Berlinale 2020

Die zwei Seiten von Johnny Depp

22.02.2020
von  Peter Beddies
Johnny Depp bei der Berlinale 2020 © Katharina Sartena
Wenn ein Hollywood-Megastar wie Johnny Depp leibhaftig erscheint, laufen auch im kühlen Berlin die Emotionen heiß. Vom Fototermin bis zum roten Teppich: Der Besuch von Johnny Depp, der bei der Berlinale außerhalb des Wettbewerbs das Umweltdrama „Minamita“ vorstellte, wurde ausgiebig bejubelt. Im Kino wich die Feierlaune allerdings rasch der Enttäuschung. Depp liefert in „Minamata“ – er spielt nicht nur die Hauptrolle, sondern hat den Film auch produziert – eine der schwächsten Leistungen seiner Laufbahn ab.
„Minamata“: Johnny Depp (li.) mit Bill Nighy © HanWay Films

Minamata

 
Genre: Drama 
Regie: Andrew Levitas (USA)
Stars: Johnny Depp, Bill Nighy, Hiroyuki Sanada 
Berlinale- Premiere:  Special Gala
 
Minamata ist eine japanische Stadt am Meer, die in den 1970er Jahren traurige Berühmtheit erlangte. Es wurde bekannt, dass der vor Ort ansässige Chemiekonzern Chisso ungeklärte Abwässer mit hohen Quecksilber-Anteilen ins Meer leiten ließ. Die Fische nahmen das Gift in sich auf. Die Menschen aßen den Fisch.
 
Die Folge: Über Jahre hinweg stellten sich Schädigungen an den Menschen und Missbildungen bei ihren Kindern ein. Eine unfassbar traurige und erschütternde Geschichte, die auf jeden Fall ins große Kino gehört. Bemerkenswert, dass ein Star wie Johnny Depp den Tatendrang in sich gespürt hat, den Skandal fiktional aufarbeiten zu lassen.
 
Leider hat er sich nicht das richtige Team ausgesucht. Sicher: Johnny Depp ist ein internationaler Superstar und als Captain Jack Sparrow in den „Fluch der Karibik“-Filmen auch sehr erfolgreich gewesen. Aber das heißt noch lange nicht, dass er dort gutes Schauspiel bot. Johnny Depp hatte seinen Piraten als tuntigen Rum-Liebhaber angelegt. Kann man machen. Hat die meisten erwachsenen Zuschauer irgendwann sicher gelangweilt. In „Minamata“ lässt Depp den tuntigen Aspekt weg. Aber er spielt den schlechtesten Alkoholiker, den man je auf der Leinwand gesehen hat. 
 
Seine (reale) Filmfigur heißt Eugene Smith, war mal einer der besten Fotografen seiner Zeit. Besonders aus dem Vietnam-Krieg brachte Smith für das Magazin „Life“ faszinierende Fotos mit. Aber er nahm auch gewaltig Schaden an Leib und Seele.
 
Statt sich in Behandlung zu begeben, fing er an, sich jeden Tag einigermaßen erträglich zu saufen. Und hier liegt das größte Problem von „Minamata“. Denn Johnny Depp denkt, dass er den Trinker am besten spielt, indem er ohne Ende nuschelt.
 
Viele seiner Dialoge sind beim besten Willen nicht zu verstehen. Außerdem gibt es wohl kaum einen Trinker, der den ganzen Tag nur vor sich hin faselt. Leider wählte Depp mit dem Künstler und Filmemacher Andrew Levitas einen Regisseur, der davon absah, ihn in seinem Alkoholiker-Porträt auf einen besseren – sprich realistischeren – Weg zu bringen.
 
Der Rest des Films kommt nicht über das Depp-Niveau hinaus. Man fühlt sich in dem Umweltdrama mehr und mehr wie in einem Sozial-Porno; einem Film, der sehr gut gemeint ist, der aber daran scheitert, was er sich vorgenommen hat.
 
Eugene Smith trinkt sich durch Japan, verliebt sich in eine wesentlich jüngere Frau, wird von den Autoritäten erst bestochen, dann bitter bekämpft. Wenn am Ende Bill Nighy als Chef des „Life“-Magazins, der Smith nach Japan geschickt hat, die Bilder sieht und Tränen in den Augen hat, wirkt das unerträglich. Auch Bill Nighy hat man in seiner langen Karriere noch nie so schlecht gesehen.
 
Fazit: eine vertane Chance, den Menschen in Minamata, die noch heute von ihrer Regierung allein gelassen werden, gerecht zu werden. Warum die Berlinale so einen Film zeigt, darüber darf gerätselt werden.
 
Kinostart: Unbekannt – kein Verleih, kein Termin
Publikums-Chancen: Gering
Gesamteindruck: Gut gemeintes Drama, das an seinen Ambitionen scheitert