Jon Watts über seinen Film „Spider-Man – Homecoming“


„Ich habe einen High-School-Film gemacht“

10.07.2017
Interview:  Peter Beddies

Regisseur Jon Watts: „Ich habe Spider-Man dahin zurück gebracht, wo er erfunden wurde“ © Sony

Jon wer? Bis vor kurzem war US-Regisseur Jon Watts, 36,  nur Insidern bekannt.  Doch seit dem 7. Juli staunt ganz Hollywood über ihn. Da brachte Watts in den USA seinen neuen Film heraus: „Spider-Man – Homecoming“. Der schaffte mit 117 Millionen Dollar Einnahmen den drittbesten US-Kinostart des Jahres. Im FilmClicks-Gespräch verrät Watts, der zuvor nur zwei kleine Horrorfilme fürs Kino gedreht hatte, wie er an den Blockbuster-Job kam. Und mit welchem Thema er  der gründlich abgearbeiteten „Spider-Man“-Saga einen neuen Dreh gab: „Ich habe einen „High-School-Film daraus gemacht.“


FilmClicks: Mr. Watts, in der ersten Stunde von „Spider-Man – Homecoming“ erleben wir die Titelfigur nicht so sehr als Superhelden, sondern vor allem als Schüler, der die üblichen Probleme mit Noten und Lehrern hat. Ist das Ihr persönlicher Ansatz zu der Story oder war Spider-Man schon immer so gedacht?
Jon Watts: Ich würde sagen, dass ich ihn wieder dahin zurück gebracht habe, wo er mal erfunden wurde. Spider-Man sollte ein 15-jähriger Junge sein, der staunend in die Welt der Superhelden eintaucht. Und mit ihm sollten auch die Kids, die Leser und jetzt die Kinogänger diese Abenteuer erleben.
 
Wie erhielten Sie die Gelegenheit, diese Sicht den Studiobossen von Marvel und Sony Pictures zu erklären?
Ich kann mich an ein Meeting erinnern, bei dem mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit mitgeteilt wurde, dass sich Sony und Marvel geeinigt hätten, einen Spider-Man-Film zu machen. Da wurde ich nach meinen Ideen gefragt und ich meinte, dass es an der Zeit wäre, einen Spider-Man der Generation Smartphone zu schaffen und einen Highschool-Film auch noch. Diese Idee hat man sich angehört.
 
Und dann?
Gingen die Monate ins Land. Ich wurde immer mal wieder gebeten, über meine Ideen zu sprechen. Bis ich eines Tage in New York im Taxi einen Anruf erhielt. Ich kam gerade von einem Festival, bei dem mein Film „Cop Car“ gezeigt wurde. Ich ging also ans Telefon und eine Stimme sagte zu mir: „Wo genau bist du gerade? Du hast den Job, aber du darfst es niemandem sagen. Es wird erst in ein paar Tagen bekanntgemacht. Sollte vorher jemand etwas in der Öffentlichkeit sagen, verlierst du den Job, alles klar?“ Also habe ich mich still gefreut, damit nicht mal der Taxifahrer was merkt.
 
Und Sie durften es absolut Niemandem erzählen?
Um ehrlich zu sein, meine Frage war: „Darf ich es wenigstens meiner Frau sagen?“ Ja, das durfte ich. Ansonsten sollte ich totale Ruhe bewahren. Doch wie es bei diesen Berufsgeheimnissen meist ist, es kam früher raus als gedacht. Aber ich habe nichts verraten!

Jon Watts: „Tom Holland ist der ideale Spider-Man” © Sony

Spider-Man gehört zu den Ikonen der Comic-Kunst schlechthin. Wer einen neuen Spidey-Film macht, wird natürlich verglichen. Ist es in diesem Kontext überhaupt möglich, etwas komplett Neues zu erfinden?
Also, es geht nach wie vor um Peter Parker alias Spider-Man, und ja, er hat auch wieder die Fähigkeit, mit Spinnennetzen um sich zu schießen. Aber sonst ist alles neu. Tom Holland ist für mich der perfekte Peter Parker. Einfach, weil zum ersten Mal das Alter stimmt für einen Coming-of-Age-Film. Dann ist Spider-Man hier Teil der Marvel-Welt. Das verändert alles. Sonst war es doch so, dass sich Spider-Man quasi selbst erkennen musste und dann tauchten die Bösewichte auf. Jetzt ist er derjenige, der Teil einer viel größeren Superhelden-Welt ist. Und zugleich muss er wie jeder Jugendliche zusehen, wie er durch die Pubertät kommt.
 
