Roland Emmerich über Blockbuster, Sexualität und seinen Film „Stonewall“


„Ich habe mein Schwulsein lange versteckt“

20.12.2015
Interview:  Peter Beddies

Von den Fans umjubelt: Roland Emmerich bei der „Stonewall“-Premiere in Berlin © Warner Bros.

Die Zeiten, in denen man Roland Emmerich den „schwäbischen Spielberg“ nannte, sind lange vorbei. Der deutsche Hollywood-Regisseur ist diesem Klischee längst entwachsen. Meist liest man über ihn die Kennzeichnung „Master of Desaster“. Fakt ist, keiner lässt die Welt derart schön in Scherben fallen wie Emmerich. Nach Katastrophenfilmen von „Independence Day“ bis zu „2012“ ließ er mit „Anonymus“ zum ersten Mal einen kleinen Film folgen. Und nun – kurz nach seinem 60. Geburtstag – folgt ein weiterer kleiner und zugleich sein persönlichster Film. „Stonewall“ (Österreich-Kinostart: 1. Jänner) handelt vom Aufschrei der US-Schwulenbewegung im  Jahr 1969. Wir haben mit Roland Emmerich bei der Deutschlandpremiere von „Stonewall“ in Berlin gesprochen.


FilmClicks: Zum runden Geburtstag, zum Sechziger,  kann man schon mal zurückschauen. Was ist das größte mediale Missverständnis, das es über Sie gibt?
Roland Emmerich: Alle Leute glauben, dass ich irgendwie Gewalt liebe. Was nicht stimmt. Ich hasse Gewalt. Weil in meinen Filmen viel passiert, weil Katastrophen inszeniert werden, ist in der Öffentlichkeit ein Bild entstanden, das mit mir nichts zu tun hat. Meine Freunde können oft nicht verstehen, was da so in der Presse geschrieben wird.
 
Haben Sie das Gefühl, dass das Alter Sie andere Filme machen lässt?
Das will ich schwer hoffen. Mit „Anonymus“ und jetzt „Stonewall“ habe ich ja schon unter Beweis gestellt, dass ich auch kleine Filme machen kann. Das werde ich mir auch in Zukunft nicht verbieten lassen.
 
Wenn Sie heute jemand „Master of Desaster“ nennt…
…dann ist das sein gutes Recht. Aber es hat nur noch wenig mit mir zu tun.
 
Ein weiteres mediales Missverständnis?
Hm, würde ich so nicht sagen. Denn die großen Filme, in denen ganz viel kaputt geht, an denen hängt nach wie vor mein Herz. Es ist aber nicht mehr so, dass ich mich darüber definiere.
 
Ich glaube, dass ich Sie erstmals 1994 zu „Stargate“ interviewt habe. Im Laufe der Jahre haben wir über alles Mögliche gesprochen, aber nie über Ihre sexuelle Orientierung. Haben Sie Ihr Schwulsein versteckt?
Ja, ich habe das zu Anfang versteckt. Gerade als ich in Deutschland gearbeitet habe. Obwohl ich schwule Filme wie „Taxi zum Klo“ super super fand, wollte ich andere Filme machen. Ich wusste, wenn ich mich oute, bin ich plötzlich der schwule Regisseur. Und das hat einfach nicht zu den Filmen gepasst, die ich machen wollte. Zumindest habe ich mir das damals so ausgemalt, dass das nicht zusammenpasst.
 
Und heute?
Ich bitte Sie. Ich bin 60. Das ist mir doch so wurscht, was andere Leute sagen. (lacht). Da steht man irgendwie drüber. Damals habe ich das anders gesehen. Ich war sehr vorsichtig. Meine Freunde wussten Bescheid. Aber ich habe das nicht an die große Glocke gehängt.

Heftige Kritik: Roland Emmerich vor „Stonewall“-Plakat © Warner Bros.

Sie haben auf der einen Seite eine sehr große weltweite Fangemeinde. Auf der anderen Seite macht es Menschen – zumeist sind es Kritiker – richtig Spaß, auf Sie einzuhauen. Bei Ihrem neuen Film „Stonewall“ wurde es richtig persönlich. Hat Sie das verletzt?
Ja, das hat mich verletzt. Ich habe mich schon sehr lange stark gemacht für die Rechte der Schwulen und Lesben, ob es nun um die Möglichkeit geht zu heiraten oder anderes. Was auch immer politisch angesagt war. Ich habe sehr viele Freunde, die in der Schwulenbewegung aktiv arbeiten. Die waren alle schockiert, was da passiert war. Die meinten, das wäre ungerecht. Zumal diese Verteufelungen ja stattgefunden hatten, lange bevor jemand den Film sehen konnte.
 
