Sophie Nélisse


Das Mädchen aus „Die Bücherdiebin“: „Ich möchte so werden wie Meryl Streep“

13.03.2014
Interview:  Gunther Baumann

Den Autogramm-Parcours am roten Teppich beherrscht sie schon gut: „Bücherdiebin“ Sophie Nélisse © Centfox

Erst war sie Turnerin – mit der Aussicht, den Sprung ins kanadische Olympia-Team zu schaffen. Jetzt spielt sie eine Bücherdiebin - mit der Aussicht auf eine große Hollywood Karriere: Die 13ährige Sophie Nélisse aus Montreal ist ein bemerkenswertes Mädchen. Die schwierige Titelrolle im mitreißenden Weltkriegs-Drama „Die Bücherdiebin“, das jetzt angelaufen ist, meistert sie mit Charme, großem Mut und Humor. Manche Beobachter ziehen angesichts der bildhübschen und schlauen Kanadierin schon Vergleiche zur jungen Scarlett Johansson. Im FilmClicks-Interview beweist das Teenie-Talent schlagfertigen Witz und äußert ein großes Ziel: „Ich würde gern so werden wie Meryl Streep!“ 

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Eindrucksvolle Leistung: Sophie Nélisse als Titelfigur Liesel in „Die Bücherdiebin“ © Centfox

FilmClicks: Es heißt, du hättest wegen der Hauptrolle in „Die Bücherdiebin“ deine Karriere als Leistungssportlerin aufgegeben. War das eine schwere Entscheidung?

Sophie Nélisse: Irgendwie schon. Aber ich hatte schon seit drei Jahren Probleme mit meinen Fußgelenken  - also war ich mir eh nicht sicher, ob ich all diese Opfer und die Schmerzen weiter auf mich nehmen sollte, nur um dann vielleicht bei Olympia anzutreten.  Außerdem macht das Schauspielen viel Spaß, es ist viel entspannter und stressfreier als der Sport. Und es schadet offensichtlich dem Körper nicht so sehr.
 
Wie hat Deine Filmkarriere begonnen?
Ich habe mich mit acht Jahren bei einer Agentur angemeldet. Nicht, weil ich damals Schauspielerin werden wollte – mein Ziel war es, Geld zu verdienen, um meinen Turnunterricht zu bezahlen.  Mein Bruder wollte Schauspieler werden, aber er hat sich bei Auditions nie durchgesetzt. Ich hingegen bekam nach einem Jahr eine Rolle in „Monsieur Lazhar“, einem Film, der 2012 für den Oscar nominiert wurde. Der Dreh hat richtig Spaß gemacht – und jetzt bin ich hier!
 
In „Die Bücherdiebin“ spielst du ein deutsches Mädchen während der Nazi-Diktatur Wusstest Du vor dem Dreh etwas über die deutsche Geschichte jener Zeit?
Nicht wirklich, weil dieses Thema in Kanada erst in der zehnten Klasse behandelt wird – ein bisschen zu spät, finde ich. Ich habe aber eine Großmutter, die während des Krieges in Belgien geboren wurde, und sie erzählte mir viel darüber, was damals passierte. Außerdem habe ich einige Filme zur Vorbereitung gesehen: „Schindlers Liste“, „Die Vorleserin“, „Der Junge im gestreiften Pyjama“ und „Das Leben ist schön“. In Berlin habe ich mir das Jüdische Museum angesehen, und durch all diese Eindrücke habe ich viel über meine Rolle erfahren.
 
„Die Bücherdiebin“ wurde in Berlin gedreht – hast du auch ein bisschen Deutsch gelernt?
Ja, hab‘ ich. Ich kann auf Deutsch bis zu einer Million zählen, ich kann Hallo und Wie geht’s sagen – und ich kann auf Deutsch im Restaurant bestellen: Ein kleines Schnitzel mit Pommes, bitte (lacht)!

