Festival Cannes

Die Stars fliegen ein - der Regen wohl auch

12.05.2013
von  Matthias Greuling
Das ist das Flair von Cannes: Aufgang zum Palais am roten Teppich © A. Tuma/Starpix
Cannes. Noch bestimmen eher betagte Touristen das Bild von Cannes. Wenn aber in dem einstigen  Fischerdorf ab 15. Mai die Filmprofis aus aller Welt einfallen, verwandelt sich der Ort in das Mekka des Filmgeschäfts und wird für 10 Tage zur Pilgerstätte für die Fans von Superstars wie Leonardo DiCaprio, Emma Watson, Ryan Gosling oder Carey Mulligan.

Täglich auf dem roten Teppich werden unter anderem Steven Spielberg, Christoph Waltz und Nicole Kidman zu sehen sein, denn sie gehören zur internationalen Jury, die über die insgesamt 19 Filme im Wettbewerb um die Goldene Palme abstimmen werden.

Bis zur letzten Stunde wird in Cannes allerorten geschraubt, gehämmert und gebohrt, denn das Palais des Festivals will auf Vordermann gebracht werden. Besonders sorgfältig geht man beim Auslegen des roten Teppichs vor, der mit einer Plastikfolie überzogen ist. Erst wenn am Mittwoch die ersten Stars die berühmte Stiege empor flanieren, kommt die Folie weg.

Zur Eröffnung am Mittwoch läuft beim 66. Festival de Cannes Baz Luhrmanns 3D-Spektakel „Der große Gatsby“ – ein Bombast-Remake des Klassikers von 1974, basierend auf F. Scott Fitzgeralds berühmtem Roman. Der Film, der schon am Freitag regulär in den Kinos anläuft, hatte bereits seine Weltpremiere in New York. Doch Cannes wollte nicht auf die Star-Invasion zum Festival-Auftakt verzichten; und das, obwohl man in Cannes eigentlich auf Welturaufführungen besteht.

Doch zu wichtig ist die Coverage der insgesamt 4000 anwesenden Journalisten am Starttag – Cannes will schließlich die unangefochtene Nummer eins unter den Filmfestivals bleiben. Das geht aber nur mit viel Pomp, Glamour und wilden Partys. Die werden meist entlang der Pracht-Uferpromenade La Croisette veranstaltet, in den noblen Hotels (vom Carlton bis zum Majestic) oder den vorgelagerten Stränden. Bis jetzt sind dort aber nur viele Baustellen, und große LKW schaffen Ton- und Bühnenequipment heran.

Das Festival-Plakat zeigt eine berühmte Kuss-Szene mit Paul Newman und Joanne Woodward © Festival Cannes


Damit das Festival auch seinen Ruf als künstlerisch hochwertige Veranstaltung festigt, sind im Wettbewerb auch in diesem Jahr wieder etliche neue Werke arrivierter Filmemacher zu sehen: Allein aus Frankreich sind acht Filme im Bewerb, darunter die neuen Arbeiten von Francois Ozon, Abdellatif Kechiche und Valeria Bruni-Tedeschi. Stark vertreten ist auch das asiatische Kino mit Filmen von Jia Zhangke, Takashi Miike und Kore-Eda Hirokazu.

Fehlen dürfen aber auch nicht die „Cannes Regulars“: Die Coen-Brüder stellen ihren Film „Inside Llewyn Davis“ über die New Yorker Folk Music-Szene der 60er Jahre vor, Steven Soderbergh zeigt seinen definitiv letzten Film vor der selbst verordneten Regie-Pause, „Behind the Candelabra“ mit Michael Douglas und Matt Damon. Von James Gray kommt das in den 1920ern angesiedelte Einwandererdrama „The Immigrant“ (mit Marion Cotillard), von Jim Jarmusch „Only Lovers Left Alive“.

Mit dem Bangkok-Crime-Thriller „Only God Forgives” kehrt der Däne Nicolas Winding Refn in den Wettbewerb zurück, nachdem er hier schon den Regiepreis für „Drive” abstaubte – sein Hauptdarsteller heißt erneut Ryan Gosling. Altmeister Roman Polanski wird nicht nur sein neuestes Werk „La Venus a la Fourrure“ präsentieren, sondern auch eine Doku über Formel-1-Legende Jackie Stewart.

Die Nebenreihe „Un certain regard“ wird mit Sofia Coppolas „The Bling Ring“ eröffnet, in dem Teenager in die Villen gut betuchter Hollywood-Stars einsteigen. Emma Watson spielt eine der Einbrecherinnen, keinen bestohlenen Star, wohlgemerkt.

Derweil strahlt in Cannes noch die Sonne vom azurblauen Himmel, doch für den Beginn des Festivals wurde eine Schlechtwetterfront vorhergesagt, die sich über mehrere Tage halten soll. Was wiederum ein Déja-vu zum Vorjahr ergäbe: Damals fand die Premiere des späteren Cannes-Siegers „Amour“ von Michael Haneke bei Platzregen und Sturmgewitter statt. Vielleicht ein gutes künstlerisches Omen für jene Filme, deren Premieren heuer ins Wasser fallen werden: Sie haben mitunter – siehe „Amour“ –  eine große Karriere vor sich.