irgendwelchen Kaschemmen absteigen.
Der Film arbeitet fein heraus, wie Don Shirley unter dieser Missachtung leidet. Mit steigenden Stufen der Diskriminierung sinkt sein Wohlgefühl. Bis es zu einer gefährlichen Szene in einer Bar kommt, aus der ihn sein Chauffeur heraushauen muss.
Dieser Tony Lip, der vor der Tournee noch selten seine Heimatstadt New York verlassen hat, verfolgt die Zustände im Süden zunächst mit verwunderten Augen – und dann mit immer größerer Solidarität zu seinem Boss. Das hat Folgen. Langsam verändert sich der Status zwischen den beiden. Der Auftraggeber und sein Angestellter werden zu Freunden, die beginnen, sich für die Lebenswelt des anderen zu interessieren.
Ein charmanter Nebenaspekt: Don Shirley bemerkt, dass Tony Lip seiner Frau Dolores (Linda Cardellini)  in New York unbeholfene Liebesbriefe schreibt. Wie ein moderner Cyrano de Bergerac übernimmt der Künstler diese Arbeit – mit eleganten Formulierungen, die das Herz einer Frau höher schlagen lassen.
Mahershala Ali und Viggo Mortensen spielen all diese Konflikte und Begegnungen ungemein subtil und sensibel aus. Regisseur Peter Farrelly lässt die Szenen mit perfektem Timing laufen. Überdies sorgt er mit klug gesetzten Pointen – da schimmert seine ganze Komödien-Erfahrung durch – dafür, dass es auch immer wieder etwas zu lachen gibt. Fazit: „Green Book“ ist ein großer Höhepunkt dieses Kino-Winters.
 
IDEAL FÜR: alle Filmfreunde, die starke Geschichten mit großartigen Schauspielern lieben.






Trailer
LÄNGE: 131 min
PRODUKTION: USA 2018
KINOSTART Ö: 31.01.2019
REGIE:  Peter Farrelly
GENRE: Biografie|Drama
ALTERSFREIGABE: ab 12


BESETZUNG
Viggo Mortensen: Tony Lip
Mahershala Ali: Don Shirley
Linda Cardellini: Dolores

Interview
„Dieses Projekt ist mir in den Schoß gefallen“
Vom König der Radikal-Komödien („Dumm und dümmer“) zum Golden-Globe-Gewinner und Oscar-Kandidat: Regisseur Peter Farrelly hat mit dem Road Movie „Green Book“ einen starken Stilwechsel hingelegt. Im FilmClicks-Interview erzählt er über seinen neuen Film. Mehr...