Jan Bülow über den Film „Lindenberg! Mach Dein Ding“


„Mich hatte niemand auf dem Zettel“

18.01.2020
Interview:  Peter Beddies

Preisgekrönt mit dem Bayerischen Filmpreis: Jan Bülow beim Dreh von „Lindenberg! Mach dein Ding“ © DCM

Wenn das mal kein Senkrechtstart ist. Noch als Schauspielstudent bewarb sich der Berliner Jan Bülow, 23, für die Titelrolle im Rock-Biopic „Lindenberg! Mach dein Ding“. Dann bekam er den Zuschlag – und musste während des Drehs dauernd nach Zürich pendeln, wo er den „Hamlet“ spielte. Und jetzt, pünktlich zum „Lindenberg!“-Kinostart am 17. Januar, erhielt er für seine Rolle den Bayerischen Filmpreis als bester Nachwuchsdarsteller. Im FilmClicks-Interview erzählt Bülow  über das Casting, über die erste Begegnung mit Udo – und auch, wie er sich mit der Stadt Wien vertraut macht. Seit dem Sommer 2019 gehört Bülow nämlich zum Ensemble des Burgtheaters. Dort kann man ihn gegenwärtig im arabisch-jüdischen Beziehungsdrama „Vögel“ von Wajdi Mouawad und im skandinavischen Mythen-Epos „Die Edda“ auf der Bühne erleben.


Frappierende Ähnlichkeit: Jan Bülow als junger Udo Lindenberg © DCM

FilmClicks: Herr Bülow, wenn man Sie und Lindenberg nebeneinander auf Fotos sieht, wird klar: Die Udo-Rolle konnten nur Sie bekommen, oder?

Jan Bülow: Von wegen. Mich hatte niemand auf dem Zettel, als nach dem Hauptdarsteller gesucht wurde.
 
Kann nicht sein.
War aber so. Als das Casting stattfand, war ich ja noch Schauspiel-Student an der Hochschule. Irgendwann kam jemand zu mir und meinte: „Die casten da gerade. Der und der war gerade da. Du siehst doch ein bisschen wie Udo aus. Bist sicher mit dabei!“ Darauf konnte ich nur sagen: „Nö! Ehrlich gesagt nicht.“
 
Wie hat es dennoch geklappt?
Naja, ich hatte damals schon einen Agenten. Den habe ich angerufen. Ich habe richtig gehört, wie der am anderen Ende der Leitung gelächelt hat und meinte: „Weißt du, da wird gerade jeder gecastet, also… Aber wenn du willst, schick mir doch mal ein Video mit einem Lindenberg-Lied.“
 
Hatten Sie gleich einen Favoriten?
Nein. Ich habe meinen Vater gefragt, welches Lied geeignet wäre. Der hat mir dann „Andrea Doria“ empfohlen. Ich habe es mit Freunden aufgenommen und abgeschickt. Und dann passierte etwas, womit ich nicht gerechnet hatte.
 
Sie wurden sofort zum Casting eingeladen?
Nein, aber das Video ging im Internet viral. Mich haben plötzlich auch Menschen angesprochen, die mit dem Film überhaupt nichts zu tun hatten. Die fanden das offenbar toll, was ich da gemacht hatte. Tja und plötzlich wurde ich auch zu den Castings eingeladen. Beim ersten Vorsprechen allerdings hatte ich hinterher das Gefühl: „Oh mein Gott, das habe ich so verkackt!“ Aber letzten Endes habe ich die Rolle bekommen.
 
Die Sie dann beinahe nicht hätten spielen können.
Ja, es gibt so Momente, in denen man am liebsten ausrufen möchte: „Na prima, erst kommt lange Zeit überhaupt nichts und dann alles auf einmal!“ Ja, das Schauspielhaus Zürich hatte mich zwischendurch engagiert und mir als erste Hauptrolle ausgerechnet „Hamlet“ angeboten. Da sagt man nicht nein. Aber leider sollten zur selben Zeit die Dreharbeiten stattfinden. Also habe ich beides gleichzeitig gemacht.
 
Das funktioniert?
Ich weiß nicht, ob ich das häufiger brauche. Aber da beide Seiten flexibel waren und mir das Schauspielhaus sehr entgegengekommen ist, ging das.
 
