Festival Cannes

„Blue Is The Warmest Colour": Drei Mal Gold für den besten Film des Festivals

26.05.2013
von  Gunther Baumann
Goldene Palme: Adèle Exarchopoulos (li.) und Léa Seydoux © Festival Cannes
Die Goldene Palme von Cannes geht dieses Jahr gleich an drei Preisträger. Der französische Regisseur Abdellatif Kechiche wurde für die grandiose dreistündige Love Story „Blue Is The Warmest Colour“ („La vie d’Adèle“) gemeinsam mit seinen Hauptdarstellerinnen Adèle Exarchopoulos und Léa Seydoux ausgezeichnet.
Gold. Es ist eine außerordentliche Würdigung  für einen außerordentlichen Film. Dass die Goldene Palme gleich an drei Adressaten verliehen wird, das hat es beim Festival Cannes noch nie gegeben. Doch die Jury um Steven Spielberg, Nicole Kidman und Christoph Waltz setzte sich über die ungeschriebenen Regeln des Festivals hinweg – so, wie sich der preisgekrönte Film über manche Regeln hinwegsetzt. Das Thema ist das älteste und einfachste der Filmgeschichte: boy meets girl. Nur dass es  hier girl meets girl heißen muss: „Blue Is The Warmest Colour“ erzählt die Geschichte einer überwältigend großen Liebe zwischen zwei jungen Frauen.
                        
Der Film ist sehr realistisch, sehr sinnlich, mit langen Sex-Szenen, und so hinreißend gespielt, dass die 178 Filmminuten wie im Zeitraffer vergehen. Léa Seydoux hat sich im europäischen Kino ja schon längst einen Namen gemacht, und den Namen Exarchopoulos wird man sich merken müssen. Obwohl das rein phonetisch gar nicht so einfach ist. Doch über die liebenswerte, charmante und wunderbar subtil agierende Adèle Exarchopoulos  dürfte es schon bald heißen: A star is born.
 
Großer Preis. Der Große Preis der Jury ging an Joel & Ethan Coen, an zwei arrivierte Stars des Autorenkinos also, und an den nach Meinung der meisten Beobachter zweitbesten Film des Festivals: „Inside Llewyn Davis“. Die Coens werfen einen Blick auf die New Yorker Folkmusik-Szene um 1960 – die Zeit, kurz bevor Bob Dylan die Bühne betrat. Das humorvoll-melancholische Folk-Drama um einen begabten, aber chronisch erfolglosen Sänger ist ein Film voller Charme, dunklem Witz und Feingefühl.
 
Darsteller. Hauptdarsteller Oscar Isaac (auch er eine Entdeckung) hätte gewiss den Preis für den besten Schauspieler verdient gehabt. Der jedoch geht an einen großen alten Mann des US-Kinos. Bruce Dern wurde für sein hinreißendes Porträt eines störrischen Seniors, der einem vermeintlichen Millionengewinn nachjagt, in Alexander Paynes Road Movie „Nebraska“ ausgezeichnet. Den Preis für die beste Schauspielerin nahm die Französin Bérénice Béjo entgegen. Sie spielt im Beziehungsdrama „The Past“ von Asghar Farhadi eine Frau, der immer wieder die Vergangenheit in die Quere kommt, wenn es darum geht, eine glückliche Gegenwart zu leben.
 
Weltkino. Drei weitere wichtige Preise wurden an Regisseure des Weltkinos vergeben. Der Mexikaner Amat Escalante erhielt den Regie-Preis für das Drogenkriegs-Drama „Heli“. Der Japaner Kore-Eda Hirokazu gewann den Preis der Jury für „Like Father, Like Son“: Ein Drama, in dem es um zwei Familien geht, die erkennen müssen, dass ihre fünfjährigen Söhne kurz nach der Geburt vertauscht worden waren. Mit dem Drehbuch-Preis an den Chinesen Jia Zhangke  (für den rauen Korruptions-Thriller „A Touch Of Sin“) wurde schließlich auch einer der wenigen betont politischen Filme im Wettbewerb ausgezeichnet.