Diagonale

Die Preise: Großer Abend für Houchang Allahyari und Ruth Beckermann

22.03.2014
von  Gunther Baumann
Bester Spielfilm: „Der letzte Tanz“ von Houchang Allahyari mit Daniel Sträßer und Erni Mangold © Diagonale / Mayr
Es gab Preise im Gesamtwert von 107.500 Euro:  Am 22. März fand im Grazer Orpheum die Preisverleihung der Diagonale 2014 statt. 106 österreichische Filme waren  beim Wettbewerb des Festivals in 13 Kategorien am Start. Die wichtigsten Auszeichnungen, die Großen Diagonale-Preise, gingen an Houchang Allahyari für den Spielfilm „Der letzte Tanz“ und an Ruth Beckermann für die Dokumentation „Those Who Go Those Who Stay“. Im Überblick: Alle Gewinner – und die Begründungen der Juroren.
Großer Diagonale-Preis für den besten österreichischen Spielfilm
Stifter:
Land Steiermark, Synchro Film & Mischief Films
Dotation: 21.000 Euro
Gewinner: Houchang Allahyari für „Der letzte Tanz“
Filmthema: Ein junger Zivildienstleistender (Daniel Sträßer) entwickelt eine tiefe Zuneigung zu einer Alzheimer-Patientin (Erni Mangold), die durch seine Fürsorge noch einmal aufblüht. In einem besonderen Moment kommen die beiden einander näher. Für die Justiz wird der junge Mann zum Verbrecher, für die Gerichtspsychiatrie zum Triebtäter. Er selbst ist sich keiner Schuld bewusst.
Die Jury: „Mit dem Großen Diagonale-Preis zeichnen wir einen Künstler aus, der mit großem Mut ein aktuelles Thema aufgreift. Sein Film erzählt von einem jungen Zivildiener, der für einen vermeintlich unakzeptablen Akt der Liebe und der Menschlichkeit von der Gesellschaft ausgeschlossen wird.“
 
Beste Doku: „Those Who Go Those Who Stay“ von Ruth Beckermann © Filmladen

Großer Diagonale-Preis für den besten österreichischen Dokumentarfilm

Stifter:
Land Steiermark, Synchro Film & Mischief Films
Dotation: 21.000 Euro
Gewinnerin: Ruth Beckermann für „Those Who Go Those Who Stay“
Filmthema: Ruth Beckermann verwebt ihr privates und politisches Interesse mit einer allgemeineren Bewegung: Der der Migration, der Wanderung, der Veränderung, der Fremde. Das Unterwegssein als ewiges und zugleich hochaktuelles Moment unserer Welt, erzwungen, freiwillig, zufällig, nicht enden wollend, hoffend, gewalttätig.
Die Jury: „Der Film hat uns tief beeindruckt, weil er es wagt, sich frei zu bewegen. Er lässt sich auf offene Situationen ein, ohne zu wissen, was ihn, den Film, und uns, die Zuschauer/innen, erwartet, er umarmt das Offene, Unbestimmte, statt es zu fürchten. Und dazu gehört viel Mut.“
 
Diagonale-Preis für Innovatives Kino
Stifter:
Stadt Graz, Golden Girls Filmproduktion
Dotation: 10.500 Euro
Gewinner: Lukas Marxt für „High Tide“
Filmthema: Zunächst ein statisches Kamerabild. Ein Blick auf einen Gebirgszug. Davor: Reißendes Gewässer. Lukas Marxt lässt dem Publikum Zeit, den Blick zu schärfen, bevor sich das Kamera-Auge löst und mit dem Strom zu einer Kreisfahrt ansetzt.
Die Jury: „Dieser Film erschafft ein Nebeneinander von Zeitlosigkeit der Natur und der ständig fließenden Bewegung des menschlichen Einflusses.“
 
Diagonale-Preis für den besten Kurzspielfilm
Stifter:
Servus TV
Dotation: 4.000 Euro
Gewinner: Stefan Bohun für „Musik“
Filmthema: Ein korrupter Beamter, der raus will aus Job und Routine. Statt dessen möchte er etwas ganz anderes machen. Musik. In einer Gratwanderung zwischen Absurdität und Realismus erzählt der Film von einem Realitätsverweigerer, der in der pubertierenden Freundin seiner Tochter eine Bewunderin findet.
Die Jury: „Der Film hat uns in seiner geschickten Balance zwischen Tragik und Komik nachhaltig begeistert. Er zeigt in der Darstellung der Figuren Mut zur Ambivalenz, führt sie nicht vor, nimmt sie ernst und bewertet sie nicht.“
 
