Viennale 2019: Die Bilanz

„Eine Familie, die ständig wächst“

06.11.2019
von  Gunther Baumann
Viennale-Direktorin Eva Sangiorgi freute sich über den Zustrom von 92.100 BesucherInnen © Viennale/Pelekanos
„Ich habe das Gefühl, dass die Viennale eine Familie ist, die ständig wächst“, sagte Eva Sangiorgi, die Direktorin. Die 57. Ausgabe des Wiener Filmfestivals ging am 6. November mit der Verleihung der Preise und einer Gala-Vorstellung der Jack-London-Verfilmung „Martin Eden“ zu Ende. Mit 92.100 BesucherInnen wurden zwar geringfügig weniger Filmfreunde gezählt als 2018 (damals kamen 93.200), allerdings gab es heuer einen Spieltag weniger als im Vorjahr. Mehr als 50 internationale Medien waren bei der Viennale akkreditiert. 180 RegisseurInnen und SchauspielerInnen begleiteten persönlich die Premieren ihrer Filme. FilmClicks präsentiert die Gewinner der Viennale-Preise.
„Space Dogs“ von Elsa Kremser & Levin Peter © Viennale

Wiener Filmpreis – Bester österreichischer Film

„Space Dogs“ von Elsa Kremser & Levin Peter (Österreich / Deutschland 2019)
Jury-Begründung: „,Space Dogs‘ erzählt von Laika, der ersten Hündin im Weltraum, von ihrer brutalen Erziehung und ihrem einsamen Tod im Dienst der Sowjet-Propaganda. Dafür nimmt der Film die Position von Hunden ein und blickt mit ihren Augen auf die seltsame Menschenwelt. Es geht also nicht um eine Menschenwelt mit Hunden, sondern um eine Hundewelt, in der es zufälligerweise auch noch ein paar Menschen gibt. Dieser Film ist voll von Erfahrungen, die man so noch nicht gemacht hat und voll von Bildern, die man so noch nie gesehen hat. Er ist brutal, komisch, poetisch, erschreckend, überraschend. Es ist kein Dokumentarfilm, obwohl er von der Wirklichkeit erzählt, es ist kein Spielfilm, obwohl wir den Hunden in die Seele schauen können. Dieser Film erfindet seine eigene Form.“

„Bewegungen eines nahen Bergs“ von Sebastian Brameshuber © Diagonale

Wiener Filmpreis – Spezialpreis der Jury

„Bewegungen eines nahen Bergs“ von Sebastian Brameshuber  (Österreich / Frankreich 2019)
Jury-Begründung: „Eine afrikanische Parallel-Wirtschaft in der Steiermark, von der auch ungarische und einheimische Interessenten profitieren. Das ungarische KFZ–Händlerpaar beneidet Cliff, den nigerianischen Mechaniker, der bald seine nach Afrika geschickten Autoteile dort verkaufen wird: „In December in Africa - just sun? No jacket? That’s good!“ Ein ruhiger, poetischer, berührender Film, der mehr Fragen aufwirft, als er beantwortet, der nicht vorher weiß, was er finden wird.“
 
„Dylda“ von Kantemir Balagov © Viennale

Standard-Viennale-Publikumspreis

(Preis der Standard-Leserjury für einen Film, der in Österreich noch keinen Verleih hat. Findet der Film einen Verleih, ist der Kinostart mit kostenlosem Anzeigenraum in der Zeitung „Der Standard“ verbunden)
„Dylda“ von Kantemir Balagov (Russland 2019)
Jury-Begründung: „Emotional bewegend und in kräftigen Farben erzählt Kantemir Balagov die Geschichte zweier junger Frauen, die aus dem Zweiten Weltkrieg zurückkehren und in einem Lazarett in Leningrad Kriegsversehrte versorgen. Er bricht dabei immer wieder mit Erwartungshaltungen und stellt Momente der Heiterkeit schonungslos dem bitteren Ernst des Lebens im Lazarett gegenüber. Der Film nimmt eine radikal subjektive und vor allem weibliche Perspektive ein, um die zerstörerischen Folgen des Krieges zu zeigen, aber auch die Kraft, die aus der Auflehnung gegen die vergangenen, bis in die Gegenwart reichenden Schrecken entspringt.“

„Space Dogs“ von Elsa Kremser & Levin Peter © Viennale

MehrWert-Filmpreise der Erste Bank
(Zweimonatiger Aufenthalt in New York verbunden mit einer Präsentation der Arbeiten der Preisträger in New York)
„Space Dogs“ von Elsa Kremser & Levin Peter (Österreich / Deutschland 2019)
Jury-Begründung: „Eine Art Sinfonie der Stadt, in der diese durch die Augen ihrer tierischen Bewohner anders und fremd erscheint. ,Space Dogs‘ ist ein tiefgreifender und unsentimentaler Film über Tiere, der sowohl Cinéma-vérité-Elemente als auch Science-Fiction-Fabulismus enthält.“

„L’Avenir? De F.V.G.?“ von Friedl vom Gröller © Viennale

„L’Avenir? De F.V.G.?“ von Friedl vom Gröller (Österreich / Frankeich 2018)
Jury-Begründung: „Der Kurzfilm der produktiven Friedl vom Gröller ist ein Werk, dessen Knappheit und Verspieltheit über den erstaunlichen Ideen- und Beziehungsreichtum und die formale Weite hinausreicht. Ein Porträt von zwei Personen – einer gehörlosen Frau und ihrer senegalesischen Freundin – und zwei Formen nicht gesprochener Sprache, die sich grundlegend voneinander unterscheiden und für die meisten Zuschauer vermutlich unverständlich sind: Gebärdensprache und das Wahrsagen mit Kaurimuscheln.“
 
„Giraffe“ von Anna Sofie Hartmann © Viennale

FIPRESCI-Preis der internationalen Filmkritik
„Giraffe“ von Anna Sofie Hartmann (Deutschland / Dänemark 2019)
Jury-Begründung: „Der Preis geht an einen Film, der auf sublime Weise von persönlicher und alltäglicher Geschichte erzählt. Durch eine Liebesgeschichte zwischen Ost und West, der Reiferen und dem Heranreifenden, verknüpft er geschickt – und so lebensnah, wie es nur geht – verschiedene Zeiten: die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Dies erfolgt durch zwei mächtige und gegensätzliche Metaphern menschlicher Fähigkeiten und natürlicher Schönheit – einen Tunnel und eine Giraffe.“