Berlinale 2017

Ein Goldener Bär für Ungarn

18.02.2017
von  Gunther Baumann, Peter Beddies
Die Gewinnerin: Regisseurin Ildikó Enyedi am Set von „On Body And Soul“ © Berlinale
Der Goldene Bär übersiedelt nach Ungarn. Die Regisseurin Ildikó Enyedi gewann am 18. Februar mit dem romantischen Drama „On Body And Soul“ den Hauptpreis der 67. Berlinale. Der finnische Star-Regisseur Aki Kaurismäki wurde für „Die andere Seite der Hoffnung“ mit dem Silbernen Bären für die beste Regie ausgezeichnet. Der Große Preis der Jury ging an den Franzosen Alain Gomis für das Afrika-Drama „Félicité“. Der Wiener Georg Friedrich erhielt einen Silbernen Bären als bester Darsteller des Festivals – nicht für sein Spiel in „Wilde Maus“ (Josef Haders Komödie fand bei der auf ernste Themen konzentrierten Jury keine Berücksichtigung), sondern für die Hauptrolle im bleischweren deutschen Vater-Sohn-Drama „Helle Nächte“.
Der Triumph: Ildikó Enyedi mit dem Goldenen Bären © Berlinale

Goldener Bär.
Der Wettbewerb der 67. Filmfestspiele von Berlin endete quasi mit einem Start-Ziel-Sieg. Der spätere Gewinner-Film „On Body And Soul“ ging schon am 10. Februar, als zweiter von insgesamt 18 Kandidaten, ins Rennen um den Goldenen Bären.
 
„Wir haben uns sofort in diesen stillen Film verliebt“, erklärte Jury-Präsident Paul Verhoeven, der Regisseur von Hits wie „Basic Instinct“, bei der Preisverleihung. Die neue Bären-Besitzerin Ildikò Enyedi konnte ihr Glück kaum fassen: „Wir haben lange verborgen, was wir da machen. Denn wir hatten keine Ahnung, ob uns das Publikum folgen würde. Um ,On Body And Soul‘ zu schätzen, braucht es ein großzügiges Herz“.
 
Der „kleine Film“ (Enyedi) aus Ungarn  erzählt eine zarte Geschichte über Annäherung, Begehren und Liebe. Im Mittelpunkt steht eine in sich gekehrte junge Frau, die als Qualitätsprüferin in einem Schlachthof in Budapest arbeitet. Langsam fasst sie Vertrauen zu einem Vorgesetzten, der ebenfalls zur Gruppe der eher verschlossenen Menschen  
gehört. Irgendwann stellen die beiden zu ihrer nicht geringen Verblüffung fest, dass sie im Schlaf die gleichen Träume träumen. Nun gehen sie daran, ihre Träume zur Realität werden zu lassen: Die Romanze beginnt.

Aki Kaurismäki gewann den Preis für die beste Regie © Berlinale

Beste Regie. Der Finne Aki Kaurismäki, der als bester Regisseur des Festivals umjubelt wurde, behandelt in „Die andere Seite der Hoffnung“ eines der großen Themen unserer Zeit: Flucht und Migration.   
 
Der Film zeigt Kaurismäki auf der Höhe seines Könnens. Er erzählt eine im Grunde genommen tieftraurige Geschichte. Ein syrischer Flüchtling kommt per Schiff nach Finnland und bittet um Asyl. Emotionsbefreite Bürokraten wollen ihn zurückschicken. Der Mann findet jedoch Unterschlupf in einer Kneipe, wie sie momentan nur Aki Kaurismäki entwerfen kann. Das Personal ist dicht dran am Klischee, der Besitzer begrüßt den Flüchtling mit einem Schlag ins Gesicht. Es geht - wie so oft bei diesem Regisseur - um die Verlierer der Gesellschaft. Neu ist, dass das frühere stoische Schweigen durch schwarzen Humor ersetzt wird. Das gibt dem Film eine unerwartete Heiterkeit: Eine Dimension, die frühere Werke  Kaurismäkis so nicht hatten.

