Eddie Redmayne über Stephen Hawking und seinen neuen Film „Die Entdeckung der Unendlichkeit“


„Hawkings Formeln habe ich auswendig gelernt!“

25.12.2014
Interview:  Anna Wollner

Eddie Redmayne als Stephen Hawking in „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ © Universal

Eddie Redmayne: Er war der Revolutionär Marius im Kino-Musical „Les Miserables“ und der scheue junge Mann, der in „My Week With Marilyn“ das Herz der Monroe eroberte. Jetzt klettert der 32-jährige Londoner weiter auf der Karriere-Leiter empor. Sein Porträt des Astro-Physikers Stephen Hawking in „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ brachte ihm eine Nominierung für den Golden Globe ein. Redmayne wird auch als  Oscar-Kandidat gehandelt. Im FilmClicks-Gespräch erzählt er, dass er bei der ersten Begegnung mit Hawking sehr nervös war – und dass ihm die Welt der Wissenschaft bisher verschlossen blieb: „Alles, was Hawking je geschrieben hat, übersteigt meinen Intellekt.“


FilmClicks: Kannten Sie Stephen Hawking bevor Ihnen das Drehbuch zu „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ angeboten wurde?
Eddie Redmayne: Vom Hörensagen. Ich habe selbst in Cambridge studiert, Kunstgeschichte, und sah Hawking ein paar Mal auf dem Campus, kannte seinen Rollstuhl und seine Stimme. Ich wusste, dass er irgendwas mit schwarzen Löchern zu tun hatte, aber das war es dann auch schon. Jeder Teil des Films war für mich wie Unterricht.
 
Hatten Sie die Chance, Stephen Hawking im Rahmen des Filmprojekts zu treffen?
Oh ja, und das war richtig kompliziert, einfach weil Stephen einen so vollen Terminkalender hat und wirklich große Probleme des Universums lösen muss. Ich habe ihn erst kurz vor den Dreharbeiten kennengelernt.
 
War das für die Vorbereitung nicht fast zu spät?
Wir haben den Film nicht chronologisch gedreht. Ich musste mir also schon früh darüber im Klaren sein, wie ich Stephen zu jeder Zeit darstellen will. Als ich ihn traf, war ich sehr verschüchtert.
 
Und wie verlief das erste Treffen?
In der Realität spricht Hawking noch langsamer als im Film – er kann ja nur noch über diesen einen Gesichtsmuskel kommunizieren. Es gibt also diese langen Pausen in seinem ganz eigenen, einzigartigen Rhythmus. Ich selbst hasse Stille, ich werde da immer ganz nervös. Ich habe also rund vierzig Minuten damit zugebracht, ihm einfach Informationen über ihn zu erzählen. Es ist einfach aus mir rausgesprudelt. Das war eigentlich schon ziemlich peinlich.

Eddie Radmayne mit Filmpartnerin Felicity Jones bei Stephen Hawking © Universal

Wussten Sie, wovon Sie im Film reden, wenn es um den Wissenschaftler Hawking ging?
Nein. Ich habe mit 13 Jahren die Wissenschaft aufgegeben. Ich bin, was das betrifft, absolut unnütz. Also musste ich für den Film eine ganze Menge nachholen. Aber alles, was Stephen je geschrieben hat, übersteigt meinen Intellekt. Ich begann meine Recherchen auf diesen furchtbar komplizierten Astronomie-Webseiten. Danach wechselte ich erstmal auf eine Astronomie-Seite für Kinde.
 
Hat es geholfen?
Na ja, für die Grundlagen. Ich bekam Nachhilfe von einem ehemaligen Studenten von Stephen Hawking. Der ist heute selbst Professor und versuchte, mir die String-Theorie zu erklären. Ich sagte zu ihm: stell‘ dir vor, ich wäre Sieben, rede mit mir wie mit einem Kind. Aber die Lektion war wichtig. Ich musste verstehen, wovon ich überhaupt rede.
 
Und die ganzen Formeln?
Auswendig gelernt. Mit Eselsbrücken. In einer Szene zum Beispiel schreibe ich Formeln auf eine Tafel. Ich habe mir die Tafel als Leinwand vorgestellt, wie bei einem großen Gemälde. Statt Mathematiker war ich einfach Künstler und habe mit meinem Pinsel - respektive der Kreide - ein Kunstwerk verfeinert.
 
Hat die Auseinandersetzung mit Stephen Hawkings Theorien Ihr eigenes Weltbild verändert?
Zwangsläufig, ja. Ich bin wieder neugierig geworden, selbst zu denken. Denn da war ich in den letzen Jahren echt faul. Darüber, warum wir hier auf der Welt sind und all das. Stephens Ansatz ist dabei, dass wir jede Sekunde unseres Lebens nutzen sollten. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns immer Fragen stellen. Stephen hat sich kürzlich bei Facebook angemeldet. In seinem ersten Post waren die letzten Worte: Sei neugierig. Das ist typisch er. Mit nur zwei Worten bringt er es auf den Punkt.
 
Das Denken von Stephen Hawking ist das Eine. Das Andere ist die physische Veränderung, die er mitmacht und die Sie vor der Kamera durchleiden. Wie war das?
Als ich die Rolle annahm, habe ich erst mit einer Tänzerin zusammengearbeitet, um meine Muskeln zu trainieren und diese unnatürliche Körperhaltung annehmen zu können. Sie hat mich zu einem Osteopathen geschickt. Der Arzt war großartig. Er meinte irgendwann: ah, deine Wirbelsäule verschiebt sich. Ich bin zu einer Art Fallstudie für ihn geworden, er wollte unbedingt einen Aufsatz über mich schreiben.
 
Sie sind für die Hawking-Rolle für den Golden Globe nominiert und werden für einen Oscar gehandelt. Immer in Konkurrenz zu Ihrem guten Freund Benedict Cumberbatch. Gibt es plötzlich Konkurrenz zwischen Ihnen?
Nein, Ben ist ein alter Freund von mir. Vor ein paar Wochen erst waren wir zusammen bei einer Veranstaltung, dem Breakthrough Award. Eine Preisverleihung für Mathematiker und Physiker, er hat den Mathematik-Preis übergeben, ich den für Physik. Benedict hat ja auch schon Stephen Hawking gespielt. Ich musste mich entscheiden, ob ich mir in der Vorbereitung seinen Film anschaue oder nicht. Das ließ ich dann bleiben, weil ich die Befürchtung hatte, Ben kopieren zu wollen. Bis heute habe ich seinen Film nicht gesehen. Ich will mich noch immer nicht davon beeinflussen lassen.

Umgeben von „Redmaniacs“: Eddie Redmayne bei der Filmpremiere © Universal

Dafür haben sich Ihre Fans schon beeinflussen lassen und einen Spitznamen für Sie bei Cumberbatch abgeschaut.
So hoch würde ich das nicht hängen. Bens Fans nennen sich liebevoll „Cumberbitches“. Ein englischer Journalist vom Guardian hat meine Fans dann auf einmal „Redmaniacs“ genannt. Ich bin mir nicht sicher, ob sie sich selbst auch so nennen würden, aber sie sind sehr höflich zu mir. Nicht wirklich Maniacs.



Kritik
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