Viennale 2017

Ein letztes Adieu für Hans Hurch

03.11.2017
von  Gunther Baumann
Der Viennale-Palast: Die Abschlussgala des Wiener Filmfests fand natürlich im Gartenbau-Kino statt © Viennale
Manche Besucher hatten Tränen in den Augen. Abschlussgala der Viennale am 2. November: Das Publikum nahm mit stehenden Ovationen ein letztes Mal Abschied vom im Juli verstorbenen Hans Hurch, der das Wiener Filmfest 20 Jahre lang geprägt hatte.

Hans Hurch: Sein überraschender Tod im Juli riss eine große Lücke © Viennale

Ab sofort werden in der Internationalen Ausschreibung Bewerbungen für die künftige Leitung der Viennale angenommen. Geschäftsführerin Eva Rotter und der interimistische Direktor Franz Schwartz blickten bei der Gala aber noch einmal zurück auf die Hurch-Ära, in der die Viennale zu einem der bedeutendsten europäischen Filmfestivals aufstieg. Zur Viennale 2017, die weitgehend von Hans Hurch programmiert worden war, kamen 91.700 Besucher. Die Auslastung stieg von 82,3 auf 82,6 Prozent. Beim Viennale-Finale am 2. November wurden wie immer die Preise vergeben. FilmClicks präsentiert die komplette Gewinnerliste.

Wiener Filmpreis
(Geld- und Sachpreise im Gesamtwert von je 11.000 Euro)
Spielfilm: „Die Liebhaberin“ von Lukas Valenta Rinner (Österreich / Argentinien 2016)
Jury-Begründung: „In bildstarken, fast surrealen Kameraeinstellungen finden wir den Entwurf zweier konträrer Gesellschaftsmodelle. Die reiche Gated Community von Buenos Aires lebt in unmittelbarer und unversöhnlicher Nähe einer Gemeinschaft, die sich der freien Liebe und Freikörperkultur verschrieben hat. Lakonisch und mit filmisch drastischen Mitteln erzählt Lukas Valenta Rinner von der Unmöglichkeit, diese unterschiedlichen Ideologien zu überwinden. ,Die Liebhaberin‘ beeindruckt als Parabel unserer heutigen fundamentalen Differenzen genauso wie als mutiger cineastischer Schritt.“

„Untitled“: Monika Willi komponierte aus dem Bildmaterial von Michael Glawogger einen Film © Filmladen

Dokumentation: „Untitled“ von Michael Glawogger & Monika Willi  (Österreich / Deutschland 2017)
Jury-Begründung: „Vor drei Jahren ist der Filmemacher Michael Glawogger auf eine Reise aufgebrochen, von der er nicht zurückkam. Er wollte einen ,Film ohne Namen‘ drehen, es war sein Lebensprojekt, ein lang gehegter Traum. Mona Willi ist es zu verdanken, dass das Material, das bis zu seinem Tod in Liberia entstanden ist, in seinem Sinn zu einer eindringlichen cineastischen Reise montiert wurde. Entstanden ist ein flirrendes, bildgewaltiges Porträt der Welt samt ihren menschlichen Abgründen und Schönheiten – ohne Handlung, ohne Wertung, dafür stets in Bewegung. Mit ,Untitled‘ setzt Mona Willi die Reise (Glawoggers) fort, ohne ihn, und doch mit ihm, und mit einem Ende, das offen bleibt.“
 
„The Insult“: Eine packende und absurde Polit-Farce aus dem Libanon © Viennale

Standard-Viennale-Publikumspreis

(Preis für einen Film, der in Österreich noch keinen Verleih hat. Findet der Film einen Verleih, ist der Kinostart mit kostenlosem Anzeigenraum in der Tageszeitung „Der Standard“ verbunden)
„The Insult“ von Ziad Doueiri (Libanon / Frankreich 2017)
Jury-Begründung: „Der Preis geht an einen vielschichtigen Film, der es schafft, Komödie, Historiendrama und Politthriller in einzigartiger Weise zu verschmelzen, ohne dabei den Bezug zu einer emotional aufgeladenen globalen Gegenwart zu verbergen. In einer Zeit, in der sich politische Konflikte überall auf der Welt zuzuspitzen scheinen, wird der Film zum Plädoyer für mehr Miteinander, mehr Empathie und mehr Verständnis.“

„Gwendolyn“: Die Grenzen zwischen Doku und Spielfilm verschwinden © Viennale

Mehr-Wert-Filmpreis der Erste Bank
(Ein Aufenthalt in New York. Werkpräsentation in New York. Unterbringung, Reisekosten und finanzieller Zuschuss)
 „Gwendolyn“ von Ruth Kaaserer (Österreich 2017)
Jury-Begründung: „In einem bestechend klaren dramaturgischen Aufbau entwickelt sich die Geschichte einer außergewöhnlichen und starken Frau, die uns Schritt für Schritt nähergebracht wird. Es gelingt der Regisseurin, die Grenzen zwischen Dokumentation und Spielfilm verschwinden zu lassen. Ein feinsinniger Film, der zum Leben verführt.“

„Distant Constellation“: Eine Dokumentation über die Zeit © Viennale

FIPRESCI-Preis der Internationalen Filmkritik
„Distant Constellation“ von Shevaun Mizrahi (USA / Türkei 2017)
Jury-Begründung: „Der Preis der internationalen Filmkritik geht an den Dokumentarfilm ,Distant Constellation‘ für die Art und Weise, in der er den Begriff Zeit auf einer konkreten sowie einer metaphorischen Ebene erkundet und ein Altersheim in Istanbul als Mikrokosmos des 30. Jahrhunderts beleuchtet.“