Filmfest Venedig

Ein Weltraum-Spaziergang mit George Clooney und Sandra Bullock

28.08.2013
von  Gunther Baumann
"Gravity": Da ist die Welt noch in Ordnung. Sandra Bullock & George Clooney schrauben am Shuttle © Warner Bros.
So abgehoben sah man George Clooney und Sandra Bullock im Kino noch nie. Im Science-Fiction-Drama „Gravity“ spielen die Stars zwei Astronauten, die bei einem Weltraum-Spaziergang in eine fast aussichtslose Situation geraten. Das atemraubende Drama  von Regisseur Alfonso Cuarón bescherte dem Filmfest Venedig am 28. August eine prächtige Eröffnungsgala. Zum Lido kamen die Kino-Astronauten ganz konventionell: Sie tuckerten, wie es sich in Venedig gehört, mit dem Boot dem Filmpalast entgegen.
George & der Lido. Seine Freundinnen mögen wechseln. Doch in einer Partnerschaft hat George Clooney ewige Treue geschworen: In jener zum Filmfest Venedig. In den letzten Jahren sah man ihn am Lido als Anwalt („Michael Clayton“), als durchgeknallten Militär („Männer, die auf Ziegen starren“) und als Präsidentschaftskandidat („Die Iden des März“). Und jetzt zeigt er sich in einer Rolle, in der er keinen Fuß auf die Erde zu bekommen scheint. Als Astronaut in großer Not.
 
Zum Clooney-Ritual in Venedig gehören neben den Auftritten mit verzückten Fans am Roten Teppich auch die Pressekonferenzen, in denen der Star stets hart gefordert wird. Mal wird er gebeten, die Weltlage zu erklären („George, soll Präsident Obama den Befehl zum Angriff auf Syrien geben?“), mal muss er sich den Avancen liebesdurstiger JournalistInnen erwehren. Heuer kam die amouröse Attacke, ausgesprochen unter dem höchst möglichen Peinlichkeitsfaktor, von einem Mann. Clooney konterte gewohnt knapp und elegant.

Sandra Bullock und George Clooney bei der Anfahrt zum Lido © Starpix/Tuma

Mein Gott! Dabei hat Hollywoods Schönster doch wirklich viel wirklich Interessantes zu erzählen! Hätten Sie gewusst, dass er an einem Satelliten beteiligt ist? „Wir haben einen Satelliten, der das Gebiet des Süd-Sudan beobachtet. Dort kommt es immer wieder zu schrecklichen Gewalttaten. Deshalb wollen wir die Gegend etwas beleuchten.“ Den umkämpften Sudan kennt der Menschenrechts-Aktivist Clooney auch am Boden. Schon mal in brenzlichen Situationen gewesen? Aber ja doch: „Ich bemühe mich in solchen Momenten, Ruhe und Gelassenheit auszustrahlen, um nicht wie ein heulendes Kind wirken“.
 
Weltraumschrott. Ruhe und Gelassenheit kann Mr. Clooney auch in seinem neuen Film „Gravity“ gut gebrauchen, obwohl er in eine verzweifelte Lage gerät. Er spielt den Astronauten-Veteran Matt Kowalsky, der gemeinsam mit seiner Kollegin Dr. Ryan Stone (Sandra Bullock) bei einem Routine-Einsatz außen am Space Shuttle herumschraubt. Doch dann gerät das Shuttle in eine mächtige Wolke aus Weltraumschrott – und es geht kaputt. Kowalsky & Stone schweben im Sinne des Wortes in Lebensgefahr. Den wunderschönen Planeten Erde nahe vor Augen, drohen sie in die Finsternis des Alls wegzudriften.
 
„Der Weltraum dient uns als Metapher für ein extrem feindliches Umfeld“, sagt der mexikanische Meister-Regisseur Alfonso Cuarón, dessen Repertoire von „Harry Potter“ bis zum Drama „Children of Men“ reicht. „Die Zuschauer sollen sich mit den Filmfiguren identifizieren und deren Situation mit schwierigen Situationen vergleichen, denen sie selbst gegenüber gestanden sind.“ Der Film hat auch eine gewisse spirituelle Note. Cuarón: „Wir sprechen das Thema Wiedergeburt an. Ein Teil davon ist es, den Tod zu akzeptieren.“
 
Für die Darsteller hatte das Zwei-Personen-Kammerspiel im All ganz prosaische Aufgaben parat. George Clooney: „Wir mussten uns sehr langsam bewegen, aber sehr schnell sprechen. Das war die vertrackteste Sache, die ich je gemacht habe.“ Sandra Bullock: „Dieser Dreh war die verrückteste und bizarrste Herausforderung, die ich je erlebt habe.“

"Gravity": Sandra Bullock sucht in der Raumstation den Weg nach Hause © Warner Bros.

Operation gelungen: Der 3D-Film mit seinen schwerelos schwebenden oder taumelnden Darstellern bietet ganz großes Kino voller Hochspannung, Angst und gescheiter Hintergründigkeit. Ein perfekter Eröffnungsfilm fürs Festival also – und ein potenzieller Publikumshit, der schon am 4. Oktober bei uns im Kino anläuft.
 
Wettbewerb. Das Filmfest am Lido sucht nach dem räumlich entrückten Start jetzt wieder viel Bodennähe. In dem mit großen Namen gespickten Wettbewerb um den Goldenen Löwen werden in den nächsten Tagen Stars wie Matt Damon & Christoph Waltz („The Zero Theorem“ von Terry Gilliam), Scarlett Johansson („Under The Skin“ von Jonathan Glazer), Nicolas Cage („Joe“ von David Gordon Green) oder Judi Dench („Philomena“ von Stephen Frears) zu sehen sein.