Das heißt, einen Film wie „Spider-Man – Homecoming“  mit dieser Lesart hätte es schon früher geben können?
Aus meiner Sicht: Nein! Es musste erst diese Marvel-Welt erschaffen werden, um nun Spider-Man einzuführen. Außerdem, aber da will und kann ich nicht allzu sehr ins Detail gehen, war es eine Rechtefrage. Für „Spider-Man – Homecoming” mussten sich Sony und Marvel einigen. Bevor wir den Film drehen konnten, war ein ziemlich irrer Deal zwischen den Seiten vonnöten.

Tom Holland mit Robert Downey Jr: „Spider-Man ist jetzt Teil der Marvel-Welt” © Sony

Tom Holland wurde 2016 in „The First Avenger: Civil War“ an der Seite von Stars wie Robert Downey Jr. (Iron Man) oder Scarlett Johansson (Black Widow) als Spider-Man eingeführt. Am Anfang von „Homecoming“ sieht man Zitate aus diesem Film. Und zwar den Kampf auf dem Airport Leipzig-Halle. Konnten Sie auf das Material der Kollegen zurückgreifen?
Oh nein, wir haben alles neu erschaffen. Um den Kampf aus Peter Parkers Sicht zeigen zu können.
 
Aber im Film sind davon gefühlt…
…zehn Sekunden zu sehen - ich weiß! Aber das macht eben Marvel aus. Ich habe denen gesagt, dass wir das nicht alles nochmal aufbauen müssen. Doch man sagte mir: „Auf jeden Fall machen wir das!“
 
Sind Sie noch einmal nach Leipzig gefahren, um das zu drehen?
Nein, die Kulissen haben wir nachbauen lassen. Auf einiges an digitalem Material konnten wir zurückgreifen. Aber dann konnten wir die Sequenz nicht mal mit einer tollen Kamera aufnehmen. Denn Peter filmt das ja alles mit seinem Telefon. Ja, das ist schon der kleine Wahnsinn, an den man sich bei solchen Filmen erst gewöhnen muss. Ich habe mich zu Beginn ein paar Mal geschüttelt. Aber irgendwann hört man auf zu staunen und macht einfach mit.
 
Die Fans sind mittlerweile daran gewöhnt, dass es bei vielen Filmen im Abspann noch zusätzliche Szenen gibt. Standen Sie da nach „Guardians of the Galaxy Vol. 2” mit seinen fünf Abspann-Szenen unter Druck?
Sie meinen, dass ich das toppen muss? Nein. Marvel hat nach „Guardians Vol. 2” gemerkt, dass das nicht endlos so weitergehen kann.
 
Die Fans würden es lieben.
Das ist gut möglich. Aber mir wurde gesagt, dass weniger besser wäre als zu viel. So viele Post-Credit-Scenes wird es bei Marvel nicht mehr geben. Ich kann nur eines sagen: Mir ist besonders die allerletzte Szene im „Spider-Man“-Abspann wichtig.
 
Werden diese Szenen eigentlich gleich zu Drehbeginn mit eingeplant?
Nein, das geht überhaupt nicht. Man weiß ja nicht schon vorher, welche Sequenzen im Schneideraum Bestand haben werden und welche nicht. Die Arbeit an diesen Szenen kommt ganz zum Schluss.
 
Tom Holland hat gleich für vier oder fünf Filme als Spider-Man unterschrieben, da er auch in anderen Filmen der Marvel-Welt auftauchen wird. Für wie viele Filme haben Sie einen Vertrag?
Kann ich Ihnen jetzt gar nicht sagen. Ich denke, dass ich den zweiten Teil - wenn alles gut geht - noch inszenieren werde. Und danach? Keine Ahnung. Hängt davon ab, ob die Menschen meine Vision des jungen Spiderman mögen.
 
Haben Sie mit der Arbeit an Teil Zwei schon begonnen?
Immer nur ein Film zur selben Zeit, das ist meine Devise. Aber ich glaube, dass wir bei Spider-Man bisher nur ein bisschen an der Oberfläche gekratzt haben. Da stecken noch sehr viele Geschichten drin.



Kritik
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