Michael Haneke

Neues Buch und starke Sprüche

11.06.2013
Buchpräsentation in Wien: Filmmuseum-Direktor Alexander Horwath mit Michael Haneke © Filmmus./Maierhofer
Oscar-Gewinner Michael Haneke gibt in einem neuen Buch Auskunft über sein Leben und seine Filme: Für Haneke über Haneke" ließ er sich von den französischen Journalisten Michel Cieutat und Philippe Rouyer befragen. Bei der Buchpräsentation in Wien erwies sich Haneke am Montag als pointierter Redner.
Francois Truffauts Filmliteratur-Klassiker „Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?" steht dem neuen neuen Buch über Michael Haneke Pate.  Die Autoren, zwei führende Filmjournalisten aus Frankreich, stellten Haneke Fragen - und sie veröffentlichten die Gespräche als Dialog.

Jeder einzelne Film des Wieners, vom Fernsehspiel „Und was kommt danach" (1974) bis zum Oscar-Sieger „Liebe" (2012) kommt im Buch ausführlich vor. Darüber hinaus entlockten die Autoren Michel Cieutat und Philippe Rouyer ihrem Gesprächspartner auch viele unbekannte Details über sein Privatleben: „Die beiden wussten Dinge über mich, die ich schon längst vergessen hatte", sagt Haneke. „Da ließ ich mich dazu hinreißen, mehr über mich zu erzählen, als ich eigentlich vorhatte."

Neu im Buchhandel: „Haneke über Haneke" © Alexander-Verlag


Am Montagabend fand im ausverkauften Österreichischen Filmmuseum in Wien die Buchpräsentation von „Haneke über Haneke" (Alexander-Verlag, 416 Seiten, 38 Euro) statt. Im Gespräch mit Filmmuseum-Direktor Alexander Horwath berichtete Haneke mit viel Witz über die Entstehungsgeschichte des Buches und über seine Arbeit. Wir haben die wichtigsten Zitate zusammengestellt.

Michale Haneke über:
…den Zusammenhang zwischen künstlerischem Werk und Künstler-Biografie:
Ich bin der Meinung, dass der Blick auf die persönlichen familiären Verhältnisse eines Künstlers ein Werk eher verdeckt. Mir ist es lieber, wenn ich mich mit dem Werk von jemandem auseinandersetze, und nicht mit seiner Biografie.  Denn letzteres kann in die Richtung gehen, dieser oder jener habe eine schreckliche Kindheit gehabt, und deswegen schreibe er jetzt so fürchterliche Sachen. So etwas ist natürlich eine Möglichkeit, sich einem Werk zu entziehen, das vielleicht nicht angenehm ist. Deswegen versuche ich es meistens, zu vermeiden, private Sachen zu sagen. Aber im Buch „Haneke über Haneke“ hat es sich nicht ganz vermeiden lasse, denn meine Interviewer waren relativ hartnäckig, die Burschen, und es ist auch, glaube ich, ganz lustig geworden.
 
…die Unterschiede der Rezeption seiner Filme in Frankreich und im deutschsprachigen Raum:
Frankreich ist für Filmemacher das Paradies. In der öffentlichen Meinung gilt der Film genauso viel wie die Musik, die Literatur oder was auch immer. Bei uns ist das einfach nicht der Fall. Wenn in Frankreich ein Politiker Geld gibt für den Film, kann er sich beliebt machen. Auch das ist bei uns nicht der Fall. Durch diesen Unterschied gibt es in Frankreich mehr Veröffentlichungen und auch mehr Geld: Frankreich produziert im Jahr mehr als 200 Filme, das ist unglaublich für ein Land dieser Größe. Es ist deshalb auch kein Zufall, dass viele internationale Filmemacher dort Zuflucht suchen. Sei es jetzt aus politischen Gründen, wie bei Filmemachern aus dem Iran, oder aus künstlerischen Gründen, weil die Regisseure wissen, dort bekommen sie für anspruchsvolle Produktionen mehr Geld als anderswo. Hinzu kommt: Der Publikums-Enthusiasmus ist in Frankreich breiter als bei uns, wo es gewiss auch Enthusiasten gibt, aber ihre Zahl ist sehr gering. In Frankreich stehen die Leute Schlange vor dem Kino. Das tun sie bei uns leider nicht.
 
…sein Verhältnis zur Filmkritik:
Die wichtigen Zeitungen lese ich. Das muss man. Wenn etwa ein Film in Cannes startet, kann man gewiss sein, dass jeder Regisseur am nächsten Morgen die wichtigsten Blätter durchschaut, um zu erfahren, ob der Film ankommt oder nicht.  Das weiß man ja vorher nicht. Man hat als Regisseur zwei jungfräuliche Momente.  Der erste ist die Premiere, wo man sieht, wie das Publikum reagiert, und der zweite ist das Erscheinen der Kritiken.  Kein Regisseur kann mir erzählen, dass ihn das nicht interessieren würde.  
 


…die Qual, die eigenen alten Filme anzuschauen:
Ich schaue mir ungern meine eigenen alten Filme an, denn wie jeder Regisseur sehe ich dann nur die Fehler. Was mir alles nicht gelungen ist. Wenn ich jetzt so einen Film sehe, dann geht das zehn Minuten, und dann passiert’s und ich denke, um Gottes Willen… Ich kenne keinen Regisseur – außer, er wäre ein Vollidiot -, der sich seine Filme mit Vergnügen anschauen kann, da muss man schon ziemlich dämlich sein. Man sieht nur die Fehler – so wie im Theater oder in der Oper, wo man drinsitzt und sich fragt, was geht heute wieder schief. Man hat ja den professionellen Blick. Meine Frau hält es nicht aus, mit mir fernzusehen.  Sie schaut sich irgendeinen Film an, und kaum setze ich mich dazu, sage ich, schau dir den Schnitt an, das ist ja grauenhaft! Ich verderbe ihr völlig die Laune. Das ist eine Berufskrankheit.

…die Entstehung des Buches „Haneke über Haneke“:
Es war ein mühsamer Prozess. Wir haben das auf Französisch gemacht, und mein Französisch ist ganz gut, aber nicht perfekt. Dadurch ergibt sich eine ganze Reihe von Missverständnissen, aber die gibt es in der eigenen Sprache ja auch. Die Autoren haben mir dann das 400-Seiten-Manuskript geschickt, und das musste ich lesen. Natürlich musste ich sehr genau lesen und anstreichen, was meiner Meinung falsch verstanden wurde. Das ging mehrmals hin und her, die Autoren haben das Manuskript redigiert, und dann habe ich es wieder redigiert. In der französischen Ausgabe begegnet man einem stilisierten Haneke, denn ich spreche nicht so perfekt Französisch, wie es dort zu lesen ist.  Also musste der Text für die deutsche Ausgabe in eine Sprache gebracht werden, die mir zumindest irgendwo ähneln soll, und das war doppelt mühsam. (Lacht) Meinen Wiener Neustädter Dialekt finde ich im Buch natürlich nicht wieder, und den würden die deutschen Leser vermutlich auch nicht verstehen. Es war viel Arbeit, aber es ist, glaube ich, dafür gestanden: Was tut man nicht alles für den eigenen Ruhm!
 
Aufgezeichnet von Gunther Baumann