Festival Cannes

Jarmusch & Polanski: Edle Filmkunst zum Abschluss

25.05.2013
von  Peter Beddies
„Only Lovers Left Alive": Tilda Swinton und Tom Hiddleston © Festival Cannes
Das Festival Cannes bot zum Abschluss des Wettbewerbs noch zwei große Werke großer Regisseure auf: Jim Jarmusch zeigte seinen Vampir-Film (!) „Only Lovers Left Alive", Roman Polanski das sinnliche Drama „Venus In Fur".
Finale. Was macht man am liebsten nach zehn Tagen Cannes, wenn man das Gefühl hat, auf der  Leinwand allem Elend dieser Welt in irgendeiner Form schon begegnet zu sein? Idealerweise lehnt man sich zurück und genießt zum Ende noch ein bisschen gut abgehangene und dennoch frische Filmkost. Das klappt nicht in jedem Jahr. Aber Cannes 2013 war genau so gestrickt: Neue Werke von Jim Jarmusch und Roman Polanski, zwei Meistern ihres Faches, die weder sich noch uns etwas beweisen müssen, auf der Höhe ihrer Filmkunst.
 
Jim Jarmusch: Der Mann, der Johnny Depp glaubhaft als Indianer inszenierte (woran wir uns noch mit Tränen in den Augen erinnern werden, wenn wir im Sommer den Western „Lone Ranger“ schauen müssen), der aus Forest Whitacker den besten amerikanischen Samurai aller Zeiten machte und der Legenden wie Armin Mueller-Stahl oder Tom Waits unvergessene Leinwand-Momente schenkte, dieser Mann widmet sich nun dem Vampir-Genre. Gefühlte zehn Jahre zu spät und dennoch genau zur richtigen Zeit.
 
Denn nachdem „Twilight“ mit einem Haufen Anti-Schauspieler oder wahlweise unter grauenhafter Regie das Genre zu Tode „gebissen“ hat (sorry für das schiefe sprachliche Bild, aber das musste sein), kommt nun Jarmusch und zeigt, was möglich ist in diesem Metier, das so alt ist wie das Filmwesen selbst. Es gab stumme Vampire und blutrünstige in prallem Rot. Und natürlich überzahlreich die blöden aus der Abteilung „straight to Video“.
 
Jim Jarmusch erzählt von einem Paar, das schon seit Jahrhunderten auf der Welt wandelt. Sie (Tilda Swinton) lebt in Tanger und lässt sich dort von John Hurt mit Blut versorgen, während es sich ihr Liebster (sehr eindrucksvoll Tom Hiddleston, der Loki aus „Thor") in Detroit bequem gemacht hat.
 
Wäre Jarmusch ein paar Jahre jünger, dann hätte Detroit als Quelle der Techno-Musik eine Rolle gespielt. Aber so geht es in der traumhaft schönen Eingangssequenz um viele edle Gitarren, während im Hintergund immer das musikalische Thema von Velvet Undergrounds „Venus in Furs“ mäandert, übrigens den ganzen Film lang.
 
Die guten Vampire. Irgendwann kommt Tilda zu Tom – im Film heißen sie Adam und Eva. Und sie lieben Diskussionen über Leben und Kunst. Wir erfahren, dass nicht Shakespeare „Hamlet“ und anderes geschrieben hat. Es waren immer die Vampire, die – warum auch immer - das Gute über die Menschheit brachten. Und dann, als der Film beinahe still steht, aber immer noch sehr schön anzuschauen ist, kommt Mia Wasikowska als Vampir-Schwester und sorgt für ordentlich Action und einen der schönsten Sprüche des Festivals, ach was, der jüngeren Filmgeschichte überhaupt: „Oh my god, you drank Ian – Oh mein Gott, du hast Ian getrunken“.
 
Warum der Film den Titel „Only Lovers Left Alive“ weiß nur Herr Jarmusch allein. Aber er hat es wieder einmal geschafft, einen originären Film zu erstellen, bei dem der Zuschauer, wenn er  sich im Kino gern treiben lässt, seinen Spaß haben kann. Eines ist jedenfalls Fakt: Der Thron der lustigsten Vampirfilms aller Zeiten verbleibt weiterhin bei Roman Polanski und dem „Tanz der Vampire“.

„Venus In Fur": Emmanuelle Seigner und Mathieu Amalric © Festival Cannes

 
Polanski. Der französisch-polnische Meisterregisseur nimmt uns in seinem Film „Venus in Fur“ mit ins Theater. Ein Regisseur – meisterhaft gespielt vom Ex-Bond-Schurken Mathieu Amalric („Ein Quantum Trost“) – arbeitet an seinem neuen Stück, einer Adaption von Sacher-Masochs „Venus im Pelz“.  Er will gerade nach Hause gehen. Da erscheint Emmanuelle Seigner als – ja was eigentlich?
 
Zu Beginn ist sie eine vorsprechende und um eine Chance bettelnde Schauspielerin, dann wandelt sie sich immer mehr zur Muse  des Künstlers. Am Ende ist sie Domina und Geliebte, vielleicht sogar Rachegöttin. All das, was einem Theatermenschen vor einer Premiere durch den Kopf geht, mit welchen Dämonen er zu kämpfen hat, das packt Roman Polanski in wunderbar unterhaltende 90 Minuten mit den allerfeinsten Dialogen.
 
Zwei Schauspieler wie die Polanski-Gattin Seigner und Amalric - mehr braucht der Film-Magier nicht. Eigentlich hatte Roman Polanski ja mal vor, mit „Pompeji“ noch einen großen effektgeladenen Film zu drehen. Nach „Der Gott des Gemetzels“ und „Venus in Fur“ wünscht man sich, dass er weiterhin bei der intimen kleinen Form des Kammerspiels bleiben möge.