Wächst du durch die Filmerei schneller auf als andere Kinder deines Alters?
Vielleicht. Vielleicht weiß ich mehr darüber, was auf der Welt so los ist – meine Freunde wissen zum Beispiel überhaupt nichts über den Holocaust. Ich bin nicht schlauer als die anderen, aber ich weiß über viele Dinge mehr. Außerdem gibt es Leute, die sagen, ich hätte eine alte Seele. Keine Ahnung, was das bedeuten soll.
 
Kannst du dir vorstellen, wie es Liesel, deiner Filmfigur in „Die Bücherdiebin“, während des Krieges ergangen ist?
Ich habe mir natürlich oft überlegt, wie meine Reaktionen wären, wenn ich in dieser Zeit leben würde. Keine Ahnung, ob ich es geschafft hätte, den Krieg zu überstehen.  Und ich habe darüber nachgedacht, ob ich, wie Liesels Familie im Film,  einen Juden im Keller versteckt hätte. Auf alle Fälle gilt eines: Manchmal, wenn das Leben gerade ein bisschen härter ist oder wenn ich gelangweilt bin – dann denke ich an Liesel und weiß, dass ich selber ein wirklich gutes Leben habe.
 
Fühlst du dich mit Liesel, deiner Filmfigur, verwandt?
Ich glaube, wir haben eine Menge gemeinsam. Wir lieben es beide, zu lesen, das ist eine tolle Sache. Ich habe sogar wie Liesel während des Drehs ein paar Bücher geklaut, weil ich dringend ein Geburtstagsgeschenk brauchte. Geoffrey Rush half mir dabei. Das war in einem Berliner Kaufhaus gegenüber von meinem Hotel. Ich habe drei Bücher gestohlen und bin einfach abgehauen. Allerdings habe ich eine Woche später erfahren, dass meine Mutter die Bücher eh bezahlt hat.
 
Man könnte das als Training für deine Rolle sehen…
Genau! Wenn sie mich verhaftet hätten,  dann hätte ich sagen können, sorry, aber ich musste für meinen Film üben.  Aber zurück zu Liesel und mir: Ich glaube, wir haben beide viel innere Kraft und es ist nicht leicht, uns niederzuringen.  Was ich an Liesel besonders mag: Sie ist so positiv und versucht auch in den schlimmsten Situationen, etwas Schönes zu sehen.
 
Sophie Nélisse mit Emily Watson und Geoffrey Rush © Centfox

Wie war es denn, Geoffrey Rush und Emily Watson als Film-Pflegeeltern zu haben?

Das war ein großer Spaß. Die beiden sind total verschieden.  Geoffrey ist ein bisschen so wie ich – oder ich bin ein bisschen wie er: Solange er nicht dran ist, kann er sich mit allem Möglichen befassen. Doch wenn er „Action“ hört, ist er sofort komplett in seiner Figur und spielt die Szene perfekt. Und wenn dann „Cut“ kommt, wird er wieder ganz er selbst und zeigt vielleicht einen Zaubertrick. Emily arbeitet mehr nach dem Method-Acting-Prinzip.  Sie bleibt die ganze Zeit über in ihrer Filmfigur, total konzentriert. Geoffrey ist mehr ein Clown. Es gab keinen Tag am Set, an dem ich nicht mit ihm gelacht hätte.  Aber auch Emily ist wirklich ein Sweetheart.
 
Gibt es nach „Die Bücherdiebin“ schon wieder neue Projekte für Dich?
Ich hatte jetzt einige Drehtage für den Schachfilm „Pawn Sacrifice“, in dem Tobey Maguire den Schach-Champion Bobby Fischer spielt. Aber das war eine Mini-Mini-Rolle. Ich komme nur in zwei Szenen vor, und in einer davon schlafe ich. Doch bald spiele ich die Hauptrolle in einem Film namens „The Great Gilly Hopkins“. Der Dreh beginnt Ende März in New York und meine Partnerinnen sind Kathy Bates und Glenn Close. Das wird schön.
 
Wie lassen sich all diese Filmrollen denn mit der Schule verbinden?
Ich gehe natürlich noch zur Schule, und die will ich auch nicht abbrechen, weil ich so smart wie möglich werden möchte. So wie Leonardo DiCaprio – der ist ein toller Schauspieler, und er sieht smart aus. Gut, vielleicht ist er das gar nicht, aber er wirkt smart. Ich möchte auch einmal eine Ausbildung machen, als Physiotherapeutin für Sportler. Meine Mutter ist Lehrerin, und sie gibt mir immer Unterricht, wenn ich bei einem Dreh bin.
 