Und da vermischt sich nichts im Kopf?
Naja, die Frage höre ich jetzt schon häufiger. Das Witzige ist, sowohl bei Udo als auch bei Hamlet ging es mir so, dass ich das bei der Arbeit alles gut hinbekommen habe. Das große Nachdenken bei beiden Projekten setzte erst hinterher ein.
 
Wie ist es denn nun, wenn man die Legende Udo Lindenberg zum ersten Mal persönlich trifft?
Ich war natürlich wahnsinnig aufgeregt. Mir gingen Fragen durch den Kopf wie: „Erkennt er mich an? Sagt er, dass ich das machen soll? Ist das Vertrauen da?“ Und dann das erste Treffen. Wenn ich gefragt werde, wie Udo so ist – und das werde ich häufig gefragt – dann sage ich: „Er ist ein wahnsinnig guter Gastgeber!“ So habe ich ihn kennengelernt – als einen hervorragenden Gastgeber. Wir haben uns bei ihm in Hamburg getroffen und einfach drauflos gequatscht. Er hat es mir auf jeden Fall von Beginn an sehr einfach gemacht.
 
Hat man gleich im Hinterkopf, wer einem da gegenübersitzt?
Nein, das war mir lustigerweise zuerst überhaupt nicht klar. Wir saßen da bei ihm im Hotel Atlantic, im Hintergrund die Außenalster. Die verschwand immer mehr, je später es wurde. Udo hat das Licht nicht angemacht. Wie er da so vor dem Fenster saß, habe ich irgendwann nur noch den Umriss von ihm gesehen, mit dem leicht hüpfenden Hut. Und da ging es mir durch den Kopf: „Wow, vor wem sitze ich da eigentlich?“ (lacht)
 
Nach dem Kennenlernen kam dann aber der Punkt, an dem Sie ihren eigenen Udo finden mussten. Was war Ihr Weg, das hinzukriegen?
Immer an ihn denken, aber auch mein Ding machen! So würde ich es beschreiben. Immer mit Respekt an Udo denken. Aber nicht sklavisch an seinem Leben kleben. Da ist ja keine Doku, die wir gedreht haben. Es ging um die Episode, in der Udo Lindenberg erkannt hat, dass es ihn auf die Bühne zieht, dass er es wagen will, der deutschen Sprache in der Musik eine Chance zu geben. Man darf sich zwar die Frage stellen: „Was hätte Udo an dieser und jener Stelle gemacht?“ Aber wir mussten immer unseren Weg gehen. Also lieber neu erfinden statt zu kopieren. Das wäre schief gegangen.
 
Wie bereiten Sie sich auf Texte – ob nun Theater oder Film - vor? Irgendwo einsam in einem Zimmer?
Nee, lieber auf den Straßen einer Stadt. Das habe ich schon in Berlin gern gemacht und danach in Zürich und jetzt auch in Wien. Ich laufe sehr gern durch Städte und versuche zu begreifen, wie sie gebaut wurden, wie die Teile miteinander zusammenhängen. In Berlin zum Beispiel weiß ich zu jeder Zeit, wo ich bin und wie die Stadt da gebaut wurde. Tja und nebenbei kann man da prima den Kopf freibekommen.

Burgtheater Wien: Jan Bülow in „Vögel“ (mit Nadine Quittner) © Matthias Horn / Burgtheater

Seit dem Sommer 2019 spielen Sie am Burgtheater in Wien. Wie erläuft sich die Stadt für Sie?
Ach, ich habe mir schon eine Menge erschlossen. Wien und Berlin sind ja ähnlich gebaute Städte. Also, man findet viele Gemeinsamkeiten. Wien ist nicht besonders kompliziert gebaut. Für mich ist es immer wieder schön, diesen Aha-Effekt zu haben: „Wenn ich jetzt hier langlaufe, komme ich da hin. Da liegt also dieser Bezirk direkt neben dem – interessant! Das wusste ich noch gar nicht.“ Denn was passiert, wenn wir mit den Öffentlichen unterwegs sind? Jeder starrt auf sein digitales Endgerät. Das kann einem nicht passieren, wenn man eine Stadt erkundet beim Spazierengehen. Laufen ist schon was Schönes, irgendwie!
 



Kritik
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