Fanny Ardant


Ein Lob des Seitensprungs

23.10.2013
Interview:  Gunther Baumann

„Die schönen Tage“: Fanny Ardant spielt - was sie selten tut - in einer Komödie. Und sie ist blond! © Filmladen

Frankreichs Film-Diva Fanny Ardant hat ganz eigene Vorstellungen von der Zweisamkeit. „Ein Seitensprung kann auch positive Wirkung haben“, sagt sie. „Ich war nie der Meinung, dass Treue eine besondere Qualität in einer Beziehung ist“. In ihrem aktuellen Film „Die schönen Tage“ folgt sie diesem Grundsatz. Sie spielt eine Zahnärztin namens Caroline, die ihre Ordination schließt und bei einem jugendlichen Lover neue erotische Erfüllung findet.  Was letztlich, so die Story des Films von Regisseurin Marion Vernoux, auch ihrer Ehe gut tut. „Die schönen Tage“ ist eine der wenigen Komödien in Fanny Ardants Oeuvre. Wir trafen die Schauspielerin in Paris zum Gespräch über Filme, das Leben und die Liebe. Und über die Gründe, warum sie ihre Haare blond färben ließ.


FilmClicks: In „Die schönen Tage“ spielen Sie eine attraktive 60-Jährige, die ihr Leben neu organisieren muss,  als sie aufhört, zu arbeiten.
Fanny Ardant: Meine Filmfigur Caroline steht an der Kreuzung zwischen der Arbeit und dem Alter. Ihr Leben verliert an Farbe. Sie ist eine gute Mutter und eine gute Ehefrau – aber ich glaube, sie ist clever genug, zu erkennen, dass sie ein dummes Leben führt. Es ist ihre Entscheidung, mit der Arbeit aufzuhören. Sie könnte noch weitermachen, aber sie sagt sich: Das Leben ist kurz. Was will ich noch anfangen? Ihre Kinder sind aus dem Haus. Sie hat keine Lust mehr, dafür zu sorgen, dass die Bourgeois von Dünkirchen strahlend weiße Zähne haben. Ihr Beruf fordert sie nicht mehr heraus.

Caroline (Fanny Ardant) im Familienkreis: Sie hat genug von der Alltags-Routine © Filmladen

Wie fühlt sich das denn an, wenn so große und wichtige Wechsel passieren?
Ich glaube, in solchen Phasen betritt man für eine kurze Periode ein Niemandsland. Man fühlt sich verloren. Man hat etwas hinter sich gelassen, ist aber noch nicht komplett im neuen Dasein angekommen. So geht das auch Caroline. Sie ist nicht mehr beruflich aktiv, sie ist eine Frau, aber nicht mehr jung. In unserer Gesellschaft zählt man aber nur dann etwas, wenn man etwas Nützliches macht. In dieser Situation kommen Carolines Töchter auf die Idee, der Mutter eine Mitgliedschaft im Seniorenclub „Die schönen Tage“ zu schenken. Weil sie Angst haben, dass Maman sonst nur noch den ganzen Tag vor dem Fernseher sitzt und Schokolade mampft.
 
In diesem Club fühlt sich Caroline nicht wirklich wohl…
Weil sie Klischees vor Augen hat. Sie denkt, alte Leute sind dumm, und sie werden in dem Seniorenclub mit dummen Aktivitäten beschäftigt. Aber das Leben hat so viel mehr zu bieten! Man sagt immer, es sei schön und wichtig, wenn die Älteren den Kontakt zur jungen Generation behalten – über ihre Kinder und Enkel. Aber ich finde es auch wichtig,  dass man mit den Leuten seiner eigenen Generation verbunden bleibt.  Man soll davor nicht davonlaufen – schließlich bewegen wir uns alle auf der Straße, die zum Tod führt.  Was mir am Film „Die schönen Tage“ so gut gefällt, ist die Tatsache, dass Caroline entdeckt, dass sie sich wieder auf den Weg machen kann.  Das Leben bietet einem immer wieder etwas Neues an. Man muss nur die Augen offen haben und darf sich nicht in negativen Stimmungen verkriechen.
 
Das Neue im Leben hat im Film die Gestalt eines attraktiven jüngeren Mannes.
Richtig. Zu Beginn ist Caroline traurig und sie fühlt sich verloren. Dann erlebt sie plötzlich diese sexuellen Verlockungen, an die sie eine Minute zuvor nicht einmal zu denken wagte.  Und sie lässt das zu, sie lässt das Leben ganz an sich heran. Am Ende des Tages wird sie feststellen, dass sie auch weiterhin ihren Mann und ihre Familie liebt. Aber sie braucht diesen neuen Geruch, diesen Hauch von Abenteuer.

„Sie braucht den Hauch von Abenteuer“: Caroline (Ardant) mit neuem Lover Julien (Laurent Lafitte) © Filmladen

 
Ist es wichtig für Caroline, dass ihr Lover so viel jünger ist?
Nein. Sie fühlt sich auch gar nicht besonders wohl damit, denn der Mann, der sie sexuell anzieht, ist im Alter ihrer Töchter.  Die Beziehung beginnt wie eine verhängnisvolle Affäre, aber sie führt nicht zu großer Leidenschaft, sondern zu einer gewissen Leichtigkeit.  Und zum Schluss ist Caroline clever genug, darüber nachzudenken, was sie mit diesem jungen Mann anfangen soll. Und dann realisiert sie auch, wie wichtig ihr die Liebe zu ihrem Ehemann ist. Sie wacht wieder auf, was die Gefühle zu ihrem Mann betrifft…
 
Heißt das, ihr Mann sollte im Grunde dankbar dafür sein, dass seine Frau eine Affäre hat?
Absolut! So etwas gilt in beiden Richtungen.  Es gibt ja auch Männer, die sich mit einer Jüngeren einlassen, die dann vielleicht ziemlich dämlich ist. Wenn der Mann dadurch entdeckt, wie clever und witzig seine Ehefrau ist, dann ist dieser Seitensprung auch gut für die Frau. Denn dadurch kann neues Leben in die Beziehung kommen, und das ist besser als gelangweilte Routine.
 
