Berlinale 2015

Gold-Bär für Jafar Panahi und „Taxi“: Signale aus dem und an den Iran

14.02.2015
von  Gunther Baumann
Jafar Panahi am Steuer in „Taxi“: Der Gewinner des Goldenen Bären musste Berlin fernbleiben © Berlinale
Berlinale 2015:  Der große Sieger steht in seiner Heimat unter Berufsverbot. Der iranische Regisseur Jafar Panahi gewann am 14. Februar mit „Taxi“ den Goldenen Bären, konnte aber nicht zur Preisverleihung anreisen. Die Silbernen Bären für die besten Darsteller gingen an die Briten Tom Courtenay und Charlotte Rampling („45 Years“). Ansonsten machte die Jury unter Regisseur Darren Aronovsky konsequent einen Bogen um alle Filmkünstler mit großen Namen. Peter Greenaway, Werner Herzog, Terrence Malick und Andreas Dresen etwa, die mit neuen Filmen im Wettbewerb antraten, fielen bei den Juroren komplett durch. Stattdessen gab es Auszeichnungen für kleine Arthaus-Produktionen,  wobei gleich drei Silberne Bären die Reise nach Lateinamerika antreten.
Goldener Bär. „Dieser Film ist eine Liebeserklärung an das Kino“, schwärmte Jury-Präsident Darren Aronovsky bei der Verleihung des Goldenen Bären an Jafar Panahi und „Taxi“.  Freilich basiert diese Auszeichnung nicht nur auf Liebe und cineastischer Begeisterung. Der  Hauptpreis der 65. Filmfestspiele von Berlin ist auch ein starkes Solidaritäts-Signal für einen unbeugsamen und mutigen Filmemacher.
 
Jafar Panahi wurde wegen seiner regimekritischen Haltung 2010 in Teheran zu 20 Jahren Berufsverbot verurteilt und saß wegen seiner Überzeugungen auch schon in Haft. 2011 als Juror zur Berlinale geladen, blieb sein Sessel leer – Panahi durfte nicht ausreisen.
 
Doch immer wieder fand er Wege, das Arbeitsverbot mit heimlich gedrehten Filmen zu umgehen. „Pardé“ etwa (zu Deutsch: „Geschlossener Vorhang“) bekam 2013 den Silbernen Bär für das beste Drehbuch. Für „Taxi“ setzte sich der Regisseur selbst ans Steuer eines Wagens und ist als Fahrer, der mit den Fahrgästen über den Iran und sein eigenes Leben plaudert, zugleich der Hauptdarsteller.
 
Nach Berlin kam der Film als Schmuggelgut. Bei der Preisverleihung fehlte der Regisseur, doch immerhin hatte man seiner Frau und einer kleinen Nichte, die im Film auch auftritt, die Reise nach Berlin gestattet.
 
Silberne Bären. Die Silbernen Bären der 65. Berlinale finden in Europa und Lateinamerika ihre neue Heimat. Der Große Preis der Jury ging an den Chilenen Pablo Larrain, der in „El Club“ die Missbrauchs-Skandale der Katholischen Kirche am Beispiel seines Heimatlands aufrollt. Der Alfred Bauer Preis für einen Spielfilm, der neue Perspektiven eröffnet, landet in Guatemala. „Ixcanul“ von Jayro Bustamente ist ein Drama, das sich der Indigenen-Thematik annimmt.

Der Silberne Bär für die beste Regie wurde gleich zwei Mal vergeben. Radu Jude (Rumänien) war hier mit „Aferim!“ erfolgreich; einem Historien-Drama, das als Balkan-Western firmiert. Malgorzata Szumowska (Polen) gewann mit „Body“, einer schwarzen Komödie über Magersucht und Tod; über Körperfeindlichkeit und die Sinnsuche in der Esoterik.

140 Minuten in einer Einstellung gedreht: Kamera-Preis für „Victoria“ © Berlinale

Ebenfalls Doppel-Silber gab’s in der Kategorie der besten künstlerischen Leistung. Hier waren Kameraleute siegreich. Der Däne Sturla Brandt Grovlen wurde für seinen Husarenritt belohnt, den 140 Minuten dauernden Berlin-Thriller „Victoria“ (Regie: Sebastian Schipper) in einer einzigen (!) Einstellung zu drehen. Die Russen Evgeniy Privin und Sergey Mikhalchuk überzeugten mit der Bildsprache von „Under Electric Clouds“ (Regie: Alexey German).
 
Der Silberne Bär für das beste Drehbuch fliegt über den Ozean bis nach Chile. Das passt, denn das Thema von Autor/Regisseur Patricio Guzman  ist das Wasser. Kernaussage seiner Doku „El botón de nacár“ („Der Perlmuttknopf“):  „Manche Leute behaupten, Wasser habe ein Gedächtnis. Dieser Film zeigt, dass es auch eine Stimme hat.“

Beste Darsteller: Tom Courtenay und Charlotte Rampling in „45 Years“ © Berlinale

Bleiben noch die Darstellerpreise. Hier überragte das Ehedrama „45 Years“ von Andrew Haigh nach Meinung der Jury  die Schauspielkunst aller anderen 18 Filme des Wettbewerbs. Tom Courtenay und Charlotte Rampling, im Film ein alterndes Ehepaar,  das einen neuen Konflikt bewältigen muss, nahmen die Silbernen Bären entgegen. Und Charlotte Rampling verriet ein Geheimnis: „Mein Vater (der Leichtathlet Godfrey Rampling, Anm.) gewann bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin eine Goldmedaille. Ehrgeizig, wie ich bin, nahm ich mir schon früh vor, selbst einmal in Berlin etwas Großes zu erreichen. Nun, ich glaube, mit diesem Bär ist das erledigt.“
 
Die Preisträger
Goldener Bär für den besten Film: „Taxi“ von Jafar Panahi (Iran)
Silberner Bär (Großer Preis der Jury): „El Club“ von Pablo Larrain (Chile)
Silberner Bär (Alfred-Bauer-Preis für einen Spielfilm, der neue Perspektiven eröffnet): „Ixcanul“ von Jayro Bustamente (Guatemala)
Silberner Bär (Beste Regie): Radu Jude (Rumänien) für „Aferim!“ und Malgorzata Szumowska (Polen) für „Body“
Silberner Bär (Beste Darstellerin): Charlotte Rampling (Großbritannien) für „45 Years“
Silberner Bär (Bester Darsteller): Tom Courtenay (Großbritannien) für „45 Years“
Silberner Bär (bestes Drehbuch): Patricio Guzman (Chile) für „El botón de nácar“
Silberner Bär (herausragende künstlerische Leistung): Sturla Brandt Grovian (Dänemark); Kameramann bei „Victoria“ (Deutschland) und Sergey Mikalchuck & Evgenij Privin; Kameramänner bei „Under Electric Clouds“ (Russland)
Goldener Ehrenbär für das Lebenswerk: Wim Wenders (Deutschland)
Goldener Bär für den besten Kurzfilm: „Hosanna“ von Na Young-kil (Korea)
Bester Erstlingsfilm: „600 Miles“ von Gabriel Ripstein (Mexiko)