Alles aufgrund des ersten Trailers.
Genau. Der Trailer kam raus und es setzte ein Sturm der Entrüstung ein. Ich hätte alles falsch erzählt (über die Geschehnisse in der Schwulenbewegung 1969 in New York, Anm.). Und überhaupt, wie ich es mir rausnehmen könnte, so einen Film zu machen. Dass es bei mir gar nicht in erster Linie um die Stonewall-Ausschreitungen geht, hat da längst nicht mehr interessiert. Es haben sich auch ein paar Mutige hinter mich gestellt. Aber wenn einmal die Twitter-Nummer anfängt, ist die schwer aufzuhalten.
 
Wenn man Umfragen zum Thema Schwule und Lesben macht, dürften sich die meisten offen zeigen und das als zum normalen Leben gehörend beschreiben. Aber zeigt die Kontroverse um Ihren Film nicht auch, dass wir so offen gar nicht sind?
Auf jeden Fall! Und besonders schlimm finde ich es, dass die Schwulen und Lesben offenbar nicht so liberal sind, wie sie immer von sich denken. Ein Produzent von „Stonewall“ lehrt hin und wieder auch an einem College. Er wollte dort den Film vor vier Wochen zeigen. Dagegen hat eine lesbische Gruppe Einspruch eingelegt und die Vorführung wurde verboten. Hallo, kann mir das mal bitte jemand erklären? Wir zeigen im Film, dass auch im Jahr 1969 lesbische Frauen an den Stonewall-Riots beteiligt waren. Und dann gibt es so eine Reaktion! Kann ich nicht verstehen.
 
Wenn man dieser Tage über die Weltlage spricht, kommt man sehr schnell zum Thema Terror und wie er unser Leben bestimmt. Glauben Sie, dass sie aktuellen Ereignisse Ihre Arbeit beeinflussen?
Selbstverständlich! Das weiß ich, seit ich an „The Day After Tomorrow“ gearbeitet habe und 9/11 passierte. Ich wusste, dass ich diesen Film nicht machen werde. Die Arbeit am Drehbuch hatte ich sofort eingestellt.
 
Aber Sie haben ihn gedreht.
Weil mir Freunde zugeredet haben. Sie meinten, dass der Film gemacht werden muss. Also habe ich weitergemacht. Aber mit kleinen Kompromissen. Wenn Sie den Film wieder mal anschauen, müssen Sie mal darauf achten. Wenn die große Flut nach New York kommt, müssten Häuser einstürzen. Aber da einstürzende Häuser und New York damals nicht miteinander vereinbar waren, gehen die Naturgewalten über die Stadt hinweg. Aber die Häuser bleiben stehen. Macht keinen Sinn. Aber anders wussten wir uns damals nicht zu helfen. Und den Menschen im Kino ist es damals offenbar nicht aufgefallen.
 
Und was Ihren nächsten Film „Independence Day 2“ angeht…
Da werde ich Ihnen nicht verraten, ob etwas geändert wird. Dieses Zugeständnis an Terroristen sollte man nicht machen. Ich kann Ihnen sagen, dass es Szenen geben wird, die Terroristen nicht gefallen. Nämlich ein ganz normal wirkendes schwules Paar. So was ist für mich Alltag. Das muss nicht extra erklärt werden. Und ansonsten wird viel passieren, das die Kinozuschauer staunen lässt.
 
Solche Katastrophenfilme gar nicht mehr zu drehen als Zugeständnis an die Lage, in der sich die Welt derzeit befindet…
…käme mir nicht in den Sinn. Aber ich frage mich schon, welche Verantwortung wir Filmemacher tragen. Ich komme mehr und mehr zur Erkenntnis, dass Gewalt auf der Leinwand nicht gut ist. Ober besser gesagt, die Verherrlichung von Gewalt geht überhaupt nicht. Aber dann gibt es auf der anderen Seit die Videospiele. Dort wird Gewalt regelrecht gefeiert. Diesen Trend sollten wir Filmemacher nicht mitmachen.
 



Kritik
Stonewall
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