Das klingt jetzt nicht so, als würden Sie für lebenslängliche Treue zwischen Liebenden eintreten.
Stimmt. In früheren Generationen wurden die Menschen vielleicht 60 Jahre alt – heute werden viele 80 oder noch älter. Das ist eine sehr lange Zeit. Wenn man 40 oder 50 Jahre mit einem Partner zusammenbleibt, dann ist es, glaube ich, besser, manchmal einen Seitensprung zu begehen – vorausgesetzt,  man verletzt und demütigt den Partner nicht. Ich war nie der Meinung, dass Treue eine besondere Qualität in einer Beziehung ist. Nicht einmal, als ich noch ganz jung war. Wenn man am Lebensende Bilanz zieht und sagt, ich war ein schlechter Ehepartner, aber ich war immer treu – wen beeindruckt das? Ich bevorzuge Leute, die sagen, ich war ein guter Ehepartner, aber manchmal, na, da habe ich woanders hingeschaut...
 
„Das schöne Leben“ ist einer der seltenen Filme, in denen man Sie in einer heiteren Rolle sieht.
Das stimmt – ich bin eine Tragödin. Ich liebe tragische Rollen, weil sie meinen tiefen eigenen Gefühlen entsprechen. Aber wenn man eine Tragödin ist, hat man manchmal auch Sehnsucht nach dem Gegenteil, nach dem Lachen. Komödien können prickelnd wie Champagner sein, und ich liebe das, weil es so weit weg von mir selbst ist. Marion Vernoux, die Regisseurin von  „Die schönen Tage“, bat mich übrigens, mir für den Film die Haare blond färben zu lassen. Denn mit meinen dunklen Haaren und mit meiner Größe hätte ich vielleicht einen zu imposanten Eindruck gemacht. Blond wirkt weicher.
 
Und wie ich heute sehe, sind Sie beim Blond geblieben!
Es war ein ziemlicher Aufwand, blond zu werden, und nach „Die schönen Tage“ habe ich selbst einen Film inszeniert, er heißt „Cadences obstinées“. Da hatte ich einfach keine Zeit, mich fünf Stunden zum Friseur zu setzen. Jetzt bin ich einmal blond - aber sobald mich das zu langweilen beginnt, werden die Haare wieder schwarz.
 
Wollen Sie uns etwas über Ihren eigenen Film erzählen?
Der Film heißt „Cadences obstinées“ und handelt von einer Liebesaffäre, die in Lissabon spielt: Keine tragische Liebe, aber eine unmögliche Liebe. Im Cast spielen Asia Argento, Franco Nero und Gerard Depardieu.  Ich habe auch das Drehbuch geschrieben, und wir arbeiteten mit einem sehr kleinen Budget: Weniger als eine Million Euro. Der Film kommt im Januar 2014 in Frankreich heraus – und er ist wie ein Baby für mich.
 
Spielen Sie auch selbst mit?
Nein. Das wäre zu schwierig gewesen. So wenig Zeit, so wenig Geld…
 
Sie hatten also nicht genug Geld, um Ihre eigene Gage zu bezahlen…
Nein (schallendes Lachen). Natürlich arbeiten bei diesem Budget alle Darsteller für eine ganz kleine Gage. Dass ich nicht mitspiele, liegt daran, dass ich mich auf das Inszenieren konzentrieren wollte.
 
Kommen wir noch einmal zu Ihrer Liebe zur Tragödie zurück. Sind Sie selbst eine dunkle Persönlichkeit?
Vielleicht nicht dunkel – aber pessimistisch.  Wenn ich lange allein bin, kann ich mich sehr einsam fühlen und düster. Ich gehe dann nur aus, zu Dinnerpartys oder so, wenn ich das Gefühl habe, dass ich lachen und sprechen kann. Andere Menschen können  sehr heilsame Wirkung haben.  

Wie ist denn das beim Film? Schauen Sie lieber Komödien oder Tragödien an?
Ich sehe mir im Kino nie Komödien an. Das interessiert mich nicht. Vielleicht lege ich mal ein Lustspiel auf DVD in den Player, aber ich würde mir nie ein Ticket für eine Komödie kaufen. Wenn überhaupt, dann mag ich sentimentale Komödien, so wie jene von Billy Wilder.

Aber Ihr aktueller Film „Die schönen Tage“ ist doch eine Komödie!
Ja. Deshalb war ich ja so überrascht, dass Regisseurin Marion Vernoux ausgerechnet mich engagieren wollte.  Es war dann ein großes Vergnügen, den Film zu drehen. Ich fühlte mich sehr wohl mit Patrick Chesnais, der meinen Mann, und mit Laurent Lafitte, der meinen Lover spielt. Und… (sie lacht) erstmals in meiner Laufbahn sieht man mich in einem Film in Jeans!



Kritik
Die schönen Tage
„Die schönen Tage“ ist eine typisch französische Kino-Komödie über eine jugendliche Frau von 60 Jahren (die wunderbare Fanny Ardant), die sich nach dem Abschluss ihres Berufslebens definitiv nicht aufs Altenteil setzen will. Mehr...