Daniel Brühl


„Ich spiele gern Rollen, auf die ich in gewisser Weise neidisch bin“

30.10.2013
Interview:  Anna Wollner

Daniel Brühl als Daniel Domscheit-Berg in "Inside WikiLeaks - die fünfte Gewalt" © Constantin Film

Es ist das Jahr von Daniel Brühl. In „Rush“ verzaubert er als NIki Lauda nicht nur das Publikum, sondern auch die Kritiker. Jetzt, ein paar Wochen später kommt die nächste Hollywood-Produktion mit ihm in die Kinos. In „Inside WikiLeaks“ spielt der Deutsche den Polit-Aktivisten und WikiLeaks-Mitbegründer Daniel Domscheit-Berg. FilmClicks traf Brühl zur Weltpremiere bei den Filmfestspielen in Toronto.


Herr Brühl,  ist es für einen fiktiven Film über WikiLeaks nicht noch ein wenig zu früh?
Nein, denn es ist ein relevantes und wichtiges Thema. Die Sachlage ändert sich zwar Tag für Tag - als wir den Film gedreht haben, wussten wir noch nichts von Edward Snowden -, aber es ist spannend, Teil einer öffentlichen Diskussion zu sein. Wenn der Film etwas zu der Debatte beitragen kann und der Film ein neues Bewusstsein für WikiLeaks schafft, haben wir unser Ziel erreicht. Wir stehen ja erst am Anfang einer großen und langen öffentlichen Diskussion.
 
Ist es für Sie als Schauspieler überhaupt möglich, Einsichten in das komplexe Innenleben einer realen Figur zu bekommen?
In gewisser Weise ja. Auf der einen Seite ist es eine große Verantwortung, wenn ich eine reale Person spiele. Ich will in erster Linie glaubhaft sein. Man hofft natürlich immer, eine gute Beziehung zu dieser Figur aufzubauen. Wenn die reale Person überhaupt erlaubt, Fragen zu stellen und bereit ist, sich zu öffnen. Ich hatte Glück.
 
Wie haben Sie und Daniel Domscheit-Berg sich verstanden?
Sehr gut. Ich habe Daniel bei sich zuhause besucht. Wir haben zusammen in der Küche gesessen, auf einmal kamen zwei blasse Typen runter und haben sich als Aktivisten aus Frankreich vorgestellt. Sie haben ein paar Tage bei Daniel gewohnt. Er hat eine ganze Etage seines Hauses mit Computern ausgestattet – alles was das Technik-Herz begehrt. Die Franzosen haben da gearbeitet. Das war mir sofort sympathisch. Daran habe ich gemerkt, dass Daniel ein echter Aktivist ist. Und dass er selbst nach den schmerzhaften Erfahrung mit Wikileaks nicht aufhört. Das hat mich nachhaltig beeindruckt. Ich spiele gerne Rollen, auf die ich in gewisser Weise neidisch bin.

Wofür bewundern Sie Domscheit-Berg noch?
Für seine Leidenschaft und sein Engagement. Dass er bereit war, so viel aufzugeben. Für eine Idee. Das nenn ich mal Einsatz. Natürlich ist der Film ein Spielfilm,  es gibt dramatische Überhöhungen, es ist kein Eins-Zu-Eins-Porträt von Daniel und Julian Assange. Aber ich bin als Schauspieler kein Imitator, ich muss meinen eigenen Zugang finden.
 
Sie spielen Daniel als Sympathieträger, dabei wird er auch hart von Julian Assange und Wikileaks-Unterstützern kritisiert. Denken Sie, die Kritik ist berechtigt?
Es ist unglaublich komplex. Ich habe viele Bücher gelesen und versucht, mich in die unterschiedlichen Perspektiven zu versetzen. Das war ein sehr verzwickter Punkt im Film. Es gibt einfach so viele Standpunkte. Ich habe für mich irgendwann beschlossen, Domscheit-Berg zu vertrauen und wüsste nicht, warum ich an seiner Integrität zweifeln sollte. Für mich macht seine Betrachtungsweise Sinn. Natürlich gibt es auch andere Wahrheiten. Aber der Film lädt ja genau dazu ein: für sich selbst die Wahrheit rauszufinden.
 
Haben sich Ihre politischen Ansichten durch den Film verändert?
Als ich das erste Mal von Wikileaks gehört habe, war ich wie weggeblasen. Ich fand die Idee intelligent, wichtig und revolutionär. Die ganze Sache mit der Transparenz und der Veröffentlichung von Dingen, die die Bevölkerung wissen sollte. Natürlich liegt darin auch ein gefährliches Potential. Ich stelle heute viel mehr in Frage und habe begonnen, Quellen erstmal zu misstrauen. Ich besorge mir meine Informationen heute aus unterschiedlichen Quellen und versuche für mich meine eigene Wahrheit zu finden.



Kritik
Inside WikiLeaks – Die fünfte Gewalt
„Inside WikiLeaks – Die fünfte Gewalt“ widmet sich dem Aufschwung der Enthüllungsplattform - aber auch der Freundschaft und dem Konflikt zwischen Wikileaks-Mastermind Julian Assange (Benedict Cumberbatch) und seinem Kumpel Daniel Domscheit-Berg (Daniel Brühl). Mehr...