Bester Darsteller: Georg Friedrich im Drama „Helle Nächte“ © Berlinale

Darsteller-Preise. Der Wiener Georg Friedrich, von den Juroren zum besten Darsteller erkoren, kam sichtlich überwältigt auf die Bühne, um seinen Silbernen Bären abzuholen. Er trug ein verrätseltes Gedicht des US-Poeten Stephen Crane (1871 – 1900) vor und sagte dann: „Ich möchte vielen Leuten danken, die dazu beigetragen haben, dass ich da bin“. Allgemeiner Applaus, Abgang.
 
Friedrich wurde für seinen Part in „Helle Nächte“ von Thomas Arslan ausgezeichnet – ein bierernstes Drama, für das der Begriff Festival-Film erfunden worden sein könnte. Es geht um einen Vater (Friedrich) und seinen Teenager-Sohn („Tschick“-Jungstar Tristan Göbel) die nach einem Trauerfall gemeinsam durch Norwegen reisen. Und die außer dauerhaft schlechter Laune kaum Gemeinsamkeiten besitzen. Jenseits der Bären-Jury fanden die düsteren „Hellen Nächte“ nur sehr wenig Anklang.
 
Weitere Preise. Der Silberne Bär für die beste Darstellerin geht dieses Jahr nach Asien. Die Koreanerin Kim Minhee wurde für die Hauptrolle im stillen Beziehungs- und Selbstfindungs-Drama „On The Beach At Night Alone“ (Regie: Hong Sangsoo) ausgezeichnet. Auch bei anderen Preisen blickten die Juroren weit über die Grenzen Europas hinaus: Die Chilenen Christián Lelio und Gonzalo Maza wurden für „A Fantastic Woman“ mit dem Drehbuch-Preis bedacht. Und Alain Gomis, der Gewinner des Großen Preises der Jury, stammt zwar aus Paris. Doch sein Film „Félicité“ schildert ein Frauenschicksal im afrikanischen Kinshasa.
 
Ein weiterer Silberner Bär, der Alfred-Bauer-Preis für einen Spielfilm, der neue Perspektiven eröffnet, ging an die renommierte polnische Regisseurin Agnieszka Holland (für das Thriller-Drama „Pokot“). Agnieszka Holland fand bei ihrem Dankeschön auf der Bühne die richtigen Worte für die aktuelle Lage der Gesellschaft und des Films: „Die Gegenwart ist rau. Wir brauchen mutige Filme, welche die Themen unserer Zeit berühren.“
 
Die Preisträger
Goldener Bär für den besten Film: „On Body And Soul“ von Ildikó Enyedi (Ungarn)
Silberner Bär (Großer Preis der Jury): „Félicité“ von Alain Gomis (Frankreich)
Silberner Bär (Alfred-Bauer-Preis für einen Spielfilm, der neue Perspektiven eröffnet): „Pokot“ von Agnieszka Holland (Polen)
Silberner Bär (Beste Regie): Aki Kaurismäki (Finnland) für „Die andere Seite der Hoffnung“
Silberner Bär (Bester Darsteller): Georg Friedrich (Österreich) für „Helle Nächte“ von Thomas Arslan
Silberner Bär (Beste Darstellerin): Kim Minhee (Südkorea) für „On the Beach At Night Alone“ von Hong Sangsoo
Silberner Bär (Bestes Drehbuch): Sebastián Lelio und Gonzalo Maza (Chile) für „A FantasticWoman“
Silberner Bär (für eine herausragende künstlerische Leistung): Dana Bunescu (Rumänien) für den Schnitt von „Ana, mon amour“ von Calin Peter Netzer
Goldener Bär für den besten Kurzfilm: „Cidade Pequena“ von Diogo Costa Amarante (Portugal)
Kompass-Perspektive-Preis: „Die beste aller Welten“ von Adrian Goiginger (Österreich)