Willst du als Erwachsene weiterhin Filme drehen?
Ja. Ich will eine Schauspielerin werden. Aber was passiert, wenn es damit nicht klappt? Ich will nicht auf der Straße leben. Deshalb plane ich diese Ausbildung zur Physiotherapeutin. Das ist mein Plan B.

Bist du selbst ein Film-Fan?
Oh ja. Ich mag so ziemlich alles, außer Love Storys. Die finde ich etwas enervierend. Weil stets die gleiche Geschichte erzählt wird, die Liebenden bekommen einander immer am Schluss. Ich mag die dramatischen Sachen, ausgenommen Horror.  Mein Lieblingsfilm 2013 ist der Thriller „Prisoners“ von Gilles Villeneuve mit Hugh Jackman und Jake Gyllenhaal. Der war wirklich hart. Aber stark.
 
Deine kleine Schwester Isabelle Nélisse ist ja schon Schauspielerin.
Ja, sie spielte eine Rolle im Horrorfilm „Mama“ mit Jessica Chastain. Nur mein Bruder, der so gern Schauspieler werden würde, hat es nie vor die Kamera geschafft.  Aber er ist Sänger und Gitarrist, und er schreibt seine eigenen Songs. Die sind richtig gut. Manchmal ist er eifersüchtig, weil Isabelle und ich mehr Geld haben als er und weil er richtig arbeiten muss. Aber ich kaufe ihm schöne Geschenke. Also kann er sich nicht beschweren.
 
Was sagen deine Freunde und Freundinnen zu deiner Karriere?
Das kommt darauf an. Meine besten Freunde freuen sich einfach mit mir. Da hat sich nichts an den Beziehungen geändert, auch wenn ich jetzt populär geworden bin. Es gab aber auch ein Mädchen in meiner Schule, die hat begonnen, mich richtig zu stalken. Es ist jedoch angenehm, in Montreal zu leben, weil man dort in Ruhe gelassen wird. Auch Berlin, wo wir „Die Bücherdiebin“ gedreht haben, ist super. Ich möchte nicht in Hollywood leben, wo man immer von Fotografen beobachtet wird. 
 
Hast du Vorbilder unter den Schauspielerinnen?
Ich würde gern so werden wie Meryl Streep. Sie spielt sehr, sehr gut, und sie hat so ein breites Spektrum an Rollen. Das ist toll. Sie ist mein Vorbild unter den Frauen, und bei den Boys wäre ich gern wie Jake Gyllenhaal. Der ist richtig gut. Ich mag auch Johnny Depp und Leonardo DiCaprio,
 
Und was hältst du von Scarlett Johansson? Die nahm auch schon als Kind Anlauf zu einer großen Karriere.
Yeah, die ist gut. Sie ist sehr schön. Mein Vater hätte gern, dass ich mal mit ihr spiele. Hat er gesagt. Meine Mom will, dass ich mit Matt Damon drehe, mein Vater will Scarlett. Er sagte, wenn du mit  ihr drehst, dann komme ich mit zum Set. Sie ist eine tolle Schauspielerin, aber ich glaube, Meryl Streep ist besser.
 
Siehst du dich gern selbst auf der großen Leinwand?
Nein. Das hasse ich. Ich habe immer das Gefühl, total schlecht zu sein, und ich denke dann darüber nach, warum ich dies oder das getan habe. Ich habe, glaube ich, noch nie eine Szene gespielt, in der ich mich wirklich mag. 





Kritik
Die Bücherdiebin
„Die Bücherdiebin“ ist die berührende Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers  des australischen Autors Markus Zusak. Der Film schildert aus der Sicht eines Mädchens (großartig: Sophie Nélisse) die Schrecken des deutschen Alltags während Nazi-Diktatur und Weltkrieg. Und die kleinen Fluchten vor der ewigen Angst. Mehr...