Claudia Wohlgenannt , Anna Katharina Wohlgenannt über ihre Doku „Was wir nicht sehen“


Die Qualen durch die Strahlen

28.10.2014
Interview:  Peter Beddies

„Was wir nicht sehen“: Produzentin Claudia Wohlgenannt (l.) & Regisseurin Anna Katharina Wohlgenannt © Hendrik Ertel

„Was wir nicht sehen“: Kennen Sie das auch? Sie fühlen sich schlapp nach dem Einkauf im Technik-Supermarkt? Einkaufszentren verursachen Ihnen Kopfschmerzen oder Sie finden erst dann Ruhe, wenn das WLAN ausgeschaltet ist? Dann leiden Sie eventuell unter einem Phänomen namens elektromagnetische Hypersensibilität. Diese kann Höllenschmerzen auslösen, wenn man unter Handystrahlung und Co. leidet. Die beiden  österreichischen Filmemacherinnen Anna Katharina Wohlgenannt (Regie) und Claudia Wohlgenannt (Produktion) – nicht miteinander verwandt – haben ihren Film „Was wir nicht sehen“ jetzt bei den 48. Filmtagen im bayerischen Hof präsentiert.




FilmClicks: Reden Sie in „Was wir nicht sehen“ von einem Phänomen, das vielleicht noch belächelt, aber in zehn Jahren von der Politik ganz oben auf der Agenda geführt wird?

Anna Katharina Wohlgenannt: Schwer zu sagen. Aus heutiger Sicht wird die elektromagnetische Hypersensibilität wahrscheinlich eher nicht zum großen Thema. In diesem Markt geht es um unglaubliche Summen, die investiert wurden. Jeder von uns hat ein Handy und andere mobile Technik. Die Politik denkt darüber nach, dass jeder Mensch überall kabellosen Empfang haben kann. Die Kranken fallen da nicht ins Gewicht. Es wäre ein Wunder, wenn es anders käme.
 
Wie kommt man auf die Idee, einen Film über die elektromagnetische Hypersensibilität zu drehen?
Claudia Wohlgenannt: Bei mir hat das Interesse mit einer Schweizer Künstlerin begonnen. Claudia Hesse Honegger. Sie malt Wanzen, die sie um Umfeld von Atomkraftwerken sammelt. Sie dokumentiert sehr wissenschaftlich deren Deformation. Ich fand es spannend, was diese radioaktive Strahlung mit der Natur anstellt. Dann passierte Fukushima und wir dachten, jeder würde sich auf das Thema der Strahlung stürzen.
 
Was nicht passiert ist.
Claudia: Genau. Wir haben bei unserem Filmprojekt deswegen den Titel „Was wir nicht sehen“ beibehalten, uns jedoch einen anderen Bereich der Strahlung, nämlich den der Handys, herausgepickt.
 
Wenn wir von dieser Hypersensibilität sprechen. Wie viele Menschen könnten davon betroffen sein?
Anna Katharina: Man sagt, ungefähr drei bis sechs Prozent aller Menschen. Aber die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen.
Claudia: In Schweden ist das Phänomen schon sehr gut erforscht. Unser schwedischer Protagonist hat uns erzählt, dort werde von einer Dunkelziffer von zehn bis 15 Prozent ausgegangen.

 
Ihr Film beginnt mit der deutschen Klangkünstlerin Christina Kubisch. Sie hat einen Apparat (eine Art Empfänger-Kopfhörer) entwickelt, mit dem man all das, was man nicht sieht, hören kann. Dass der Apparat bei Handys ausschlägt, ist klar. Aber dann kommt sie zum Beispiel zu einem harmlos aussehenden Konto-Auszugsdrucker.
Anna Katharina: Und da spielt das Gerät dann verrückt. Es herrscht ein großes klangliches Chaos. Das wussten wir zum Beispiel auch nicht, wie sehr diese Maschinen Strahlen senden. Oder die Geräte, die an Geschäftsausgängen stehen und sicherstellen sollen, dass niemand in dem Laden etwas stiehlt. Die strahlen wie verrückt. In einem Supermarkt hat Christina Kubisch eine schwangere Frau gesehen, die Stunde für Stunde direkt neben so einem Ding saß. Als sie ihr die Kopfhörer aufgesetzt hatte, war sie echt erschrocken.
 
Nun könnte man dem Problem ganz einfach beikommen. Es gibt etwas, das unserer Gesundheit schadet. Also müsste die Politik dagegen vorgehen.
Claudia: So einfach ist es leider nicht. Zum einen gibt es noch keinen einwandfreien Beweis, dass die Strahlen für alle Menschen gesundheitsschädlich sind. Und zum anderen erscheinen ständig Studien zum Thema. Sobald eine Studie erschienen ist, die besagt, dass von der Strahlung Gefahr ausgeht, kommt die nächste Studie heraus.
 
Sie schildern das Leid von Menschen in Deutschland, in Skandinavien, in den USA, die für sich eine Lösung finden mussten, sich von der Strahlung zu befreien. Wie findet man diese Menschen, im Netz? Wohl eher nicht.
Anna Katharina: Genau. Da sind diese Menschen eher nicht vertreten. Aber sie haben sich zu Gruppen zusammengeschlossen. Diese Gruppen muss man finden und dann mit den Leuten reden. Wobei das nicht so einfach ist. Denn sie haben Angst, dass sie missverstanden werden. Es hat eine ganze Zeit gebraucht, bis sie mit uns gesprochen haben.
 
Sie haben insgesamt vier Jahre Lebenszeit in dieses Projekt gesteckt. Wie halten Sie es mittlerweile mit der kabellosen Technik?
Claudia: Ich habe eine ganze Weile versucht, Handys zu finden, die strahlungsarm sind. Aber das ist ein Wert, nach dem man erst fragen und suchen muss. Außerdem fallen dann die neuesten Geräte sowieso immer gleich weg. Aber da ich Kinder habe, ist mir das sehr wichtig. Zu Hause versuche ich, das WLAN nur sehr selten anzumachen.
Anna Katharina: Man sollte versuchen, das haben wir gelernt, die Strahlung zu vermeiden. Handy-Gespräche zwischen Claudia und mir gibt es nur noch extrem selten. Wir versuchen, alles über SMS und Mail zu klären.
 
Aber trotzdem mit dem Smart-Phone. Das macht doch keinen Unterschied.
Anna Katharina: Doch, doch. Sie dürfen nicht vergessen, dass das Handy, wenn es die Verbindung aufbaut oder versucht zu halten, dieselbe Stärke haben muss wie ein Sendemast. Es gibt einen Fall, der nachweist, dass ein Mensch einen Tumor bekommen hat, weil er über Jahre hinweg das Telefon am Ohr hatte. Wenn schon mobiles Telefon, dann nur mit Freisprecheinrichtung.
Claudia: Es gibt ganz einfache Dinge, die man beherzigen sollte. Zum Beispiel ist ein Handy immer dann extremer Strahlung ausgesetzt, wenn es wählt. Also das Telefon, wenn es wählt, von sich weg halten und erst zum Sprechen ans Ohr nehmen.    
 
Wie geht es mit Ihrem Film nach der Premiere in Hof weiter?
Claudia: Wir sind in Gesprächen mit einem Verleih in Österreich und hoffen, dass der Film im Frühjahr in die österreichischen Kinos kommt. Und es gibt auch Kontakt zu einem Weltvertrieb.