Christine Dollhofer über das Festival Crossing Europe 2015


„Themen, die Europa heute bewegen“

24.04.2015
Interview:  Gunther Baumann

„Die Filme sollen spannend sein“: Crossing-Europe-Direktorin Christine Dollhofer © Magdalena Blaszczuk

Christine Dollhofer leitet zum zwölften Mal das Filmfestival Crossing Europe (23. bis 28. April) in Linz. 160 Produktionen sind 2015 zu sehen. Der Schwerpunkt liegt wie immer auf Filmen, die ein gesellschaftliches Anliegen vertreten. „Die junge Generation der Regisseure befasst sich mit Themen, die Europa heute bewegen“, sagt die Festival-Direktorin im FilmClicks-Gespräch.


FilmClicks: 160 Filme aus 45 Ländern: Wie leicht, wie schwer, wie spannend war es, dieses Programm für Crossing Europe zusammenzustellen?
Christine Dollhofer: Das war wie immer ein Prozess, der sich über Monate zog. Die Sichtungen begannen gleich nach dem Ende von Crossing Europe 2014 beim Festival Cannes. Ein wichtiger Bestandteil unseres Programms sind Filme, die ich auf meinen Festivalreisen, oft in den Nebenschienen, entdecke. Dann gibt es Filme, die wir aktiv bestellen, und Filme, die eingereicht werden. Wir bekommen um die 800 Zusendungen aus ganz Europa. Auch da sind immer wieder Entdeckungen dabei, auf die wir sonst vielleicht gar nicht gestoßen wären.
 
Crossing Europe hat zwar kein Motto, aber Sie haben im Vorfeld ein thematisches Grundgerüst beschrieben: Politische Umbrüche, ökonomische Krisen und der bewusste Rückzug aus der Gesellschaft – solche Themen stehen bei vielen Filmen im Vordergrund.
Das war nicht geplant. Solche Themenstränge ergeben sich aus dem Programm, wenn man sieht, dass sie sich in diversen Arbeiten widerspiegeln. Natürlich setzen wir bei der Auswahl einen Schwerpunkt auf Filme, die sich mit gesellschaftspolitischen Themen beschäftigen. Aber bei unserer Auswahl geht es nicht nur um die Inhalte. Die Filme müssen  eine bestimmte künstlerische Position vertreten und eine eigene Handschrift haben.  Man könnte das Festival auch unter ganz anderen Gesichtspunkten zusammenstellen. Doch interessanterweise befasst sich gerade die junge Generation der Regisseure mit Themen, die Europa heute bewegen.
 
Generell scheint das Programm von großem Ernst geprägt zu sein.
Nun, wir zeigen keine didaktischen Werke, die mit dem Zeigefinger in bestimmten Wunden bohren, sondern die Filme verhandeln diese Themen oft auch in einem Subtext, der in eine ganz alltägliche Lebensgeschichte eingebunden sein kann. Die Filme sollen Lust machen, sie sollen spannend sein. Natürlich kann man bei Crossing Europe auch lachen – wir haben sehr unterhaltsame Spielfilme und Dokumentationen im Angebot. Auch Filme mit ernsten Themen können unterhaltsam sein.
 
Einen großen Schwerpunkt bei Crossing Europe 2015  machen Filme aus Osteuropa aus. Ist das Zufall, oder haben Sie das so geplant?
Wir zeigen Filme aus allen Teilen Europas, auch aus dem Norden, dem Westen und dem Süden. Wenn diesmal der Osten besonders stark vertreten ist, dann hat sich das einfach so ergeben, weil viele interessante Filme von dort zur Auswahl standen. Wir freuen uns, Filme aus Ländern zu präsentieren, die im Festivalbetrieb eher selten vorkommen. Aus Moldawien etwa, aus Albanien oder Georgien. Außerdem ist der Tribute von Crossing Europe dem ukrainischen Regisseur Sergei Loznitsa gewidmet.

Und Filme aus Russland und aus der Ukraine werden friedlich nebeneinander gezeigt…
Natürlich. Die Film- und Kunstszene ist nicht nach nationalen politischen Interessen aufgestellt. Da stehen mehr die Brücken im Vordergrund.

Crossing Europe 2015: „Maidan“ von Sergei Loznitsa © Crossing Europe

Sie haben Sergei Loznitsa erwähnt. War das internationale Aufsehen, das er mit der Doku „Maidan“ weckte, ausschlaggebend dafür, dass Sie eine komplette Werkschau seiner Filme zeigen?
Nein. Ich verfolge die Arbeiten Loznitsas schon seit Jahren. Er ist ja schon seit den Neunziger Jahren aktiv und hat mit seinen Filmen viele Preise errungen. Wir finden es legitim, einen so interessanten Filmautor mit seinem gesamten Werk vorzustellen.
 
In der Schiene Local Artists zeigen Sie auch Filme aus Österreich. Da haben Sie dieses Jahr mit Hubert von Goisern und der ihm gewidmeten Doku „Brenna tuat’s scho lang“ ein besonderes Zugpferd.
Richtig, und ich muss sagen, ich mag diesen Film sehr. Hubert von Goisern ist eine unglaublich sympathische Persönlichkeit. Ich freue mich sehr, dass man uns diese Premiere angeboten hat und dass Hubert von Goisern den Film persönlich präsentiert. Thematisch passt der Film außerdem sehr gut zu Linz, weil das Goisern-Projekt der Linz-Europa-Tour, über die Donau Richtung Norden und Richtung Schwarzes Meer, eine wichtige Rolle spielt.

Crossing Europe 2015: „Hubert von Goisern: Brenna tuat's schon lang“ von Marcus H. Rosenmüller © Langbein & Partner

Wie viele Besucher werden bei Crossing Europe 2015 in Linz erwartet? Wie geht es dem Festival finanziell?
Wir stellen ein sehr großes Interesse vom lokalen und regionalen Publikum fest, außerdem kommen 700 Gäste aus dem Filmbereich. 160 Filmschaffende präsentieren ihre Arbeiten persönlich. Letztes Jahr hatte das Festival 20.000 Besucher, und ich gehe sehr stark davon aus, dass wir das wieder erreichen werden.  Viel mehr ist nicht möglich, weil unsere Kapazitäten in den Festivalkinos beschränkt sind. Stadt und Land stehen voll hinter dem Festival; auch deshalb, weil es zum europäischen, internationalen Geist im Kulturkalender beiträgt. Natürlich ist die Finanzierung heutzutage für alle Kultur-Veranstaltungen schwierig. Das ist immer eine Tour de Force. Wir haben aber wieder ein Budget von etwa 500.000 Euro auf die Beine gestellt, das es uns ermöglicht, ein tolles Festival zu machen.