Filmfest Venedig 2021

„The Last Duel“: Matt Damon, Ben Affleck und Ridley Scott im Mittelalter

10.09.2021
von  Peter Beddies
Matt Damon als französischer Ritter im Mittelalter-Drama „The Last Duel“ (Regie: Ridley Scott) © Disney
Matt Damon und Ben Affleck, die 1998 für „Good Will Hunting“ gemeinsam den Drehbuch-Oscar gewannen, sind als Autoren wieder vereint. Zusammen mit Nicole Holofcener schrieben sie das Script zum Mittelalter-Drama „The Last Duel“, das jetzt beim Filmfest Venedig begeistert aufgenommen wurde. Regie-Altmeister Ridley Scott präsentiert sich in Hochform. Matt Damon spielt in dem Film, der ab 14. Oktober im Kino läuft, eine Hauptrolle. Ben Affleck ist in einem kleineren, aber wichtigen  Part zu sehen.
The Last Duel
Genre: Mittelalter-Drama
Regie: Ridley Scott
Stars: Matt Damon, Adam Driver, Jodie Comer, Ben Affleck
Venedig-Premiere:  Außerhalb des Wettbewerbs
 
Ein Vorgang – mehrere Sichtweisen. Beliebtes Motiv in der Kinogeschichte. Der legendäre Akira Kurosawa hat es 1950 in „Rashomon“ zum Prinzip seines Filmes gemacht. Vor Gericht wurde in vier Versionen berichtet, was vorgefallen sein könnte. Viele andere Filmemacher – unter ihnen Quentin Tarantino – haben dies aufgegriffen. Und nun setzt Ridley Scott in „The Last Duel“ auf diese faszinierende Erzählweise.
 
Der Film bedient sich einer Legende (andere Quellen sprechen von einer historisch gesicherten Geschichte), die sich Ende des 14. Jahrhunderts in Frankreich zugetragen haben soll. Damals fand dort zum letzten Mal ein Duell im Rahmen eines sogenannten Gottesurteils statt. Zwei Männer in einer Arena. Der Verlierer wird tot an einen Galgen gehängt. Der Gewinner darf für sich in Anspruch nehmen, dass seine Geschichte stimmt. Mit diesem Duell beginnt „The Last Duel“. Zwei mit Lanzen bewaffnete Ritter preschen aufeinander los. Die Lanzen brechen – Schnitt.
 
Ridley Scott geht nun mehrere Monate zurück. Und berichtet davon, was zu dieser tödlichen Auseinandersetzung geführt hat. Der Film – zwar sehr unterhaltsam, aber mit 152 Minuten auch ein wenig lang geraten – ist in drei Kapitel unterteilt. Überschrieben mit „Die Wahrheit nach…“. Drei Personen schildern ihre Wahrnehmungen. Da ist zum einen Jean de Carrouges (Matt Damon), der zeitlebens darum kämpfen musste, einen Stand bei den Mächtigen seiner Zeit zu bekommen. Jacques Le Gris (Adam Driver) hingegen ist ein Lebemann, dem alles zuzufallen scheint. Und zwischen den Männern Marguerite de Thibouville (Jodie Comer), für ihre Zeit viel zu schlau und zu belesen, die an Jean des Carrouges verheiratet wird.

Sie setzt die Ereignisse in Gang: Jodie Comer als Marguerite de Thibouville © Disney

Der Konflikt beginnt damit, dass Jean de Carrouges nach Monaten der Abwesenheit nach Hause zurückkehrt und von seiner Gattin informiert wird, dass sie, als sie allein auf der Burg war, Besuch von Jacques Le Gris bekam, der sie vergewaltigt hat. Stimmt diese Geschichte oder stimmt sie nicht? Man kann natürlich im Internet nachlesen, was die digitalen Geschichtsbücher sagen. Aber viel spannender ist es, sich auf die Fährten einzulassen, die Ridley Scott hier legt. Oder besser gesagt, die die Drehbuchautoren Matt Damon und Ben Affleck (spielt auch noch einen sehr einflussreichen Adligen) gemeinsam mit Nicole Holofcener auslegen. Alle drei Geschichten führen zum selben Ende. Aber wie unterschiedlich sich die beiden Edelmänner und die Frau an Situationen erinnern, welche kleinen Details manchmal ausschlaggebend sind, das ist absolut packend anzuschauen.
 
In den Versionen der Männer dominieren viele Kämpfe. Die sind solide bis herausragend inszeniert. Ridley Scott weiß genau, wie man Gefechte Mann gegen Mann mit Schwertern und Äxten bebildern muss. Und dazu kommt noch eine leicht überhöhte Tonspur, die die Zuschauer überzeugend mitnimmt aufs Schlachtfeld. Hier kracht es sehr anschaulich. Wenn sich Marguerite hingegen erinnert, geht es eher um höfische Intrigen. Um den Drang der Frau, neben ihrem Mann oder Vater gleichgestellt zu werden. 
 
Die Darsteller spielen wunderbar auf. Matt Damon darf einen Grantler vor dem Herrn geben, der sicher eine gute Seele hat. Sich aber verbietet, sie allzu oft zu zeigen. Adam Driver, sonst in seinen Filmen häufig der Miesepeter, dreht diesmal als Ladies Man ganz groß auf. Die Newcomerin Jodie Comer gibt ihrem Charakter etwas herrlich Mysteriöses. Und macht, natürlich ins Drehbuch geschrieben, ganz eindeutig klar, wie weit ein Mann gehen darf und wo Grenzen überschritten werden. Da ist der Film, gerade im letzten Drittel, etwas aufdringlich in seiner Botschaft. Auf der anderen Seite müssen Übergrifflichkeiten immer und jederzeit deutlich angesprochen werden. Damals genau so wie heute. Insofern Ritterfilm mit MeToo-Anstrich. Der Herr Regisseur ist zwar in seinen 80ern. Aber immer noch auf der Höhe der Zeit.
 
Kinostart: 14. Oktober
Publikums-Chancen: Sehr hoch
Gesamteindruck: Stimmiges Mittelalter-Kino mit packenden Kämpfen und einer interessanten Geschichte aus mehreren Blickwinkeln