Der verlorene Sohn

Heterosexuell auf Kommando


FilmClicks:
Jared Eamons (Lucas Hedges) mit seinen Eltern (Russell Crowe und Nicole Kidman) © Universal

GESAMTEINDRUCK: „Der verlorene Sohn“ ist ein überzeugend gespieltes, berührendes Realdrama um einen schwulen Teenager, das den Zuschauer ziemlich fassungslos zurücklässt.
 
DIE STORY: Der Film erzählt die wahre Geschichte von Garrard Conley, der von seinen streng christlichen Eltern in eine Art Umerziehungscamp geschickt wird, um ihn von seiner Homosexualität zu „heilen“. Doch der Schuss geht nach hinten los: Jared Eamons (Lucas Hedges), wie der Teenager im Film heißt, lässt die absurden Methoden anfangs zwar über sich ergehen, beginnt aber schnell zu rebellieren. Seine Eltern (Nicole Kidman und Russell Crowe) reagieren darauf höchst unterschiedlich.

 
Jared (Lucas Hedges, re.) steht auf Jungs - nicht auf Mädchen © Universal

DIE STARS: Hauptdarsteller Lucas Hedges war 2016 mit „Manchester by the Sea“ für den Oscar nominiert. Mit „Der verlorene Sohn“ schaffte er es auf die Golden Globe-Liste. Der Sohn von Regisseur Peter Hedges und Schauspielerin Susan Bruce hat ein Händchen für preisverdächtige Filme: 2017 spielte er den Freund von Saoirse Ronan in „Lady Bird“  und den Bruder des Mordopfers in „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“.
Die Namen seiner Film-Eltern sprechen für sich: Nicole Kidman, die von der gutgläubigen Ehefrau zur aufmüpfigen Kämpferin mutiert, kann einen Oscar („The Hours“) und vier Golden Globes vorweisen. Russell Crowe – als fundamentalistischer Baptisten-Prediger – reihte sich mit „Gladiator“ in die Riege der Oscar-Besitzer ein.
Joel Edgerton („The Gift“) ist  in „Der verlorene Sohn“ Regisseur und Therapeut zugleich.

Joel Edgerton spielt den Therapeuten und führt Regie © Universal

DIE KRITIK: Sporttraining, um das Testosteron zu steigern, Stammbäume, in denen die „Fehltritte“ der nächsten Angehörigen von Alkoholsucht bis hin zu gleichgeschlechtlichem Sex aufgelistet werden und Prügel für „sündige Gedanken“: Man kann nur den Kopf darüber schütteln, mit welch grotesken und  menschenverachtenden Methoden christlich-fundamentalistische Gruppierungen bis heute versuchen, schwule und lesbische Jugendliche zurück auf den Pfad der (biblischen) Tugend zu bringen. Schätzungen zufolge sollen in den USA bis zu 700.000 betroffen sein. So auch Garrard Conley, der seine Erinnerungen ans Umerziehungscamp im Buch „Boy Erased“ verarbeitete.
Im Film, deutscher Titel „Der verlorene Sohn“, wurde aus Garrad ein Jared (Lucas Hedges) und seine Eltern sind Russell Crowe und Nicole Kidman. Ansonsten folgt die Kinofassung recht präzise der Vorlage.
Die Geschichte startet an Jareds erstem Tag in der Konversationstherapie, in die ihn sein erzkonservativer Prediger-Vater nach dem Outing gesteckt hat. Gewillt, sich ihm zuliebe „heilen“ zu lassen, macht Jared vorerst alles mit: Er gibt sein Handy und sein Notizbuch mit selbstgeschriebenen Geschichten ab, darf nur noch unter Aufsicht zur Toilette gehen. Der Programmleiter bläut den Jugendlichen ein, Schwulsein könne man mit Willenstärke abtrainieren.
Während Jared in Gehirnwäsche-Sitzungen seine Zuneige zu Männern beichtet, erfährt der Zuschauer mehr aus seinem Leben: Die behütete Kindheit in der Baptisten-Gemeinde, die erste (und einzige) Freundin, die Erkenntnis an der Uni, dass er schwul ist, eine Vergewaltigung im Studentenzimmer. Als Jared sich outet, fällt die Welt seiner Eltern zusammen wie ein Kartenhaus.
Der Film begleitet ihn  durch zwölf Tage „Therapie“ und macht an vielen Stellen schlicht fassungslos. Negativer Höhepunkt ist eine Szene, in der das Begräbnis eines Teenagers simuliert wird. Er konnte nicht glaubhaft versichern, nicht mehr schwul zu sein. Am nächsten Tag begeht er Selbstmord. 
„Der verlorene Sohn“  hätte das Potential zum skandalösen Psychodrama gehabt, das seinen Hauptdarsteller zwei Stunden durch die Hölle schickt und sein Umfeld zu gewissenlosen Sadisten abstempelt. Doch Regisseur (und Camp-Therapeut) Joel Edgerton macht genau das Gegenteil: Er lässt die Geschichte, die ohnehin schon genug an die Nieren geht, einfach für sich sprechen. Und porträtiert Jareds Eltern nicht etwa als Menschenfeinde, sondern als zwei simpel gestrickte Südstaaten-Amerikaner, die in ihrem eigenen starren Weltbild gefangen sind.
Beeindruckend ist vor allem die Wandlung von Jareds Mutter, die sich plötzlich gegen ihren eigenen Mann stellt. Lucas Hedges spielt Jared so überzeugend, dass man ihm seine emotionale Achterbahnfahrt zwischen der Liebe zu Männern und seinen Eltern an jeder Stelle abnimmt. Und sich mit ihm mitfreut, wenn er es Schritt für Schritt schafft, aus dem Gehirnwäsche-Camp auszubrechen.

IDEAL FÜR: Fans von emotionalen Dramen, dem Hauptdarsteller-Trio und der Buchvorlage.






Trailer
LÄNGE: 116 min
PRODUKTION: Australien / USA 2018
KINOSTART Ö: 21.02.2019
REGIE:  Joel Edgerton
GENRE: Drama
ALTERSFREIGABE: ab 14


BESETZUNG
Lucas Hedges: Jared Eamons
Nicole Kidman: Nancy Eamons
Russell Crowe: Marshall Eamons
Joel Edgerton: Victor Sykes
Xavier Dolan: Jon