Diagonale-Preis für den besten Kurzdokumentarfilm
Stifter:
Diözese Graz-Seckau
Dotation: 4.000 Euro
Gewinnerin: Antoinette Zwirchmayr für „Der Zuhälter und seine Trophäen“
Filmthema: Ein Familienporträt und Sittenbild. In den 1970er Jahren galt Antoinette Zwirchmayrs Großvater als „renommiertester“ Zuhälter Salzburgs. In einem formal reduzierten Essay nähert sich die Enkelin dessen Lebenswelt an.
Die Jury: „Der Regisseurin gelingt es in ihrem Film, die Zwiespältigkeit ihrer eigenen Eindrücke darzustellen. Der kindlichen Faszination für ihren disziplinierten Großvater stellt sie die Beschreibung des ihn umgebenden Rotlichtmilieus gegenüber und reflektiert ihren Versuch der Distanzierung; von einer Welt der Zuhälter, von den hohen Geldsummen, die Luxus ermöglichen und vor allem Frauen als Objekte und Waren einer Jagdgesellschaft betrachten.“
 
Diagonale-Preis der Jugend-Jury für den besten Nachwuchs-Film
Stifter:
Land Steiermark
Dotation: 4.000 Euro
Gewinnerinnen: Britta Schoening, Michaela Taschek und Sandra Wollner für „Uns geht es gut“
Filmthema: Ein Zeitdokument wie ein Schlagertext. Über die Montage gefundener Dia-Fotografien gewährt der Film Einblicke in die Biografie eines Liebespaares.
Die Jury: „Alte Dias in einer Kiste am Flohmarkt entdeckt und zu einem einzigartigen Film verbunden. Durch ein großartiges Sounddesign und das Spiel mit Schärfe und Unschärfe wird den Standbildern Leben eingehaucht. Ohne Worte erzählen die Bilder dank der durchdachten Umsetzung eine berührende Geschichte.“
 
Diagonale-Preis Bildgestaltung
Stifter:
Verwertungsgesellschaft der Filmschaffenden (VDFS) und Verband Österreichischer Kameraleute (AAC)
Dotation: 2 x 4.000 Euro
GewinnerSpielfilm: Thomas W. Kiennast für „Das finstere Tal“
Die Jury: „Wir zeichnen einen Künstler aus, dem es mit seiner Kameraarbeit gelingt, die Ikonografie des Westerns in die Alpen zu versetzen. Seine gewaltige Bildsprache vermittelt die Kälte und die Enge des Tals, in dem dieser Film angesiedelt ist.“
Gewinner Dokumentation: Joerg Burger und Attila Boa für „Das große Museum“
Die Jury: „Für ihre Geduld und den Respekt, abzuwarten bis die kleinen Dinge passieren, für ihr Tempo, wenn Schnelligkeit verlangt wird und für ihre Sorgfalt im Umgang mit rivalisierenden Bildern verleihen wir den Preis an Joerg Burgers und Attilas Boas wunderbare Kameraarbeit.“
 
Diagonale-Preis Schnitt
Stifter:
VDFS
Dotation: 2 x 3.000 Euro
Gewinnerin Spielfilm: Karina Ressler für „Oktober November“
Die Jury: „Wir zeichnen eine Künstlerin aus, die mit ihrem Schnitt dem Film einen eigenen Rhythmus verleiht. Sie zeigt mit ihrer Arbeit, dass der Schnitt nicht nur dazu da ist, die Bilder anzutreiben. Sondern sie gibt dem Drama den Raum, in dem sich das Spiel der Figuren entfalten kann.“
Gewinner Dokumentation: Dieter Pichler für „Das große Museum“
Die Jury: „Dort, wo der Schnitt eine Erzählung baut, dort wo die Montage komplexe Beziehungen herstellt, dort wo die Aneinanderreihung von einzelnen Takes einen Kosmos schafft, dort findet Kino statt. Wir werden eingeführt in eine Institution (das Kunsthistorische Museum Wien, Anm.), in einen Körper, in einen Raum von Verhältnissen, die Kunst und Erbe verwalten, und erleben diesen Raum, ohne daran erinnert zu werden, dass er gefilmt oder beobachtet wird.
 
Diagonale-Preis Sounddesign
Stifter:
Verband Österreichischer Sounddesigner/innen (VOESD), IMMOunited
Dotation: 2 x 2.000 Euro
Gewinner Spielfilm: Christoph Amann für „Shirley – Visions of Reality“
Die Jury: „In einem Film, der vor allem mit einer großartig gestalteten künstlichen Bilderwelt arbeitet, gelingt es dem Sounddesigner, eine zusätzliche Wahrnehmungsebene mit Geräuschen überzeugend zu gestalten.  Mit einer ganzen Klangwelt aus Nachrichten, Off Stimmen, Musik und Alltagsgeräuschen unterstützt der Künstler die besondere Wirkung, die dieser Film auf den Zuschauer ausübt.“
Gewinner Dokumentarfilm: José Miguel Enriquez und Alejandro de Icaza für „Calle Lopez“
Die Jury: „In dem Film Calle López fangen die beiden Preisträger die Geräuschkulisse einer Straße im Zentrum von Mexico City ein. Vom frühen Morgen bis spät in die Nacht folgen sie dem Alltag. Die große Kunst von besteht darin, den Krach und das Durcheinander so zu strukturieren, dass wir uns es anhören können, ohne die Ohren verschließen zu müssen. Und sie besteht in der Kunstlosigkeit, im Verzicht auf Effekte, im Vertrauen darauf, dass der Alltag mit seinen Geräuschen aufregend genug ist.“
 
Diagonale-Preis Szenenbild und Kostümbild
Stifter:
Verband ÖsterreichischerFilmausstatter/Innen
Dotation: 2 x 3.000 Euro
Gewinnerin Szenenbild: Christina Schaffer für „Fieber“
Die Jury: „In einem Film, der auf berührende Weise eine imaginäre Geografie der Erinnerung erschafft, gelingt es der Szenenbildnerin, verschiedene Ebenen von Erinnerung und Wirklichkeit poetisch zu verquicken.“
Gewinnerin Kostümbild: Theresa Ebner-Lazek für „Die Werkstürmer“
Die Jury: „Den Preis verleihen wir einer Künstlerin, die in ihrer Arbeit unterschiedlichste soziale Schichten von Menschen im Erzbergwerk sehr realistisch ihrer jeweiligen Arbeitswelt entsprechend abbildet: von den Arbeitern und Gewerkschaftern über die Shareholder bis zum Fabriksbesitzer. Das Kostümbild verleiht den Figuren ihre Würde, indem es dabei stets der Stereotypisierung entgegenwirkt.“
 
Diagonale-Schauspielpreis
Dotation:
2 x 3.000 Euro
Stifter: VDFS und BAWAK P.S.K.
Gewinnerin: Erni Mangold für „Der letzte Tanz“
Die Jury: „Erni Mangold spielt den Weg, vom Sterbebett noch einmal zurück ins Leben zu tauchen, einmal noch die Freuden der Liebe zu erleben, als ein Erblühen der sterbenden Alten zu einem jungen Mädchen von 87 Jahren. Wie sie das macht, wie sie den jungen Mann, der ihr Urenkel sein könnte, verführt, ist unbeschreiblich, das muss man gesehen haben. Erni Mangold in dieser Rolle, das ist wirklich großes Kino. Was für ein Glücksfall.“
Gewinner: Gerhard Liebmann für „Blutgletscher“, „Das finstere Tal“ und „Bad Fucking“
Die Jury: „Er kennt die Konflikte seiner Figuren und bringt sie in seinem Spiel so sehr auf den Punkt, dass man sagen kann: er hat es geschafft, in jedem dieser Filme interessanter und vielschichtiger zu sein als seine Rolle.“
 
Diagonale-Publikumspreis
Stifter:
Kleine Zeitung
Dotation: 3.000 Euro
Gewinnerin: Gloria Dürnberger für „Das Kind in der Schachtel“
Der Film: Es geht um die Geschichte einer Mutter, die kurz vor der Geburt ihres Kindes an Schizophrenie erkrankt. Und um die Geschichte eines Kindes, das in einer Pflegefamilie aufgenommen wird. 30 Jahre später übernimmt die erwachsen gewordene Frau die Verantwortung für die Frau, die sich ihre Mutter nennt.
 
Preis innovative Produktionsleistung
Dotation:
2 x 5.000 Euro
Stifter: VAM Verwertungsgesellschaft für audiovisuelle Medien
Gewinner: Prisma Film- und Fernsehproduktion für „Alphabet“
Gewinner: Dor Film für „Der Letzte der Ungerechten“